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Wien <> Berlin

28.10.2013

Ernst Ludwig Kirchner, Frauen auf der Strasse, 1915
Welche Beziehungen KünstlerInnen aus Wien und Berlin von 1900 bis 1930 pflegten und was sie unterschied, arbeitet die aktuelle Ausstellung "WIEN BERLIN - KUNST ZWEIER METROPOLEN" in der Berlinischen Galerie heraus.
I. und ich hatten das Glück mit einer Gruppe von Dr. Ralf Burmeister, dem Leiter Künstler-Archive, dem Kurator der Ausstellung geführt zu werden. Dr. Husslein-Arco, die Leiterin des Wiener Museum Belvedere, Kooperationspartner der Ausstellung, führte eine zweite.

Franz Lerch, Mädchen mit Hut
1929 , © Belvedere Wien
Die Idee, die KünstlerInnen beider Städte zum Vergleichen nebeneinander zu stellen und dafür die Bestände aus Wien und Berlin zusammen zu führen, hat sich als genial erwiesen. Die klassische Moderne entwickelte sich in beiden Städten fast parallel, aber Berlin war eine quirlige Metropole, dagegen Wien eher gemütlich.

Egon Schiele, Eduard Kosmack, 1910
Das Nebeneinander zu betrachten führte zu neuen Sichtweisen und spannenden Erkenntnissen.
Die Abspaltungen bildender Künstler vom damals herrschenden Kunstbetrieb Berliner Session 1898 und Wiener Session 1897 entstanden ja fast gleichzeitig.

Mir fehlte jedoch die Information, dass die Münchner Session von 1882 das Vorbild von beiden Gruppen war.
Mit den Werken der Sessionisten beginnt die Ausstellung.
Bei den Wienern war Gustav Klimt und bei den Berlinern Max Liebermann der heute bekannteste Mitstreiter.
Die Sessionen lehnten den damals nicht nur in der Architektur bestimmenden Historismus ab.

Anton von Werner 1908
Die Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals
Ein gutes Beispiel für diese Kunst hängt im ersten Stock der Berlinischen Galerie. Auf dem Gemälde wird der deutsche Kaiser bei der Einweihung eines Denkmal gezeigt. Weitere Abgebildete sind damals vom Kaiser gut gelittene Personen. Es ist jedoch historisch verbürgt, dass die Einweihung nie so stattgefunden hat und der Gipfel der Auftragsarbeit ist, dass nachgewiesen werden konnte, dass mehrere Personen, die nicht anwesend waren, hinzu gefügt wurden. Dies konnte durch Fotos nachgewiesen werden.
Gegen diese verlogenen Hofschranzen rebellierten die Sessionisten.

Gustav Klimt, Johanna Staude
 1917/18
Der aus ihnen heraus sich entwickelnde vorherrschende Kunststil wurde, nach Jugendstil und Impressionismus, der Expressionismus.
In Berlin war Ernst Ludwig Kirchner und in Wien waren Oskar Kokoschka und Egon Schiele die bekanntesten Protagonisten.
Nach dem verlorenen imperialistischen ersten Weltkrieg brach der Feudalismus in Deutschland und Österreich zusammen.

Lotte Laserstein, Im Gasthaus
1927, © Studio Walter Bayer
Ein "weiter so" in der Kunst war danach nicht möglich. Dada und die Neue Sachlichkeit entstanden und prägten den Berliner Kunstbetrieb, während in Wien sich der eher unpolitische Kinetismus entwickelte.
Zeitlich endete der um die Jahrhundertwende beginnende Aufbruch der Kunst in Deutschland und Österreich, als die Bevölkerung der beiden Länder die NSDAP an die Regierung wählten.

Danach gab es leider nur noch gesunde kraftstrotzenden Männer und kräftige mütterliche Frauen in Museen zu schauen.
Im Video unter ist eine Einführung zur Ausstellung zu sehen, diese ist noch bis zum 27.01.2014 zu besuchen.

Radlose Frauen

27.10.2013

GASTBEITRAG von Irmeli Rother

Vor nicht allzu langer Zeit gingen Meldungen über protestierende saudiarabische Frauen durch die Medien. Die Frauen setzten sich ans Steuer  -  natürlich verschleiert  -  und ließen sich bei der Autofahrt filmen. Die Filme verbreiteten sich dann blitzschnell über das Internet. Mir war es schon vorher bekannt, dass Frauen in Saudi-Arabien nicht Auto fahren dürfen, sie dürfen das Haus ohne männliche Begleitung nicht verlassen. Das hatte mir vor ein paar Jahren eine schwedische Bekannte erzählt, die mit ihrem Ehemann und mit drei Kindern fünf Jahre in Saudi-Arabien lebte. Aber dass kleine Mädchen nicht mal Fahrrad fahren dürfen, war mir neu. Das Fahrradfahren schädigt die Eierstöcke der werdenden Frauen, lautet die Begründung dafür.

