Dieses Blog durchsuchen

Kunst in Helsinki

29.03.2011

Nach einem guten Frühstück wurden wir von Augensterns Freundin zur Didrichsen Villa chaufiert. Ein Flachbau im Stil der Architektur der Moderne der 50er Jahre.
Die Didrichsens waren ein Fabrikanten- und Sammlerpaar, die ab 1900 Kunst sammelten.

Eila Hiltunen,
ohne Titel, 1975
Aber sie kauften auch Nachkriegs Moderne. Unter anderem war Henry Moore mit Plastiken dabei, von dem auch eine Frauenfigur vor der Akademie der Künste im Hansaviertel in Berlin rumliegt.
Die aktuelle Ausstellung in der Villa ist dem finnischen Maler Hugo Simberg gewidmet. Dieser lebte von 1873 bis 1917 und verbrachte viele Sommer in einer Villa auf der Halbinsel Niemenlautta in Karelien. Viel dort Gemaltes war zu sehen.
Hugo Simberg, Der verwundete Engel, 1903


Als wir danach in der Innenstadt ankamen, besuchten wir zuerst im Lasipalatsi (Glaspalast), einem doppelstöckigen Flachbau im Stil der Fünfziger, das Cafe Lasipalatsi.
Nach Hühnchen mit Reis und Salat kehrten unsere Kräfte zurück.
Das Haus ist gut erhalten, in Finnland wird mit Juwelen der Architektur klug umgegangen.

Eero Järnefelt, Brandrodung, 1893
Im Anschluss liefen wir zum Ateneum, das finnische Kunstmuseum für Historisches schlechthin.
Dort gibt es jetzt wieder eine Garderobe, hatte ich doch im Jahr zuvor auf einen Besuch verzichtet, wir konnten unsere Koffer damals nicht abgeben.
Meckern lohnt sich doch.

Thomas Anschutz,
Pause der Metallarbeiter, 1880
Wir schauten die Ausstellung Illusions of Reality (1875-1918). In dieser waren Gemälde, Fotos und Filme aus 31 Museum zu sehen. Die Konfrontation der Darstellungen vermittelte neue Sichtweisen. Die Schau wurde gemeinsam mit dem Van Gogh Museum of Amsterdam zusammengestellt. Genial war sowohl die thematische Gruppierung als auch die Medienkombination.

Helene Schjerfbeck, 1881
A Boy Feeding his Younger Sister
Im ersten Stockwerk zeigen sie finnische Kunst.
Die Mitte des 19. Jahrhunderts gegründete Finnish Art Society begann Studenten auszubilden und erwarb den Grundstock der Sammlung. 
Dort sahen wir auch Bilder von Hugo Simberg wieder.
Mich beeindruckten die Bilder der 1862 geborenen Malerin Helene Schjerfbeck besonders.
Ihre Kinderportraits sind sehr anrührend.

Kari Caven
Schon etwas müde stiegen wir in die Metro und fuhren zum Kaapelitehdas (ehm. Kabelfabrik). Dieses Kulturzentrum ist riesig und bietet allen möglichen Initiativen und Projekten Unterschlupf.
Zuerst kehrten wir auf einen Roten im Café ein. Dort beeindruckte uns das Kunstwerk aus Blechpfannen.
Danach wechselten wir in das Theater Zodiak, in dem das Tanzstück In Human Disguise gezeigte  wurde.
`In menschlicher Verkleidung` lautet die Übersetzung. Vier unbekleidete Frauen agierten miteinander. Das Stück war total langweilig, es war eine der unverständlichen Performances. Augenstern und ich ertrugen es aber bis zum bitteren Ende.

Vier Nackte, die auf der Bühne herumlaufen, erzeugen alleine noch nichts Spannendes.
Die Freundin aus Helsinki, die uns die Karten besorgt und das Stück empfohlen hatte, traf aber keine Schuld an dem Reinfall, sie hatte das Stück selbst nicht gesehen.

