Dieses Blog durchsuchen

Trocken im Regen N°3

14.07.2013


Am Morgen besichtigten wir das einzige Museum für Moderne Kunst der Stadt. Der Name Kunstforum Ostdeutsche Galerie klingt lächerlich und ist es eigentlich auch. Es wurde auf der Grundlage des Kulturparagraphen im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz eingerichtet. Sicher nicht aus Versehen in Regensburg, denn dort regiert die CSU, die versucht am rechten Rand Stimmen zu fangen. Dort orten sich auch viele so genannte Vertriebene.
Ihre Vorfahren gehörten zur deutschstämmigen Bevölkerung in Polen, Tschechien und anderen Ländern, die den deutschen Eroberern zujubelten. Sie beteiligten sich an der Vertreibung und den Pogromen gegen die anderen Bevölkerungsgruppen. Als sie dann am Ende des Kriegs nach Deutschland vertrieben wurden, wagten sie es sich trotzdem zu beschweren. In der alten Bundesrepublik bildeten sie gemeinsam mit der CSU, rechten Burschenschaft und Nazis den Block der Revisionisten. Diese wollten "Ostdeutschland" wieder zurück erobern. Diese Koalition erreichte, dass überall in Westdeutschland Denkmäler und Museen für sie gebaut wurden.


Aus diesem Sumpf stiegt auch das Kunstforum auf.
Zwar ist der Einfluss der Revisionisten inzwischen sehr gering geworden, doch das Museum ist immer noch mit dem Anspruch unterwegs, nur Kunst aus den verloren gegangenen Regionen zu zeigen. Das ist zwar schwachsinnig, aber zum Glück gibt es genügend gute KünstlerInnen, die irgendwie Wurzeln im Osten haben. Diese dürfen ins Haus.
So bekamen wir trotzdem gute Arbeiten zu Gesicht.

Tagesschau 2008
Die Sonderausstellung zeigte Jiří Georg Dokoupil, ein Künstler, der 1968 nach der Zerschlagung des Prager Frühlings durch den Warschauer Pakt mit seinen Eltern fliehen konnte.
Er gilt als Chamäleon der Kunstwelt.
Sein erster Raum enthielt Fernsehsequenzen digital in Streifen geklebt.


Santa Cruz 2007
Im Filmstreifen ist der Konkurrenzkampf verschiedener Pharmakonzerne bei einem Radrennen zu beobachten.
Im nächsten Raum zeigte er Zeichnungen durch Kerzenruß.
Dabei projizierte er Bilder an die Decke und "malte" sie mit Ruß nach.
So kreativ sind nicht viele KünstlerInnen. Dokoupil ist ein Suchender, will immer Neues entdecken. Andere finden ihren Stil irgendwann und halten den dann bis zum Lebensende durch.
Nicht umsonst gewann Dokoupil den wichtigen Lovis Corinth Preis 2012.

Transparente Eruption, 2010
Auch im letzten Raum überraschte er.
Hier hat er mit farbigen großen Seifenblasen experimentiert und versucht diese auf Leinwand zu platzieren.
In einem Video berichtete er von den Schwierigkeiten Seifenlauge mit Farbe anzureichern.
Das Ergebnis dieser Versuche begeisterte mich endgültig.

Im Rest des Hauses, in der ständigen Ausstellung, befindet sich jedoch auch noch ansehnliche Werke.

Magdalena Jetelova, Venceremos, 2006
Ilse Fehling, 1924
Nikolai Wassiljeff
Waldemar Otto, 1971
Mann zwischen Wänden
Lovis Corinth, 1904
drei Grazien
Renée Sentenis, 1930
Daphne
Robert Bednorz, 1924
stehendes Liebespaar
Franz Radziwill, 1928, Dorfeingang
Wieder draußen musste ich beim Ausgang auf die Liebste warten, leider nutzen immer mehr Grünämter den preiswertesten Anbieter, wenn es um die Möbelierung der Parks geht. Deutschland hängt ganz schön durch.


Auf dem Weg in unsere Unterkunft fanden wir an einer Kirche diesen Wegweiser nach Santiago de Compostela. Damit ich freiwillig so weit laufe, müsste ich schon etwas ordentlich an der Waffel haben. Eine Beleidigung der Katholischen Kirche und ihrer Würdenträger wäre mir nicht genug Motivation. Zumal ich das am Tag sicher zwanzig Mal in Gedanken tue. Das schleift sich ab. Außerdem glaube ich nicht an jenes höhere Wesen, dass wir verehren, dann gibt es für mich sowieso keine Erlösung.

Mögen Andere ihre Schuhsohlen auf dem Weg nach Spanien ablatschen.
Im Hausflur musste mir die Liebste jedoch mal wieder zeigen, wo der künstlerische Hammer hängt.
Ja, ich weiß, dass sie die bessere Fotografin ist! Stimmt doch, oder! Auserwählte können das Bild vielleicht im nächsten Jahr einen Monat lang bewundern.

Am späten Nachmittag besuchten wir ein Konzert in der Oswaldkirche.
Das Trio Emily´s Poetry zauberte eine wunderbare Stimmung in die Kirche. Vorgetragen wurden die Gedichte von Emily Dickinson mit musikalischer Begleitung. Maria Nikolayczik sang, Rolli Bohnes spielte Gitarre und Oliver Horeth Kontrabass.
Frau Dickson lebte im 19. Jahrhundert in den USA. Sie litt unter Depressionen, lebte recht isoliert in ihrem Haus und verfasste herrliche Lyrik.

Sturmnacht! - Sturmnacht!
Wär ich bei Dir,
Sturmnächte wären
Unser Pläsier!

Harmlos die Stürme
Dem Herzen im Port -
Wirf Deinen Kompaß
Und Karten fort!

Rudernd in Eden-
Meer bist Du mir!
Lasse zur Nacht mich
Ankern in Dir!
Wild nights - wild nights!
Were I with thee
Wild nights should be
Our luxury!

Futile the winds
To a heart in port -
Done with the compass,
Done with the chart!

Rowing in Eden -
Ah, the sea!
Might I moor
Tonight in thee!

Leider verstand ich die englischen Texte nur teilweise, bei Lyrik ist das oft besonders schwierig, besonders wenn das Englisch alt ist. Doch die gesungenen Gedichte schlichen sich auch in Englisch ins Ohr und ins Herz. Für Euch habe ich eine Übersetzung gesucht und gefunden.



Nachts ging es dann wieder zum Abhotten in den Leeren Beutel.

Wieder unterliegen alle unbezeichneten Fotos dem Copywrite von Irmeli Rother.