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carne vale

25. - 27.05.2012

Die BerlinerInnen kreierten mit dem Karneval der Kulturen ihre eigenen tollen Tage, ohne sich um religiöse Traditionen zu kümmern. So müssen wir hinterher nicht fasten. Immer Pfingsten, weil da ist der Wettergott meist gnädig und es ist ein verlängertes Wochenende, tobt er in Kreuzberg. Wir tobten ein wenig mit.

Freitag

Bis auf Sonntag heißt Karneval das Fest auf dem Blücherplatz. Damit alles seinen geregelten Gang geht, gibt es eine Veranstaltungsordnung. Natürlich klappt es nicht, dass Flaschen und Dosen draußen bleiben. Die Stände sind zwar verpflichtet kein Wegwerfgeschirr zu benutzen, doch viele BesucherInnen bringen Getränke mit. Es ist ein Paradies für FlaschensammlerInnen.
Die Anweisung, keine schlechte Stimmung zu haben, wirkt etwas übergriffig.

Dass man / frau so viel soziale Kompetenz haben sollte, sich nicht mit einem Fahrrad durch das Gedränge zu quetschen, scheint selbstverständlich. Leider sterben die Doofen jedoch nicht aus.
Am Freitag ist es noch relativ leer auf den Wegen. Wir schauten uns in Ruhe ein wenig um.

Allzuviel Neues erwartete ich nicht mehr,  ich war schon sehr oft dort.
Sehr nett war es an einem Stand Jabuti und Abrao, zwei Klasse Samba / Forro Musiker zu begrüßen und zu hören. Sie zauberten gute Stimmung.
Trotzdem, lange blieben wir am Freitag nicht.

Samstag

Zuerst schauten wir mal am Stand von Radio Multicult vorbei. Dort versuchte I. uns als Clown verkleidet mit einer Spülbürste als Mikrofon zu Iinterviewen. Sie ist ein echtes Phantasiebündel. Wiedermal hatte sie sich bei der Standorganisation ordentlich reingehängt, wenn die Radiomacher auch so kreativ wären.
Dann zogen wir mit Freunden zur Latinobühne weiter, aber irgendwie war uns die Mucke zu laut, werde ich alt?
Auch bei der afrikanischen Bühne schmeckte uns die Musik nicht. Einen der reichlich anwesenden Schwarzen riss die Band aber auch nicht aus dem Sessel.
Sind wir am gemeinen Straßenfestüberdruss erkrankt?
Beim Rundgang entdeckte ich nicht einen neuen Stand, der mich interessierte.Viel Kommerz und wenig soziale Projekte waren zu finden. Nicht mal beim reichhaltigen Speisenangebot entdeckte ich Spannendes.

Sonntag

Den Straßenumzug ersparten wir uns diesmal. Statt dessen unterstützte ich mit der Liebsten Radio Multicult am Stand auf dem Straßenfest. Es nutze den Platz gemeinsam mit  welten-bummler.org, einer Initiative für Ökolandbau. Wir verteilten zwei Stunden lang Werbebroschüren für den Sender.

Als die Massen vom Umzug begannen auf dem Fest einzutrefen, war unser Dienst zum Glück zu Ende. Es wurde so voll, dass wir uns schnell zu Ausgang durchdrängelten. Am Mehringdamm erinnerte ich mich, dass eine Sambaformation in Nr. 33 ihr Quartier hat.

Ich hoffte, dort gibt es einen richtigen brasilianischen Caipirina und wirklich, er war lecker und richtig stark. Trotzdem der Umzug mehrere Stunden gedauert hatte, war Sapucaiu no Samba auf dem Hof am Trommeln. Nur wenige Frösche hingen in den Seilen.


Montag

Der letzte Tag des Festes ist für mich der sympathischste. Relativ wenig BesucherInnen sind unterwegs, es gibt kaum Gedränge und so schauten wir uns noch mal um. Die Liebste kaufte ein paar Ohrringe und ich bei netten Italienern Rotwein und eine Salami.

Dann leisteten wir S + R beim Essen Gesellschaft. Später bummelten wir über den Park des Festgeländes. Dort trat Paolo Sommer mit seiner Gruppe Surdo + Gomorrha auf. Die Surdo ist die große Sambatrommel und Gomorrha bezieht sich auf die schwulen Spieler.

Die Band war wahrlich ein Hörgenuß und eine Augenweide.
Dann war der Karneval für uns vorbei und wir fuhren heim.

