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2 x Schluss an Tag

23.02.2013

Zwei Endtage von Ausstellungen hatten wir, die Liebste und ich, uns vorgenommen zu besuchen.
Zuerst brachen wir ins Museum für Kommunikation nah beim Potsdamer Platz auf. Das ist in einem prunkvollen alten Gebäude an der Leipziger Strasse untergebracht. Es wurde 1898 als Postmuseum eröffnet. Einige der Exponate wirkten wie Werbeblöcke für die Telekom und Deutsche Post.
GLÜCKSFÄLLE – STÖRFÄLLE. Facetten interkultureller Kommunikation

So hieß die Sonderausstellung im MfK, die zu Ende ging. Dort hin begleitete uns der Sohn der Liebsten.
Die Ausstellung beleuchtete Aspekte der menschlichen Kommunikation im internationalen Maßstab. Unterschiede beruhen auf verschiedenen kulturellen Hintergründen.
Missverständnisse und Fettnäpfchen sind da nicht weit.

Die herrschende deutsche Ignoranz gegenüber anderen Kulturen ist dabei nicht hilfreich.
Das Kapital ist an das deutsche Überlegenheitsgefühl natürlich nicht gebunden. Würde Alice Schwarzer sicher keine Barbie mit Schleier akzeptieren, haben Kapitalisten keine Probleme zu verkaufen was Geld bringt.

Scheiterhaufen - Zungenbrecher
Jean-Luc Cornec,  2000
Einige Ausstellungsstücke gefielen mir besonders, weil sie neben der inhaltlichen Aussage auch künstlerische Qualität zeigten. Die Liebste mochte den kleinen Berg mit schwierigen deutschen Wörtern besonders, da steckt wohl leidvolle Erfahrung dahinter. Denn Bleistiftspitze und schnurstracks sind sicher herrliche Zungenbrecher für Menschen die Deutsch lernen.
Das kann ich nachvollziehen, besonders beim Finnischen hatte ich Schwierigkeiten, die Knoten aus der Zunge aufzuknüpfen.

Emma Cadwallader-Guild
Merkur drückt Taster, 1985
Der Wortsalat war eine Auftragsarbeit der Telecom.
Mir persönlich gefiel die Transformation einer Skulptur des lateinischen Götterboten Merkur. Dieser morst seinen ChefInnen gerade eine Nachricht. Da wir heute wissen, dass es keinen Gott oder GöttInnen gibt, stellt sich mir die Frage, was er sendet. Vielleicht informiert er die da oben, die es sie nicht gibt und dass wir deshalb nicht mehr auf sie reinfallen.
Eine traurige Aufgabe für den bedauernswerten Überbringer der schlechten Nachricht.

Möglicherweise wurde er deshalb in Stein verwandelt. Zeuss war ja für seinen Jähzorn bekannt.

Auch die Skulpturen unten stellen eine erstarrte Person dar. Der Besondere bei dem "Stille Post" genannten Werk ist, dass es unsere kulturelle Bestimmtheit demonstriert. Alle Arbeiten wurden von afrikanisch stämmigen Künstlern gefertigt. Die linke Büste wurde als Abbild einer weißen Frau gefertigt. Die zweite von links wurde von der ersten Büste kopiert und so weiter. So bekam die Skulptur immer mehr die Züge einer Afrikanerin.
Angelika Böck, Dramane Kolo-Zie Coulibaly, Amadou Coulibaly, Dosso N´Gouamué, Gboungué  Louna  Pascal, Bidije Goure
Als ich danach mit dem Sohn der Liebsten die Ausstellung besprach, kritisierte er, dass das Thema interkulturelle Kommunikation mit zu wenig Empathie rüber kam. Als alternatives Gegenbeispiel führte er den Film Angst essen Seele auf von Rainer Fassbinder an. Da musste ich ihm Recht geben.

Bei einem Zwischenstopp im preiswerten vietnamesichen Restaurant Lac Viet in Friedenau an der Rheinstrasse verzehrten wir Leckeres und zogen so gestärkt zur nächsten Finissage.

