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Thüringer Blutkrapfen

18.02.2013

Schon wieder ne sympathische Lesebühne. So neu, dass sie sich noch nicht mal einen richtigen Namen geben konnte.
Der Name Literatur Lesung Nr.1 ist ja wohl nicht ganz erst gemeint. Er ist mehr was für Posemuckel, wo es sonst nix gibt.
Gelesen wurde im Antiquariat / Café Morgenstern.

Einer der beiden AutorInnen des Abends Christian Wöllecke hat seine Wurzeln in der ostdeutschen Provinz. Friederike Kenneweg stammt aus einer westdeutschen Kleinstadt.

Der Schriftsteller las hervorragend. Doch waren seine Geschichten für meinen Geschmack zu männerorientiert. Seebären auf dem Schiff, Seebären mit Huren, ein Krapfenkönig kurz vor dem Ableben, zwei Kumpels, die zum Abschied für einen Dritten, der von ihnen ging, ein Besäufnis veranstalten. Typisch postpubertäres Männergehabe. Solche Geschichten finde ich eher langweilig.


Ich ziehe es vor mit Damen bei Lesungen Rotwein zu schlürfen.
Der Flyer, zu dem von ihm mit herausgegebenen Literaturmagazin Schmalspur, zeigt schon wo es bei ihm langgeht. Aber vielleicht ist sein Stil ja auch ein Wiederhall des proletarischen Realismus der DDR. Die Spur der Steine könnte den Weg gewiesen haben.


© Martina Simkova
Die Schriftstellerin las etwas gehemmt und leise. Doch die Geschichten waren mehr nach meinem Geschmack.
Zum Beispiel beschreibt sie die Reise von zwei Frauen und einem Mann nach Transsilvanien. Die eine Frau ist ziemlich vampirofil und verliert, was sie sich wünscht.

Hintersinnige Beschreibungen sind wohl Frederike Kennewegs Spezialität.

Kunstgespräche

16.02.2013

An diesem Samstag gab es Kunst mit gedanklichem Beiwerk. Die Galerie für türkische Kunst Tanas hat eine spannende Gesprächsreihe eingeführt. Samstagnachmittag wandern zwei Kunstgurus durch die aktuelle Ausstellung, sprechen über die Werke und suchen das Gespräch mit den BesucherInnen.


So sahen J. und ich die Arbeiten von Sakir Gökcebag mit Begleitung. Er ist stark vom Fluxus inspiriert, so war viel hintersinnige und humoristische Kunst dabei. Er verwendet Materialien wie Teppiche, Kleiderbügel und Schirme.

Diese benutzt in einem anderen Kontext und erhebt sie so zu Kunst.
Die Idee, die Ausstellung mit Kunstgurus zu erkunden, bewährte sich in dieser Ausstellung besonders gut. Diesmal waren es eine Mitarbeiterin der Galerie und die Kuratorin Friederike Fast.
Die beiden Frauen waren fachkundig und besprachen miteinander und mit uns, den BegleiterInnen, was zu sehen war. Es folgten fruchtbare Gespräche.
Für ausgewiesene Kunstfreunde sind diese Gallery Talks eine Bereicherung.

Sie stellen keine Alternative zu Führungen dar, sind aber eine attraktive Ergänzung. Gerade bei den Kunstwerken von Sakir Gökcebag bewährte sie sich sehr. Diese bedürfen keine Erklärung, sondern eine Sichtbarmachung, von welchen Kollegen er sich hat anregen lassen.

Der Künstler hat aber nicht einfach nur von VorgängerInnen abgekupfert, seine Arbeiten sind originell und sehr ansehnlich. Der entstehende optische Eindruck ist hervorragend. Vielfach schafft er es normale Gegenstände so zu verändern, dass sie beim Betrachten irritieren.

Teilweise verweisen die Objekte auch auf die türkische Herkunft des Künstlers.
Als ich die abgeschnitten Schuhe entdeckte, musste ich zuerst lächeln. Dann fiel mir jedoch das Ritual der Muslime ein, ihre Schuhe vor der Moschee abzustellen. Damit wollen sie das heilige Haus nicht beschmutzen.

Die Schuhe mit den abgeschnittenen Spitzen brachte mich auf die etwas böse Idee, eine Kamera zu nutzen und dann die dummen Gesichter der Moscheebesucher zu knipsen, wenn sie ihre Schuhe sehen. Aber auch eine etwas weniger teuflische Deutung ist möglich. Vielleicht wollte der Künstler auch nur zeigen, dass in Schuhen von Muslimen auch nur Füße stecken.
Der zweidimensionale Abbildung eines Turms, aufgebaut aus Kleiderbügeln, zeigt exemplarisch, mit wieviel Fantasie er an seine Projekte herangeht.
Ich sage dem in Hamburg lebenden Sakir Gökcebag eine große künstlerische Zukunft voraus.