Überall FinnInnen

26.05.2012

Dass in Berlin eine Kunstgalerie öffnet ist ja nix Besonderes. Eine mit finnischer Beteiligung machte mich neugierig und so wartete ich dort auf das spätere Erscheinen meiner Liebsten.
Zur Einweihung der Galerie Musterzimmer wurde eine Sammelausstellung gezeigt.

Ihr findet sie in der Crellestrasse 44 in Schöneberg.
Von den Arbeiten beeindruckten mich besonders die Karnickel von Saana Inari aus Finnland. Der abgebildete Hase besteht aus einem Drahtgestell, das mit Stoff bespannt wurde. Warum dieses bezaubernde Exemplar vor einer Steckdose meditierte, war nicht zu erfahren. Erhofft es sich Erleuchtung oder liegt eine Verwechslung vor, war ein Spanferkel sein Jugendfreund?

Etwas grenzwertig waren die süßen Zwillingsbabys vom Niederländer Rein Vollenga. Maden mit Babygesichtern und Reisszähnen sind vielleicht nicht ganz das Richtige für den Aufenthaltsraum einer gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses.

Ich jedoch fand die Kleinen nett.
Die Öffnungszeiten der Galerie müsst ihr erfragen.

Kokain im Kopf

25.05.2012

Da meine Liebste und ich Spanisch leidlich verstehen, war das Stück "Rede eines anständigen Menschen" (Discurso de un Hombre decente) eine gute Gelegenheit diese aufzufrischen. Die Vorstellung fand im Rahmen eines Festivals im HAU2 statt.

Junges lateinamerikanisches Theaters stand auf dem Programm. Das Mapa Teatro als Produzent kommt aus Kolumbien und bearbeitet im Stück den Mythos Pablo Escobar. In Kolumbien ist sein Wirken und die Ermordung durch US Soldaten immer noch Tabu.
Escobar war mit einem Vermögen von 2,7 Milliarden Dollar wohl der reichste Mann der Welt. Er war rücksichtslos an die Spitze des Medellin Kartells aufgerückt, kaufte Politiker und steckte viel Geld in soziale Projekte. Damit brachte er die Bevölkerung in der Kokaregion auf seine Seite.

Die Regierung und die Oligarchen beutete die Menschen aus und ließ sie verrecken. So wurde Escobar ein Held. Dass die in Lateinamerika verhassten Yankees ihn mit Billigung der Regierung umbrachten, erhob ihn zum Volkshelden.

20.000 Menschen nahmen an seiner Beerdigung teil.
Bei der Nachbetrachtung im WAU  fanden die Liebste und ich das Stück zu klamauckig. Nur die Band spielte fantastisch gut Cumbia. Auch Escobars eigene Kapelle soll bei seinen Festen und Morden gut gespielt haben.

Dance me to the moon

22.05.2012

Für Paartänzer wie mich ist dieser Tanzboden im Sommer ein beliebtes Ziel. Die Strandbar Mitte bietet die ganze Woche über verschiedene Veranstaltungen an. Der Platz ist wunderschön an der Spree gelegen. Leider hängen dort auch viele Touristen ab, die meist nur gaffen.

Aber bisher fand ich mit meinen Partnerinnen immer noch einen Sitzplatz. Dienstag legt ein DJ ein Potpourri für Standardtänzer auf, dann bin ich dort manchmal anzutreffen.
In der Nacht ist der Ort dann auch noch wildromantisch. Also nutzt gutes Wetter und geht dort hin!

Wenn ihr wissen wollt, ob Tango, Salsa, Swing oder Standard das Thema des Abends ist, schaut auf den Veranstaltungskalender meines Blogs.

Totenkult in Stahnsdorf

19.05.2012

Für einen kleinen Fahrradausritt bei Berlin ist der Friedhof Stahnsdorf ein spannendes Ziel. In wachsenden Berlin wurden um 1900 die Friedhofsplätze knapp. Die Bezirke Schöneberg und Charlottenburg gemeinsam mit der evangelischen Kirche erschlossen das Areal.

Es befindet sich südwestlich Berlins. In dem weitläufigen Gelände wurden viel Natur erhalten und integriert. So lässt sich ein Waldspaziergang mit dem morbiden Charme eines Friedhofsbesuchs verbinden. Früher war die Anreise mit der S-Bahn möglich.

Leider ist die Fahrt mit der sogenannten Witwenbahn nicht mehr möglich.
Diese eingleisige S-Bahn transportierte bis zum Mauerbau Tote und Lebende zum Friedhof. Nach der Einverleibung der DDR wurde diese leider nicht wieder aufgebaut. Eine historische Wanderung entlang der Strecke ab dem Bahnhof Wannsee bietet der Verein Berliner Unterwelten an.
So reisten wir mit dem Radle an.
Auf dem Friedhof ist Radfahren erlaubt.