© epha
Nach dem wir ein paar Minuten gegen flach von vorne angreifenden Schneeregen gekämpft hatten, erreichten wir den Kunstraum Fröauf beim Walter-Schreiber-Platz. In der ehemaligen Fleischerei wird im Ladenraum ausgestellt.
Die bisher dort von mir besuchten Ausstellungen waren klein aber fein. Dieses mal war ich nicht ganz zufrieden.

© Andreas Fischer, 2010
Der bekannte Dokumentarfilmer Andreas Fischer zeigte die Fotoserie Tante Hilde. Sie hatte ihn aufgezogen und um ihr zu huldigen, hat er nach ihren Tod die Dinge ihres Lebens fotografiert. Zu sehen sind Alltagsgegenstände eines Haushalts, der sehr lange unverändert blieb.

© Andreas Fischer, 2010
Ich kenne solche Interieurs und kann nicht sagen, dass sie mich ästhetisch ansprechen oder Nostalgie bei mir auslösen. Wegen der engen persönlichen Beziehung mögen die Fotos für den Fotografen eine Bedeutung haben. Für mich sind sie Zeugnisse einer Zeit voll Lügen und Bigottie.

Zigarettenwerbung

20.02.2013

GASTBEITRAG

© Irmeli Rother
Der letzte Tag der Berlinale ist ein Publikumstag.
Wettbewerbsfilme werden nochmal gezeigt und das zu einem sehr moderaten Preis von sechs Euro. Für das Geld kann man einen Hauch von Filmglamour in Berlinale Palast am Potsdamer Platz schnuppern. Im Riesensaal des Musicaltheaters fühlt es sich anders an, als in allen anderen sonst von mir besuchten Berliner Kinosälen.

© Irmeli Rother
Die Menschenmassen wurden zügig auf die verschiedenen Etagen geleitet. Alles perfekt organisiert.
Elle se'n va (on my way) hieß der Film, den ein Freund sich ausgesucht hatte. Die große Diva des französischen Films, Catherine Deneuve, war der Grund für seine Filmauswahl.

Die inzwischen siebzigjährige Madame Deneuve stammt aus einer Schauspielerfamilie und steht - sage und schreibe - seit fünfzig Jahren vor der Kamera. Sie hat in über hundert Filmen mitgespielt, oft die Hauptrolle.
In meiner Jugend haben die ersten ihrer Filme mich schwer beeindruckt. Die Regenschirme von Cherbourg war noch harmlos. Aber dann kamen von Roman Polanski Ekel und von Luis Buñuel Belle de Jour, die dann die Basis für meine cineastischen Vorlieben bildeten.

Der Film erzählt eine zigmal gesehene Geschichte von einer Frau, die aus einem Impuls heraus das Alltagsleben verlässt, um „kurz mal Zigaretten zu holen“. In Brot und Tulpen wird die Mutti an einer Tankstelle vergessen, hier verlässt die Chefin Bettie ihr bretonisches Restaurant und bricht auf zu neuen Ufern. Gründe hat sie genug: der Job ist langweilig, ihre alte Mutter stresst und ihr Lover hat sie gegen eine Fünfundzwanzigjährige getauscht. So lässt sie sich in ihrem Daimler durch die Landschaften treiben.

Auf der Suche nach Zigaretten landet sie in einer Dorfkneipe, wo die Hölle los ist. Sie taucht für einen Abend in eine andere Welt und betrinkt sich. Nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hat, den Jüngling der Nacht aus dem Bett gejagt hat, begibt sie sich wieder auf die Landstraße.


Zur großen Überraschung ihrer Tochter übernimmt sie die Betreuung ihres zehnjährigen Enkels, den sie vor Jahren zuletzt gesehen hat. Da das Mutter-Tochter-Verhältnis zerrüttet ist, hatte die Tochter mit ihrer Hilfe gar nicht gerechnet. Der rebellische Enkel soll zum Großvater väterlicherseits gebracht werden, da die ständig arbeitslose Mutter wieder auf Jobsuche muss.

So fahren Enkel und Großmutter zusammen durch Landschaften, zanken miteinander, lernen sich kennen und kommen sich näher. So lange Bettie Zigaretten hat und die Geldkarte noch funktioniert, ist alles in Ordnung.

