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Armes Huhn im Wienerwald

 23.09.2012

Zwei Freundinnen, A. und ich sahen die "Geschichten aus dem Wiener Wald" von Ödön von Horvath im Berliner Ensemble.
Ein bitterböses Familiendrama aus dem Zeitraum nach der Weltwirtschaftskrise und vor dem heraufziehenden deutschen Faschismus.

Zur Geschichte:
Ein jugendlicher Gockel namens Alfred  ist mit der vermögenden reiferen Henne Valerie liiert. Als diese entdeckt, dass er sie um Wettgewinne betrügt, sucht er sich ein junges Huhn, um sich an ihr zu rächen. Die Legehenne Marianne verlässt wegen ihm ihren ungeliebten, aber vermögenden Verlobten (der ist Fleischer) und schenkt Alfred ein Kind. Doch ihr Galhahn verlässt sie bald, das Pflichtprogramm war ihm wohl zu anstrengend.

Um zu überleben, zieht sie jeden Abend ihr Federkleid aus und tanzt nackt vor geilen alten Gockeln. Als sie sich weigert sich mehr zu prostituieren, zeigt ein enttäuschter Freier sie wegen nicht vollzogenem Beischlafdiebstahl an.

Deshalb muss sie einige Zeit in einer Mastanlage der Firma Wiesenhof zubringen. Derweil sorgt Oma Henne, bei der ihr Küken untergebracht ist, dafür, dass dieser uneheliche, unchristlich gezeugte Balg an einer Lungenentzündung eingeht.

Aus dem Hühnerknast entlassen erfährt Marianne vom Tod ihres Kindes und bricht zusammen. Doch ihr ehemaliger Verlobter fängt sie auf und bald ist der Ehevertrag perfekt.
Ente gut - alles gut oder nicht?
Zum Schluss spielt die mörderische Oma ungerührt auf ihrer Zither „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Johann Strauß.


Ich fand die geballte Packung Elend recht gut angerichtet, doch eine Aktualisierung hätte ihr sicher gut getan. Doch die exzellenten SchauspielerInnen erreichten, dass die Aufführung der angestaubten Geschichte sehr sehenswert wurde.
Ödön von Horvath erweist sich mit seinem 1931 uraufgeführten Stück als drastisch beschreibender Autor, bei dem die Figuren im Laufe der Handlung immer mehr im ausweglosen Schicksal versinken. Erinnerungen an "Berlin Alexanderplatz" von Alfred Döblin kamen bei mir dabei hoch. Auch der wurde damals dafür kritisiert, dass seine Figuren sich nicht wehren, mir wäre dies auch angenehmer. Leider fehlt vielen der Mut dazu.
Trotzdem vertrieben die Deutschen die beiden Schriftsteller, nachdem sie 1932 ihren Führer gewählt hatte.

Kritiken der Anderen: Kulturradio, Tagesspiegel,

Im Anschluss war zum jährlichen  Sektempfang der Theatergemeinde Berlin geladen. Zum Glück war der BE Intendant Klaus Peymann verhindert und redete nicht. So wurde der Wein nicht sauer und die Häppchen verschimmelten nicht.
Ein schöner Abendausklang.

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