- GASTBEITRAG -
Das Kant-Kino in der Hausnummer 54 der gleichnamigen Straße hat bald hundert Jahre auf dem Buckel. Hier wurde schon 1912 ein Lichtspielhaus für 800 Zuschauer gebaut. Im Verlauf der Jahrzehnte wurde das Kino mehrmals umgebaut.
In den 70er und 80er Jahren wurde im großen Saal Platz für innovative Strömungen der Rockmusik angeboten. Das war ursprünglich als Werbung für das Kino angedacht.
Damals standen noch wenig bekannte Größen auf der Bühne, wie Iggy Pop, The Police, Duran Duran, Ideal. Der Veranstalter Albatros sorgte für Nachschub.
Irgendwann fing in Berlin, wie auch anderswo, das große Kinosterben an. Wim Wenders und die Betreiber der Hackeschen Höfen konnten 2001 die drohende Schließung verhindern.
Seit Ende Juni 2011 gehört das Kant-Kino nun zur Yorck-Gruppe. An einem verregneten und saukalten Juli-Abend gingen wir dort hin.
Wir fanden im verschachtelten und verwinkelten Haus den kleinen Kinosaal.
Gute Kritiken und der Berlinale-Preis 2011 für die beste Regie für Ulrich Köhlers Film Schlafkrankheit - Maladie du sommeil hatten uns nach fernen Charlottenburg gelockt. Die Geschichte klang interessant: ein deutscher Arzt leitet in Kamerun ein Forschungsprojekt zur Schlafkrankheit. Seine Frau kehrt zurück nach Europa. Er kann ihr nicht folgen, da er inzwischen fest in Afrika verwurzelt ist. Oder will seine Privilegien als Weißer nicht aufgeben.
Der afro-französischer Arzt aus Paris reist an, um das dubiose Forschungsprojekt des weißen Kollegen zu evaluieren. Er kommt in den schwierigen Verhältnissen in afrikanischem Hinterland nicht zurecht.
Außerdem scheint das Projekt eine korrupte Luftnummer der europäischen Entwicklungshilfe zu sein. Die Konstellation ist interessant, nur die Realisierung durch Ulrich Köhler ist recht holperig.
Die Figuren und deren Beweggründe blieben mir unklar. Der deutsche Medizinmann schlürft phlegmatisch durch die Gegend, kämmt sich nicht, rasiert sich nicht, er vergammelt offensichtlich.
Der schwarze Doc ist ein Trottel vom Feinsten: naiv, hilflos und schwul. Man sieht einfache Krankenstationen, staubige Sandpisten, lichtlose Schlafstätten, Stirnlampen, Autoscheinwerfer, Schatten.
Es ist ständig zappenduster. Im dunklen Dschungel kann man schon von einer Tsetsefliege gestochen werden oder sonstwie durchdrehen. Endlich nach 91 Minuten tapst ein Flusspferd durch das Bild und der Abspann folgt. Gähn! Es muss nicht immer Weiße-Massai-Kitsch sein, aber etwas von Weiten Afrikas hätte ich schon gerne gesehen. Außerdem finde ich es immer wieder befremdend, wenn im tiefsten Afrika, mitten in der Nacht, die schwarzen Polizisten den Auto fahrenden Europäer in akzentfreiem Deutsch ansprechen. Durch den Versailler Vertrag war die Ära der deutschen Schutztruppen in Kamerun schon 1919 zu Ende.
Kritiken der Anderen: Zeit, Spiegel, Süddeutsche Zeitung,