Dies lohnt sich doppelt, denn die Wege sind gut und der Totenacker ist sehr weitläufig.
In den älteren Gräbern und Mausoleen sind viele Prominente begraben, wie der Zeichner und Fotograf Heinrich Zille und der von den Deutschen ermordete Sozialdemokratische Politiker Rudolf Breitscheid.
Auch verstorbene Kriegsgefangene des 1. Deutschen Angriffskriegs 1914-18 sind hier in eigenen Sektionen begraben. Italiener und und britische Tote liegen hier.

Italienisches Gräberfeld
Britisches Gräberfeld
Während des nächsten Deutschen Reiches kamen andere Ruhestätten dazu. Berlin sollte zu Germania umgebaut werden und so wurden Gräber vom Alten St. Matthäus Friedhof aus Schöneberg hier her umgebettet. So kam das Grab des Verlegers Langenscheidt dort hin.

Eine hübsche neuere Art des Totenkults stellen Urnengräber unter den Bäumen des Geländes dar. Um die Bäume nicht zu beeinträchtigen, werden nur ganz kleine Grabplatten benutzt.
Ich ziehe die Mülltonne als Recyclingort für Körper vor, aber die Gesetze erlaubt dies nicht.

Nach Schrott ins Exil

18.05.2012

Als Nachbereitung unseres Aufenthaltes in Basel schauten wir einen Dokumentarfilm über das Leben des Künstlers Jean Tinguely an. Vor ihn hatten schon einige Künstler Schrott als Arbeitsmaterial eingesetzt, er schuf jedoch als erster damit kinetische Skulpturen, die durch die Verwendung von Elektromotoren Bewegung realisierten.
Damit wurde er weltweit berühmt.

Nah beim besuchten Lichtspielhaus Babylon gibt es reichlich Gelegenheit für´s "after movie chillen". Wir genehmigten uns den Absacker in der Exil Bar am Kottbusser Tor bei loungigem Jazz. Es spielte das Naked Jazz Quartett. Nach einer Stunde wollte ich AUSZIEHEN brüllen.

Die Band war da immernoch komplett bekleidet. Ich finde es nicht redlich, dass Menschen mit leeren Versprechungen in ein Konzert gelockt werden. Aber vielleicht habe ich den Bandnamen nur falsch verstanden. Sie meinten wohl sie spielen nackten Jazz, doch was soll das sein?

Aus dem Rahmen fallen

17.05.2012

Irgendwann hatten die KünstlerInnen genug davon, dass ihre Bilder in Rahmen eingesperrt wurden. So eroberte sich die Malerei die dritte Dimension. Solche Werke wurden in der Ausstellung 'Aufbruch, Malerei und realer Raum' in der Akademie der Künste am Hansaplatz gezeigt.

Das Museum, im Tiergarten angesiedelt, war in seiner Zeit hypermodern und ist Teil des in einer Bauausstellung 1957 gebauten Hansaviertels. Leider bröckelt Beton schnell und vergammelt, vielleicht wird das ganze Ensemble bald gesprengt. Schade, Architekturjuwelen sind darunter.

Dass MalerInnen aus dem Rahmen fielen, gab es eigentlich schon in den 20er Jahren bei DaDa, aber irgendwie verlor sich das während des deutschen Angriffskriegs, wohl auch weil die Deutschen "entartete Kunst" verbannten.und viele KünstlerInnen ermordeten.

Nach dem Krieg waren alle Beschränkungen aufgehoben. Das Bild durfte rund sein, es konnte auch mit Pinseln beklebt sein. Das vereinheitlichende Rechteck war überwunden. In den 50ern gab es kein Halten mehr. Künstler wie Günther Uecker gestalteten mit Nägeln Reliefs oder Wolf Vostell integrierte Fernseher in seine Arbeiten. TV´s haben jedoch einen Rahmen und fallen nicht wirklich aus der abendländischen Kunsttradition.
Jürgen Meyer, ohne Titel, 1991
Vieles gefiel uns in der Show, aber wir können euch nicht Alles zeigen.
Leider war dies wieder mal so eine blöde Ausstellung, in der wir nicht fotografieren durften. Natürlich setzten wir uns erfolgreich darüber hinweg, aber es nervte!