Chaos besiegt Ordnung

12.02.2013

Dem Finnland Institut gebührt Dank. Mit der Liebsten konnte ich mit gewonnenen Freikarten das Stück 15.15 - Eine Versuchsanordnung im Theater an der Parkaue sehen. Das Jugend- und Kindertheater liegt im Nordosten Berlins und da bot es sich schon geographisch förmlich an eine Gemeinschaftsproduktion mit dem Kaupunginteatteri aus Helsinki zu starten.
Da die jungen Leute aus beiden Ländern Englisch beherrschen, war es möglich das Stück zusammen zu entwickeln.

Berlinski nennt sich die Truppe. Sie nutzten die Internet Software Noodi zum gemeinsamen Erarbeiten der Texte. Sie  siedelten die Geschichte in ferner Zukunft an, in der vieles nicht mehr so geordnet funkioniert wie heute.

Das Stück bot keine durchgehende Handlung. Die Episoden sind ums Thema Zeit und Chaos gruppiert. Es beginnt um 15:15 Uhr an einer Bushalte, an der ein Mann und zwei Frauen in weißen Overalls warten. Wie der Zufall will, kommt der Bus nicht.

Beim herrschenden Chaos ist das kein Wunder, doch er könnte kommen. Die drei hängen auf einer Bank ab, beginnen sich kennen zu lernen und nutzen die Zeit für fruchtlos / fruchtbare Diskussionen. Chaosformeln spielen dabei auch eine nicht unbedeutende Rolle.

Die SchauspielerInnen des Abends stellten dar: eine Seniorin die sich die Wartezeit mit Stricken vertreibt, einen Jungmann, der mit seiner Angebeteten verabredet ist, und eine junge Frau, die an der Haltestelle rumhängt, von der nicht klar ist, ob sie überhaupt mitfahren will.

Technisch wurde einiges geboten. Auf die Rückwand der Haltestelle wurden Zeichnungen geworfen, die auf einem Overhead Projektor  erstellt wurden. Links war eine Bluebox mit einer Kamera montiert, durch die Filmsequenzen an die Wand projiziert wurden.

Zum Beispiel die Handpuppe, die mit zwei Augenringen und einem blauen Stulpen auf die Wand projiziert wurde. Einer der bezaubernden Momente des Abends. Obwohl wir unter den Zuschauern die Ältesten waren, verstanden wir fast alles.

Musikalisch war die Vorstellung ebenfalls gelungen. Bei den Gesangspassagen zeigte sich die gute Ausbildung der SchauspielerInnen.
Das Stück war unterhaltend, obwohl die DarstellerInnen an ihrer Haltestelle in der Warteschleife hingen. Langweilig wurde es nie, ein wenig Streit, ein wenig Versöhnung trugen gut über 84 Minuten, obwohl der Bus nie kam, wie Godot bei Beckett.

Potz Tausend, es ist erstaunlich, was die acht Jugendlichen aus Helsinki und Berlin mit Hilfe von zwei Regisseuren zustande gebracht haben. Der Beifall war dementsprechend gut lang.


Kritik der Anderen: Tagesspiegel,

Killer in Indonesien

09.02.2013

© Irmeli Rother
Während der Berlinale sahen wir den Dokumentarfilm
The Act of Killing in der Reihe Panorama in Kino International in Ostberlin.
Joshua Oppenheimer drehte ihn in Indonesien. Mehrere Jahre hielt er sich dafür vor Ort auf. Seine nicht einfache Aufgabe bestand darin mit Massenmördern zu arbeiten.

© Irmeli Rother
Für sein Projekt musste er sie persönlich kennen lernen und "gemeinsam" mit ihnen den Film gestalten.
Trotzdem über den Film vorher bekannt wurde, dass er der politischste und brutalste Beitrag des Jahres wäre, war das Gedränge groß und die Vorstellung ausverkauft.

Zur Geschichte im Film:

In Kalten Krieg war die Welt leicht zu verstehen. Überall auf dem Globus schienen die Kommunisten auf dem Vormarsch. Indonesien war führendes Mitglied der erstarkenden Blockfreienbewegung. Dieser unterstellten die USA eine verdeckt für die Sowjetunion arbeitende Organisation zu sein.

Um ihren Herrschaftbereich abzusichern, installierten die USA zwischen 1960 und 1990 in vielen Ländern Militärdiktaturen, deren Aufgabe es stets war die sozialen Bewegungen einzuschüchtern und Vasallenregierungen zu installieren.

Helmut Kohl und ein Massenmörder
Der bekannteste Organisator dieser Morde war der US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger.
Die Bundesrepublik unterstützte, wie viele andere Vasallen der USA, diese Politik und hielt zu den Diktatoren freundliche und herzliche Beziehungen.

Die Idee des chilenischen Generals Pinochet: "Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden" hat sich ja auch in unserem Land. bewährt.

