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Das schaffen wir

16.10.2011

Draußen tobt der schönste goldene Oktober und Mann + Frau wollen nichts Anderes tun als zwei Stunden im dunklen Kinosaal zu hocken. Ja! Die Reihe heißt Cinemaperitivo und sie wird jeden Sonntag im Kino Babylon Mitte serviert.

Die Idee zum italienischen Film „Si può fare“ (auf Deutsch ungefähr „Das schaffen wir schon“) von  Giulio Manfredonia hat ihren Ursprung in der Psychiatriereform Italiens. Auf Initiative des Psychiaters Franco Basaglia wurden 1978 die psychiatrischen Kliniken geschlossen und die Patienten in die Freiheit entlassen, meist zurück in die Familien. Auch hierzulande wurden Langzeitstationen und ganze Kliniken geschlossen.

Die ehemaligen Psychiatriepatienten wurden zurück in die Gemeinde oder die Familien geführt. In dieser Zeit entstanden überall Wohn- und Arbeitsprojekte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.

Zum Film: In Mailand verliert der Gewerkschaftler Nello seinen Job. Mehr oder weniger freiwillig nimmt er das Jobangebot als Aufpasser eines Kollektivs von psychisch Kranken an. Die Mitglieder verrichten stupide Arbeiten wie Briefmarken kleben.

Die Arbeit schmeckt ihnen nicht, in der Gruppe herrscht ständige Unruhe und es kommt oft zu Streitigkeiten. Nello hat das Herz am rechten Fleck. Er begegnet den psychisch Kranken auf gleicher Augenhöhe, nimmt sie ernst, lässt sie mitentscheiden.

Nach einer Abstimmung ist Schluss mit Briefmarken kleben. Zukünftig wird richtige Arbeit verrichtet: Parkettverlegen. Das erste Parkett wird in Nellos Wohnung gelegt. Lohn wird sofort auf die Hand ausgezahlt, was die Motivation erheblich steigert.

Durch die Hartnäckigkeit von Nello erhält die bunte Truppe Folgeaufträge. Die aus der Not geborene Idee, aus Parkettresten schmucke Ornamente zu gestalten, wird zum Renner. Sie können sich kaum vor Aufträgen retten.

Der Film zeigt, dass wir alle unsere verrückten Seiten haben. Die Grenzen zwischen „Normalen“ und „Ver-rückten“ sind fließend. Der Film beschreibt das Projekt sehr liebevoll. Ein sympathischer Film mit viel Situationskomik und einem Schuss Tragik!



Im realen Leben sieht es etwas anders aus. Die psychisch Kranken sind gar nicht so knallverrückt wie im Film. Die Lankwitzer Werkstätten wurden 1986 im Zuge der Psychiatriereformbewegung als Modellprojekt gegründet. In der Tischlerei werden wunderschöne Schneide- und Servierbretter aus Resthölzern hergestellt.

Nachdem die Lichter in dem klitzekleinen Kinosaal wieder angingen, wurden die Zuschauer zu einer Diskussionsrunde in das obere Foyer von Babylon eingeladen. Es wurde Spritz und Prosecco serviert, dazu kleine Pizzastücke. Unter den Kinogängern wurde lebhaft auf Deutsch und auf Italienisch diskutiert: über Dokumentation und Fiktion,  Diagnosen und Behinderungsarten, über selektierende Schulsysteme und Pisa-Ergebnisse.

Bis der sympathische Diskussionsleiter die Diskussion unterbrechen musste und uns in die stockdunkle Oktobernacht schickte.