Zwischendurch nimmt sie als ehemalige Miss Bretagne an einem Treffen der Schönheitsköniginnen von 1969 teil. Das Ende des Films ist vorhersehbar.
Bettie verliebt sich nochmal mal.

In wen, wird hier nicht verraten.
Die Themen dieses Wettbewerbsfilms sind kaputte Beziehungen innerhalb einer Familie, die Vergänglichkeit der Schönheit, Sexualität im Alter. Und da es sich um einen französischen Film handelt, spielen Zigaretten wieder eine große Rolle: es wird ständig geraucht. Diesmal hat Lucky Strike seine Produkte gut platziert. Catherine Deneuve ist einfach schön, auch nach einer durchgezechten Nacht. Die Liebeserklärung der Tochter am Ende des Films: „Im Sarg wirst du auch noch schön sein.“ Die Regisseurin Emmanuelle Bercot hat sich wohl in ihr Haar verliebt da sie unzählige Nahaufnahmen von ihrem fülligen Kopf zeigt

Am Ende der Reise berührt es Bettie eigentlich gar nicht mehr, als sie erfährt, dass ihr Restaurant endgültig pleite ist. Sie hat neue, aufregende Lebensperspektiven. Der Film endet in bester Asterix-und-Obelix-Manier: alle sitzen zusammen an einer langen Tafel unter schattigen Bäumen. Es wird gegessen, getrunken, gelacht und alle sind glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Oh, wie spannend.

Kritiken der Anderen: Tagesspiegel, Tip

© Irmeli Rother

Thüringer Blutkrapfen

18.02.2013

Schon wieder ne sympathische Lesebühne. So neu, dass sie sich noch nicht mal einen richtigen Namen geben konnte.
Der Name Literatur Lesung Nr.1 ist ja wohl nicht ganz erst gemeint. Er ist mehr was für Posemuckel, wo es sonst nix gibt.
Gelesen wurde im Antiquariat / Café Morgenstern.

Einer der beiden AutorInnen des Abends Christian Wöllecke hat seine Wurzeln in der ostdeutschen Provinz. Friederike Kenneweg stammt aus einer westdeutschen Kleinstadt.

Der Schriftsteller las hervorragend. Doch waren seine Geschichten für meinen Geschmack zu männerorientiert. Seebären auf dem Schiff, Seebären mit Huren, ein Krapfenkönig kurz vor dem Ableben, zwei Kumpels, die zum Abschied für einen Dritten, der von ihnen ging, ein Besäufnis veranstalten. Typisch postpubertäres Männergehabe. Solche Geschichten finde ich eher langweilig.


Ich ziehe es vor mit Damen bei Lesungen Rotwein zu schlürfen.
Der Flyer, zu dem von ihm mit herausgegebenen Literaturmagazin Schmalspur, zeigt schon wo es bei ihm langgeht. Aber vielleicht ist sein Stil ja auch ein Wiederhall des proletarischen Realismus der DDR. Die Spur der Steine könnte den Weg gewiesen haben.


© Martina Simkova
Die Schriftstellerin las etwas gehemmt und leise. Doch die Geschichten waren mehr nach meinem Geschmack.
Zum Beispiel beschreibt sie die Reise von zwei Frauen und einem Mann nach Transsilvanien. Die eine Frau ist ziemlich vampirofil und verliert, was sie sich wünscht.

Hintersinnige Beschreibungen sind wohl Frederike Kennewegs Spezialität.

Kunstgespräche

16.02.2013

An diesem Samstag gab es Kunst mit gedanklichem Beiwerk. Die Galerie für türkische Kunst Tanas hat eine spannende Gesprächsreihe eingeführt. Samstagnachmittag wandern zwei Kunstgurus durch die aktuelle Ausstellung, sprechen über die Werke und suchen das Gespräch mit den BesucherInnen.


So sahen J. und ich die Arbeiten von Sakir Gökcebag mit Begleitung. Er ist stark vom Fluxus inspiriert, so war viel hintersinnige und humoristische Kunst dabei. Er verwendet Materialien wie Teppiche, Kleiderbügel und Schirme.