Für Lateinamerika richteten die USA extra eine Folterschule mit dem Namen Escuela de las Americas in Panama ein.
Eine sehr unvollständige Liste der Militärputsche:
1950 Guatemala, 1960 Türkei, 1965 Indonesien, 1967 Griechenland, 1973 Chile, 1976 Argentinien, 1980 Türkei, 1985 Brasilien.
In den Ländern entstanden Militärregierungen, die mit Unterstützung der USA die Gegner töten sollten. Schon vor dem Umsturz 1965 in Indonesien hatte die US-Botschaft eine Liste mit tausenden Feinden erstellt, die den Putschisten übergeben wurde.

Der General zu Besuch in der BRD
Als das Militär in Indonesien unter General Suharto gegen die gewählte Regierung putschte, nutze es jedoch einen Sonderweg, um die Feinde des Kapitalismus und der USA zu liquidieren. Gangster erhielten vom Militär freie Hand an dieser Aufgabe mitzuarbeiten.

Sie bildeten Todesschwadronen, die Menschen entführten, folterten und mit den so erpressten Namen die nächsten Opfer fanden. Die Ausgepressten wurden umgebracht. Dadurch, dass sie in ihrer Gemeinde lebten, konnten sie außerordentlich erfolgreiche Verfolger sein.
So ermordeten sie ca. eine Millionen IndonesierInnen. Eine frühe Variante des public privat partnership. In Indonesien wird der Zeitraum dieses Massakers die Saison der Hackmesser genannt.

Das Besondere an der Situation dort ist, dass die Mörder von damals heute hochangesehene Bürger sind und sie keine Verfolgung erwartet. Das ermöglichte die Täter direkt vorzuführen.

Sie berichteten stolz vor der Kamera von ihren Taten und spielten diese gerne nach. Ein sympathisch wirkender älterer Herr (der mit dem Strohhut) erzählte davon, dass das Blut der vielen Erschlagenen den Abtransport der Leichen schwierig gestaltete. Seine Lösung war die Opfer mit einer Drahtschlinge zu erdrosseln. Er berichtete aber auch, dass ihn die Toten in Albträumen begleiten. Dieses Trauma gönne ich ihm gerne.
Fast schon witzig war der Ratschlag eines Mordkumpanen, deswegen einen Psychiater aufzusuchen.

Beim Nachstellen eines Überfalls auf ein Bauerndorf brachten sie ihre Verwandten, sogar im Kleinkindalter befindliche Enkel zum Dreh mit. Als diese weinten, wurden sie von den Mördern getröstet.

Da blitzte mir der Gedanke durch den Kopf, wie das gewesen wäre, wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte. Alle Juden, die für die Deutschen erreichbar waren, wären erfolgreich ermordet und die Täter wären Rentner mit einer ordentlichen Pension.
Sicher würden sie genauso stolz von ihren Taten berichten und auf Wunsch eines Kamerateams auch mal ein Massaker nachstellen. Die ehemaligen Ingenieure von Bayer und Co. würden ihre Ruhmestaten bei der Perfektionierung der Vernichtung beschreiben und der "normale" Deutsche würde frohen Herzens sagen, er hätte von allem gewusst.
Der Regisseur nutzte die wohl weltweit einzigartige Chance, um mit den hochangesehenen Mördern zu drehen. Ich finde, er tat dies genial.

Kritiken der Anderen: TAZ, Spiegel, Deutschland Radio Kultur,

Schleiertanz rückwärts

03.02.2013

Der Stadtzeitung TIP sei Dank konnten meine Süße und ich kostenlos das Tanzstück "Der Bau" in den Uferstudios anschauen.

© Laurent Goldring
So begann es:
Isabelle Schad stand allein und nackt auf dem Podium und verrenkte sich rhythmisch und heftig. Dabei waren ihre vom Tanztraining ausgebildeten Muskeln heftig in Bewegung und gut zu sehen.
Ich empfand diesen ersten Teil des Solostücks sehr anschaulich.

© Laurent Goldring
Nach einer Weile griff sie sich einen der auf dem Boden liegenden Schleier und erzeugte mit ihm Wellen. Sie wickelte sich dann darin ein und nach einer Weile nutzte sie ein andersfarbiges Tuch. Teilweise wurden die Wellenmuster durch Geräusche wie Meeresrauschen unterstützt.
Zum Schluss war sie in fünf Schleier eingewickelt und rollte wie eine Raupe über den Boden.

© Irmeli Rother
Übrig blieb ein Haufen Stofftücher.
Ich war von der kraftvollen und ausdrucksstarken Performance begeistert. Gemeinsam mit dem Restpublikum klatschte ich mir die Hände rot.
Wieder war ich jedoch zufrieden nicht vorher den Begleittext gelesen zu haben. Das Stück bezog sich auf ein Romanfragment von Kafka und stand unter dem Motto "Auch der Raum ist ein Organ". Was das Gesehene damit zu tun hatte, erschloss sich mir überhaupt nicht.