Stumm mit Ton

16.05.2012

Im Froschkönig in Neukölln zeigen sie regelmäßig Stummfilme mit Klavierbegleitung. Diesmal war der Spielfilm von Buster Keaton The Three Ages dran.
Darin erzählt er vom Liebesleid in der Steinzeit, bei den Römern und in der Moderne. Im letzten Teil bekommt er die Angebetete.

Eine einfache aber nette Geschichte.
Dazu klimperte das Piano live. Diese Reihe wird von Laufende Bilder e.V. organisiert.
Ein tolles Programm, mit ausgewählten Klassikern des tonlosen Films, bei instrumenteller Begleitung wird geboten. Dafür lohnt der Weg ins Ghetto Neukölln.
Nur Vorsicht, frühzeitiges Plätzebesetzen ist angesagt! Und das Tollste, der Eintritt ist frei, aber der Hut geht rum.

 

Buchdeckelklappern

12.05.2012


Wir zogen wie letztes Jahr auf die Lange Buchnacht Oranienstrasse . Dort kann man / frau sich das selber Lesen ersparen, es wir vorgelesen. Meist bieten die Leseorte ein Dach über dem Kopf, günstig gute Getränke und machmal auch Kulinarisches. Über vierzig Orte mit bestimmt 200 Lesungen waren diesmal dabei.Gemeinerweiser können wir uns nicht teilen und trennen wollen wir uns schon garnicht. So begann ich mit meiner Liebsten den Abend in der Spelunke Elefanten direkt am Heinrichplatz.

Leider war es wie fast überall brechend voll und so lauschten wir meinen herzallerliebsten Brauseboys im Stehen. Sie trugen erbauliche Geschichten aus ihrem Leben und aus dem Wedding vor.
Nervig war aber, dass wie fast überall in SO36 in den Kneipen geraucht wurde.

Naja, auf die Art hat man wenigstens einen guten Grund am nächsten Tag Haare zu waschen und Klamotten zu wechseln.
Wir zogen in die nächste Lokalität. Im Drogengeschäft Schnapphahn war es sehr viel ruhiger, Stühle waren frei und es wurde nicht gequalmt. Es war gemütlich und ich traf auch noch einen Bekannten aus Häuserkampfzeiten. Der erste Vortragende trug Poesie einer kanadischen Autorin vor.

Vom Inhalt her bekam ich Angt, dass ihr Selbstmord nicht fern ist. Aber ihr deutscher Verleger trug ihr Werk so wacker vor, dass vieleicht noch Hoffnung besteht.
Der Nächste war ein Autor selbst. Florian Günter ist auch Herausgeber der Zeitung Drecksack.

"Ja Frauen sind schwierig ..." war eine seiner zentralen Aussagen. Da kann Mann ja nur zustimmen. Sehr spannend fand ich seine Texte nicht, aber wegen der heftig prolligen Sprache hatten die anwesenden BildungsbürgerInnen wenigsten was zu lachen.
Es folgten Johannes Jansen und Scardanelli. Nach deren Lesungen hatten wir genug vom Weltschmerz und leckeren Rotwein genascht und ließen uns von der BVG nach Hause tragen.

Beuys aus Moskau

05.05.2012


Wow, das Hau bot mal wieder Spannendes.

Im kleinsten der drei, im Hau3, besuchten wir Krisis  vom Joseph Beuys Theater und dem Teatr.Doc, beide aus Moskau.
Das war kein Theater im traditionellen Sinn, sondern eher eine Publikumsbefragung. Die, die am Anfang auf der kleinen Bühne saßen, waren auch keine Schauspieler.

Einer war Psychologe. Ihr Ziel war es uns zum Erzählen zu bringen.
Der Beginn war etwas stockend. Die Bühnenbesatzung erzählte mit Übersetzung von persönlichen Krisensituationen und wie sie damit umgeht. Z.B. berichtete der Psychologe von den rassistischen Überfällen auf kasachisch aussehende Menschen wie ihn. Um sich zu schützen trägt er in Moskau eine Pistole in der Jacke.

Dann waren wir dran. In einem etwas langwierigen Auswahlverfahren wurde dann vom Publikum jemand gewählt, der etwas über eine Krise im Leben erzählen wollte. Ich wurde gewählt und erzählte ein Geschichte über Liebe und Verlust.
Ganz im Sinn von Beuys: "Jeder ist ein Künstler".
Meine Liebste und ich fanden den Abend gelungen, einige BesucherInnen waren etwas verwirrt. Eine reale Schwierigkeit stellte die Notwendigkeit der dauernden Übersetzung dar.

Der Inspirator mit Hut