Diese benutzt in einem anderen Kontext und erhebt sie so zu Kunst.
Die Idee, die Ausstellung mit Kunstgurus zu erkunden, bewährte sich in dieser Ausstellung besonders gut. Diesmal waren es eine Mitarbeiterin der Galerie und die Kuratorin Friederike Fast.
Die beiden Frauen waren fachkundig und besprachen miteinander und mit uns, den BegleiterInnen, was zu sehen war. Es folgten fruchtbare Gespräche.
Für ausgewiesene Kunstfreunde sind diese Gallery Talks eine Bereicherung.

Sie stellen keine Alternative zu Führungen dar, sind aber eine attraktive Ergänzung. Gerade bei den Kunstwerken von Sakir Gökcebag bewährte sie sich sehr. Diese bedürfen keine Erklärung, sondern eine Sichtbarmachung, von welchen Kollegen er sich hat anregen lassen.

Der Künstler hat aber nicht einfach nur von VorgängerInnen abgekupfert, seine Arbeiten sind originell und sehr ansehnlich. Der entstehende optische Eindruck ist hervorragend. Vielfach schafft er es normale Gegenstände so zu verändern, dass sie beim Betrachten irritieren.

Teilweise verweisen die Objekte auch auf die türkische Herkunft des Künstlers.
Als ich die abgeschnitten Schuhe entdeckte, musste ich zuerst lächeln. Dann fiel mir jedoch das Ritual der Muslime ein, ihre Schuhe vor der Moschee abzustellen. Damit wollen sie das heilige Haus nicht beschmutzen.

Die Schuhe mit den abgeschnittenen Spitzen brachte mich auf die etwas böse Idee, eine Kamera zu nutzen und dann die dummen Gesichter der Moscheebesucher zu knipsen, wenn sie ihre Schuhe sehen. Aber auch eine etwas weniger teuflische Deutung ist möglich. Vielleicht wollte der Künstler auch nur zeigen, dass in Schuhen von Muslimen auch nur Füße stecken.
Der zweidimensionale Abbildung eines Turms, aufgebaut aus Kleiderbügeln, zeigt exemplarisch, mit wieviel Fantasie er an seine Projekte herangeht.
Ich sage dem in Hamburg lebenden Sakir Gökcebag eine große künstlerische Zukunft voraus.

Chaos besiegt Ordnung

12.02.2013

Dem Finnland Institut gebührt Dank. Mit der Liebsten konnte ich mit gewonnenen Freikarten das Stück 15.15 - Eine Versuchsanordnung im Theater an der Parkaue sehen. Das Jugend- und Kindertheater liegt im Nordosten Berlins und da bot es sich schon geographisch förmlich an eine Gemeinschaftsproduktion mit dem Kaupunginteatteri aus Helsinki zu starten.
Da die jungen Leute aus beiden Ländern Englisch beherrschen, war es möglich das Stück zusammen zu entwickeln.

Berlinski nennt sich die Truppe. Sie nutzten die Internet Software Noodi zum gemeinsamen Erarbeiten der Texte. Sie  siedelten die Geschichte in ferner Zukunft an, in der vieles nicht mehr so geordnet funkioniert wie heute.

Das Stück bot keine durchgehende Handlung. Die Episoden sind ums Thema Zeit und Chaos gruppiert. Es beginnt um 15:15 Uhr an einer Bushalte, an der ein Mann und zwei Frauen in weißen Overalls warten. Wie der Zufall will, kommt der Bus nicht.

Beim herrschenden Chaos ist das kein Wunder, doch er könnte kommen. Die drei hängen auf einer Bank ab, beginnen sich kennen zu lernen und nutzen die Zeit für fruchtlos / fruchtbare Diskussionen. Chaosformeln spielen dabei auch eine nicht unbedeutende Rolle.

Die SchauspielerInnen des Abends stellten dar: eine Seniorin die sich die Wartezeit mit Stricken vertreibt, einen Jungmann, der mit seiner Angebeteten verabredet ist, und eine junge Frau, die an der Haltestelle rumhängt, von der nicht klar ist, ob sie überhaupt mitfahren will.

