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Bis auf´s Blut

21.12.2012

Ich schaute mir mit J. den Dokumentarfilm Marina Abramovic, The artist is present an. Die Performerin bekam 2010 als Erste ihrer Kunstart eine Einzelausstellung im MoMa in NewYork. Der Film dokumentiert dies und ihr Leben.
Bisher war die Performance eine etwas zwiespältige Kunstrichtung für mich. Meist erntete sie Missbilligung und lang anhaltendes Gähnen bei mir, auch wenn Joseph Beuys in einem Käfig stundenlang Zeit mit einem Kojoten verbrachte.

Oder ein unbekannter Performer in einem Schamanenkostüm bei einer Party heulend herum hüpfte und Hühnerknochen warf, irgendwie verstand ich das alles nicht so richtig.
Das erste Mal begeisterte mich eine Performance der Videokünstlerin Pipilotti Rist, in der sie mit einer Eisenstange Autos auf einer Hauptstrasse in Zürich zertrümmerte. Die Autos waren natürlich vorbestellt, doch die Zuschauer wussten nicht von der Aktion. Ein wenig wie bei der Fernsehshow "Versteckte Kamera".



Biennale Venedig 1997
Marina Abramovic ist ein anderes Kaliber. Ihre Aktionen sind extrem und meist bringt sie sich persönlich ein. Dabei fließt auch mal ihr eigenes Blut. Im Film werden einige heftige Aktionen aus dem Beginn ihrer Kunsttätigkeit gezeigt.

So saß sie mehrere Tage lang auf einem stinkenden Haufen blutiger Rinderknochen und putzte sie als Kommentar zum rassistischen Schlachten in ihrem Heimatland Jugoslawien.
Einmal bot sie ihren Körper sechs Stunden dem Publikum einer Galerie zur freien Verfügbarkeit an. Im Video unten beschreibt sie, was ihr da angetan wurde und weshalb sie so etwas wohl nie wieder tun wird.



Für ihre Ausstellung im MoMa standen ihr natürlich erst mal nur Fotos und Videos von vergangenen Aktionen zur Verfügung, denn Performances lassen sich schlecht wiederholen. Doch sie heuerte eine Gruppe junger Leute an, um ein wenig Leben in die Bude zu bringen. Zwei stellte sie nackt in einen schmalen Durchgang, durch den sich alle BesucherInnen zwängen mussten. Eine nachgestellte Performance aus dem Jahr 1977. Eine andere Person lag nackt auf einem Podest, auf ihr / ihm ein Skelett. Für die recht bigotte öffentliche Meinung in den USA eine Provokation.


Sich selbst hatte die Künstlerin eine wahre Herkulesaufgabe zugewiesen. Sie saß im zentralen Raum auf einem Stuhl, gegenüber ein ebensolcher, auf dem BesucherInnen Platz nehmen durften. Sie schaute diesen ins Gesicht. So entstanden bezaubernde Momente der nonverbalen Kommunikation. Ihr Gegenüber durfte dies so lange fortsetzen, wie es ihm beliebte.
Dabei fingen viele der Angeschauten, Frauen wie Männer, zu weinen an.

Marina Abramovic hielt dies zweieinhalb Monate oder etwa 700 Stunden aus. Mit Hilfe von eiserner Selbstdisziplin, Yoga und Krankengymnastik überstand sie diese Tortur.
Den oft bei Vernissagen benutzten Begriff, The Artist Is Present - Der / die KünstlerIn ist anwesend, unterlegte sie mit einer neuen schwerwiegenden Bedeutung.


Kritiken der Anderen: Frankfurter Rundschau, Zeit, Süddeutsche, Art Magazin,

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