Ankunft in Turku

30.03.2011

Anderthalb Stunden waren wir mit dem Zug von Helsinki unterwegs, um Turku zu erreichen.
Diese Hafenstadt, malerisch an der Mündung des Flusses Aurajoki, liegt am Schärenmeer und ist die fünftgrößte Stadt Finnlands.
Wer mit der Fähre von Stockholm kommt, landet hier an.
Mit 170.000 Bewohnern ist die Stadt recht klein, jedoch ist sie 2011 Kulturhauptstadt der EG.

Zu Fuß war der Weg vom Provinzbahnhof (wir mussten Schienen  überqueren) zu Hotel Harriet nicht weit. Dies war aber neben dem geringen Preis das Einzige, was positiv über die Absteige zu sagen war. Augenstern hatte sich zu sehr von den Fotos der WEB-Site blenden lassen.
Das Zimmer war winzig und ein Schlauch, unsere Betten standen hintereinander und die Dusche ohne Vorhang sorgte für Überschwemmungen.

Nachdem wir unsere Koffer abgestellt hatten, erkundeten wir die Stadt.
Unser erstes Ziel war die Markthalle. Ein netter, etwas altertümlicher, aber bezaubernder Platz.
Ich liebe die überdachten Märkte in Finnland.

Auch Menschen mit Leseschwäche können sich nicht gut herausreden, wenn sie herumstehen, rauchen oder den Hund mitbringen.
Ich staunte wiedermal über das reichhaltige Fischangebot und genoss mit Augenstern die super leckeren Fischbuletten.
Es folgte ein kleiner Bummel auf der Uferpromenade des Aurajoki entlang.
Meeresgeruch, Schiffe und der Gedanke an Seereisen stimmen mich immer romantisch. Da wird der kleine, Abenteuer ersehnende Schiffsjunge in mir geweckt.

Als wir uns hungrig gelaufen hatten, entdeckten wir ein Restaurantschiff im Eis.

**** Gasttext von Augenstern ****

Klar, Ende März ist in diesen Breitengraden keine Hauptsaison für Restaurantschiffe. Fast alle im durch Turku  fließenden Aurajoki-Fluss liegenden Schiffe machen Winterschlaf.. Aber eins hatte auf.

Der Name Svarte Rudolf  riecht nach schwarzem Teer und dicken Tauen, nach tätowierten Matrosen  und holzbeinigen Seeräubern. Ein Abendessen in einem fest im Eis liegenden Restaurantschiff  hat ´was. Doch es fing ungemütlich an: die Kellnerin verweigerte zu dem bestellten Wein (immerhin eine ganze Flasche Rotwein!) Leitungswasser zu bringen. Erst als wir drohten die ganze Bestellung zu stornieren, brachte sie EIN Glas Wasser für uns zwei. Der italienische Wein war gut süffig. Der als kleine Vorspeise servierte Salat war unter aller Salatwürde, lieblos hingeklatscht und mit der in Finnland gängigen Fertigdressing bespritzt. Als Hauptspeise musste es einfach Fisch geben. Das gebratene Siika-Filet schmeckte vorzüglich und war appetitlich angerichtet. Es war großer Maräne bzw.  Blaufelchen (Coregonus lavaretus), eigentlich ein Süßwasserfisch, wobei einige Arten auch im salzigen Ostseewasser vorkommen. Der Blick auf den zugefrorenen Aurajoki in der beginnenden, stimmungsvollen Abenddämmerung entschädigte das Verhalten der Kellnerin.


Auf dem Heimweg ging uns die Frage durch den Kopf, warum Kerzen auf den Tischen standen. Es wurde keine Einzige angezündet. Vielleicht wegen Brandgefahr? Turku hat einschlägige Erfahrungen mit Feuer. Über dreißig Male wütete ein Flammenmeer durch die Stadt, am Schlimmsten im September 1827; dabei wurden drei Viertel der Holzhäuser der Stadt zerstört. Das Motto der Kulturhauptstadt  2011 ist “Turku palaa” (Turku brennt). Aber das Wort „palaa“ ist ein Teekesselchen und das Motto bedeutet auch „Turku kehrt zurück“.

**** Ende ****