Technisch wurde einiges geboten. Auf die Rückwand der Haltestelle wurden Zeichnungen geworfen, die auf einem Overhead Projektor  erstellt wurden. Links war eine Bluebox mit einer Kamera montiert, durch die Filmsequenzen an die Wand projiziert wurden.

Zum Beispiel die Handpuppe, die mit zwei Augenringen und einem blauen Stulpen auf die Wand projiziert wurde. Einer der bezaubernden Momente des Abends. Obwohl wir unter den Zuschauern die Ältesten waren, verstanden wir fast alles.

Musikalisch war die Vorstellung ebenfalls gelungen. Bei den Gesangspassagen zeigte sich die gute Ausbildung der SchauspielerInnen.
Das Stück war unterhaltend, obwohl die DarstellerInnen an ihrer Haltestelle in der Warteschleife hingen. Langweilig wurde es nie, ein wenig Streit, ein wenig Versöhnung trugen gut über 84 Minuten, obwohl der Bus nie kam, wie Godot bei Beckett.

Potz Tausend, es ist erstaunlich, was die acht Jugendlichen aus Helsinki und Berlin mit Hilfe von zwei Regisseuren zustande gebracht haben. Der Beifall war dementsprechend gut lang.


Kritik der Anderen: Tagesspiegel,

Killer in Indonesien

09.02.2013

© Irmeli Rother
Während der Berlinale sahen wir den Dokumentarfilm
The Act of Killing in der Reihe Panorama in Kino International in Ostberlin.
Joshua Oppenheimer drehte ihn in Indonesien. Mehrere Jahre hielt er sich dafür vor Ort auf. Seine nicht einfache Aufgabe bestand darin mit Massenmördern zu arbeiten.

© Irmeli Rother
Für sein Projekt musste er sie persönlich kennen lernen und "gemeinsam" mit ihnen den Film gestalten.
Trotzdem über den Film vorher bekannt wurde, dass er der politischste und brutalste Beitrag des Jahres wäre, war das Gedränge groß und die Vorstellung ausverkauft.

Zur Geschichte im Film:

In Kalten Krieg war die Welt leicht zu verstehen. Überall auf dem Globus schienen die Kommunisten auf dem Vormarsch. Indonesien war führendes Mitglied der erstarkenden Blockfreienbewegung. Dieser unterstellten die USA eine verdeckt für die Sowjetunion arbeitende Organisation zu sein.

Um ihren Herrschaftbereich abzusichern, installierten die USA zwischen 1960 und 1990 in vielen Ländern Militärdiktaturen, deren Aufgabe es stets war die sozialen Bewegungen einzuschüchtern und Vasallenregierungen zu installieren.

Helmut Kohl und ein Massenmörder
Der bekannteste Organisator dieser Morde war der US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger.
Die Bundesrepublik unterstützte, wie viele andere Vasallen der USA, diese Politik und hielt zu den Diktatoren freundliche und herzliche Beziehungen.

Die Idee des chilenischen Generals Pinochet: "Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden" hat sich ja auch in unserem Land. bewährt.

Für Lateinamerika richteten die USA extra eine Folterschule mit dem Namen Escuela de las Americas in Panama ein.
Eine sehr unvollständige Liste der Militärputsche:
1950 Guatemala, 1960 Türkei, 1965 Indonesien, 1967 Griechenland, 1973 Chile, 1976 Argentinien, 1980 Türkei, 1985 Brasilien.
In den Ländern entstanden Militärregierungen, die mit Unterstützung der USA die Gegner töten sollten. Schon vor dem Umsturz 1965 in Indonesien hatte die US-Botschaft eine Liste mit tausenden Feinden erstellt, die den Putschisten übergeben wurde.

Der General zu Besuch in der BRD
Als das Militär in Indonesien unter General Suharto gegen die gewählte Regierung putschte, nutze es jedoch einen Sonderweg, um die Feinde des Kapitalismus und der USA zu liquidieren. Gangster erhielten vom Militär freie Hand an dieser Aufgabe mitzuarbeiten.

Sie bildeten Todesschwadronen, die Menschen entführten, folterten und mit den so erpressten Namen die nächsten Opfer fanden. Die Ausgepressten wurden umgebracht. Dadurch, dass sie in ihrer Gemeinde lebten, konnten sie außerordentlich erfolgreiche Verfolger sein.
So ermordeten sie ca. eine Millionen IndonesierInnen. Eine frühe Variante des public privat partnership. In Indonesien wird der Zeitraum dieses Massakers die Saison der Hackmesser genannt.

Das Besondere an der Situation dort ist, dass die Mörder von damals heute hochangesehene Bürger sind und sie keine Verfolgung erwartet. Das ermöglichte die Täter direkt vorzuführen.

Sie berichteten stolz vor der Kamera von ihren Taten und spielten diese gerne nach. Ein sympathisch wirkender älterer Herr (der mit dem Strohhut) erzählte davon, dass das Blut der vielen Erschlagenen den Abtransport der Leichen schwierig gestaltete. Seine Lösung war die Opfer mit einer Drahtschlinge zu erdrosseln. Er berichtete aber auch, dass ihn die Toten in Albträumen begleiten. Dieses Trauma gönne ich ihm gerne.
Fast schon witzig war der Ratschlag eines Mordkumpanen, deswegen einen Psychiater aufzusuchen.

Beim Nachstellen eines Überfalls auf ein Bauerndorf brachten sie ihre Verwandten, sogar im Kleinkindalter befindliche Enkel zum Dreh mit. Als diese weinten, wurden sie von den Mördern getröstet.

Da blitzte mir der Gedanke durch den Kopf, wie das gewesen wäre, wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte. Alle Juden, die für die Deutschen erreichbar waren, wären erfolgreich ermordet und die Täter wären Rentner mit einer ordentlichen Pension.
Sicher würden sie genauso stolz von ihren Taten berichten und auf Wunsch eines Kamerateams auch mal ein Massaker nachstellen. Die ehemaligen Ingenieure von Bayer und Co. würden ihre Ruhmestaten bei der Perfektionierung der Vernichtung beschreiben und der "normale" Deutsche würde frohen Herzens sagen, er hätte von allem gewusst.
Der Regisseur nutzte die wohl weltweit einzigartige Chance, um mit den hochangesehenen Mördern zu drehen. Ich finde, er tat dies genial.

Kritiken der Anderen: TAZ, Spiegel, Deutschland Radio Kultur,

Schleiertanz rückwärts

03.02.2013

Der Stadtzeitung TIP sei Dank konnten meine Süße und ich kostenlos das Tanzstück "Der Bau" in den Uferstudios anschauen.

© Laurent Goldring
So begann es:
Isabelle Schad stand allein und nackt auf dem Podium und verrenkte sich rhythmisch und heftig. Dabei waren ihre vom Tanztraining ausgebildeten Muskeln heftig in Bewegung und gut zu sehen.
Ich empfand diesen ersten Teil des Solostücks sehr anschaulich.

© Laurent Goldring
Nach einer Weile griff sie sich einen der auf dem Boden liegenden Schleier und erzeugte mit ihm Wellen. Sie wickelte sich dann darin ein und nach einer Weile nutzte sie ein andersfarbiges Tuch. Teilweise wurden die Wellenmuster durch Geräusche wie Meeresrauschen unterstützt.
Zum Schluss war sie in fünf Schleier eingewickelt und rollte wie eine Raupe über den Boden.

© Irmeli Rother
Übrig blieb ein Haufen Stofftücher.
Ich war von der kraftvollen und ausdrucksstarken Performance begeistert. Gemeinsam mit dem Restpublikum klatschte ich mir die Hände rot.
Wieder war ich jedoch zufrieden nicht vorher den Begleittext gelesen zu haben. Das Stück bezog sich auf ein Romanfragment von Kafka und stand unter dem Motto "Auch der Raum ist ein Organ". Was das Gesehene damit zu tun hatte, erschloss sich mir überhaupt nicht.

Im Nahen Osten

30.01.2013

Weil die Liebste noch ferner im Osten arbeitet, trafen wir uns in der Mitte am S-Bahnhof Ostkreuz. Nördlich davon befindet sich der aktuell noch beliebteste Touristen Trampelpfad der Hauptstadt. Die meisten Restaurants und Lokale dort gehen davon aus, dass der Gast nie wieder kommt. Entsprechend ist auch die Qualität der Speisen und der Bedienung.

Doch wir waren hungrig und nach langwieriger Recherche im Netz stieß ich auf den Fischschuppen, einen gehobenen Imbiss für LiebhaberInnen des Meeresgetiers. Die meisten der Kommentare zum Laden waren positiv, doch einige warnten heftig. Die Fotos der Einrichtung wirkten jedoch sympathisch.

Warum sollten sich unsere Vorurteile gegen die Touristenmeile sich immer bestätigen?
Doch sie taten es. Bei meinen Spaghetti mit Jacobsmuschel schmeckte die Sauce so ekelig, dass ich nur einen Bissen kostete. Der Zander der Liebsten war hart durchgebraten und die "frischen" Bratkartoffeln waren wohl ein Fertigprodukt.
Den Fischschuppen bitte meiden!

Doch Futtern war nicht unser Hauptziel, wir wollten uns mal wieder eine Dosis Kultur reinziehen. Im Stadtmagazin war mir ein neues Kino mit dem verwegenen Namen Zukunft aufgefallen, das direkt am Ostkreuz angesiedelt ist. Dort spielten sie unseren Wunschfilm.

So überquerten wir nach dem grässlichen Essen die S-Bahngleise und fanden uns in einem Industriegebiet wieder.
Dort ist die Zukunft, das Kino, die Kneipe und die Galerie, in Baracken untergebracht. In unseligen Zeiten war dort ein Filmlager der DDR.

Die Tapeten und ein Teil des Mobiliars sind noch aus dieser Ära. Verstärkt durch einen leicht muffigen Geruch schwebt der diskrete Charme der Vergangenheit durch die Räume. Manchmal war auch noch ein Hauch des berühmten DDR Desinfektionsmittels zu erahnen.

Zur Kinokarte wurde uns dann ein Kulturbeitrag von 30 Cent für den Besuch der Galerie abgeknöpft.
Jen Repin war dort mit Gemaltem vertreten. 
Seine Formate waren recht unterschiedlich und auch die Stile wechselten mal zum Comic, mal in Richtung klassischen Realismus.
Ich habe das Gefühl, der Künstler hat seine persönliche Malweise noch nicht gefunden.

Dann suchten wir den Kinosaal auf. Er ist in Verhältnis zum Rest der Einrichtung hochmodern und mit sehr komfortablen Sitzen ausgestattet. Auch die Beinfreiheit ist exzellent. Von den ca. 50 Plätzen waren nur zwei, und zwar von uns, belegt.

Dort sahen wir den Film "Cäsar muss Sterben", der Altmeister des italienischen Kinos, den Gebrüdern Taviani.
So kurz vor der Berlinale 2013 wollten wir wenigsten den letztjährigen Gewinner des goldenen Bären gesehen haben.
Die Geschichte um den Tyrannenmord an Julius Cäsar, für die Bühne von Shakespeare umgesetzt, dürften viele kennen. Darin wird Cäsar, nachdem er zum Alleinherrscher ernannt wurde, von einer Gruppe enttäuschter Anhänger erdolcht.
 
Das Besondere am Film war jedoch, dass eine Gruppe von Gefangenen aus einem italienischen Hochsicherheitsknast dieses Theaterstück erarbeitete und aufführte. Keine leicht zu führenden Laienspieler, die meisten sitzen wegen Mafiavergehen.

Der Film ist aber keine Dokumentation sondern das Casting, die Proben und die Aufführung sind voll durchinszeniert. Doch dadurch dass, bis zum Spiel vor den ZuschauerInnen, der Film schwarz / weiß ist, wirkt er authentisch.

Im Nachhinein bin ich mir unsicher, ob ich gerne eine der auch in Berlin stattfindenden Theater im Knast ansehen will. Den Gefangenen ist anzumerken, dass sie um ihr Leben spielen, doch ist es für sie gut, wenn alles doch wieder in einer Zelle endet?



Die Kritiken der anderen: Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Nachtkritik