© Razor Film
Im ersten in Saudi-Arabien entstandenen Spielfilm Das Mädchen Wadjda tauchten wir in einen für mich unvorstellbaren Alltag ein. Es herrscht eine strikte Geschlechtertrennung in allen Lebensbereichen, was schon das Leben der kleinen Mädchen bestimmt.

© Razor Film
Doch die aufgeweckte Wadjda sucht ihren Weg im Rahmen des Möglichen. Sie versucht sich durchzusetzen und zeigt dabei viel Kreativität und Einfallsreichtum. Auf der Dachterasse übt sie mit dem  Fahrrad des Nachbarsjungen. Ihr sehnlichster Wunsch ist ein eigenes Fahrrad.

© Razor Film
Sie träumt den Freund beim Wettrennen zu schlagen. Um das Geld zusammen zu bekommen sind ihr alle Mittel recht. Sie verkauft ihren Mitschülern Freundschaftsbänder, nimmt für Verkaufszwecke westliche Musik auf Kassetten auf, überbringt gegen Entgelt Liebesbriefe.

© Razor Film
Sie meldet sich sogar für ein Koranwettbewerb an, bei dem ein hohes Preisgeld winkt.
Die wohlhabenden Eltern gehen liebevoll mit ihrer Tochter um und tolerieren ihre außergewöhnlichen Wünsche. Doch ihr Vater will eine zweite Frau heiraten, die ihm einen Sohn schenken soll.

Wadjda erlebt mit, wie dies das Herz ihrer Mutter zerbricht und sie versucht ihr beizustehen.
In Sachen Fahrrad gibt jedoch ein glückliches Ende, ein Happy End.

In dem Film sind staubige Stadtlandschaften zu sehen, laut hupende Autos, zu Gebetszeiten in Moscheen eilende Männer, gleißende Sonne, schattenartig vorbeihuschende Gestalten in schwarzen, bodenlangen Gewändern.

© Razor Film
Es wird ein Einblick in den strengen Schulalltag einer Mädchenschule gewährt. Den unmoralischen Verfehlungen der Schülerinnen folgen drastische Strafen. Aber es gibt natürlich auch Doppelmoral. Die offizielle Erklärung für einen  nächtlichen Besucher in der Wohnung der Schulleiterin lautet, das war ein Einbrecher!

Es ist schon erstaunlich, dass eine Frau in Saudi-Arabien Regie führen konnte. Haifaa Al Mansour musste sich bei den Dreharbeiten an die Sitten ihres Landes anpassen,  zum Beispiel Regieanweisungen aus einem Versteck heraus über ein Monitor zu geben. Die junge Waad Mohammed erbringt eine gute schauspielerische Leistung in der Rolle von Wadjda. Etwas schwierig war es für mich mit meinem nordeuropäischen Hirn das Leben in Saudi-Arabien zu begreifen, geschweige dann zu bewerten. Aber Das Mädchen Wadjda ist ein Film, der glücklich und nachdenklich macht. In Riad wird der Film nicht laufen, dort gibt es keine Kinos. Saudis können ihn nur im Fernsehen anschauen.



Kritiken der Anderen: Aspekte, 3Sat, Stuttgarter Zeitung, Taz

Friedenauer Kunst

20.10.2013

Jährlich ruft die Südwestpassage dazu auf Ateliers und Künstler in Friedenau kennen zu lernen. Von den 62 Kunstorten besuchten wir diesmal nur 5.

In der Moselstraße 9 arbeitet Phillip Vogt und er hatte Marina Kunica als Gast geladen. Es gab Malerei und Zeichnung.

Mariana, Phillip Vogt, 2006
Achim Mogge malt in seiner Bilderserie Kunstlichter Figuren und Szenen aus der Arbeitswelt. Er malt in der Moselstr. 12


Monika Behringer und ihre Arbeiten kenne ich schon lange. Dieses mal stellte sie in einem Friseursalon in der Rheinstraße aus. Ihre Fotoserie hieß Von Bäumen.

Joern Dudek zeigte seine schwarz / weiss Portrais. Seine Fotografien sind stark bearbeitet. Sein Atelier befindet sich in der Handjerystr. 65.


Im Atelier in der Illstr. 14 stellten zwei Frauen aus. Der Ort war eine große helle Altbauwohnung.


1. Doris Hinzen-Röhring malt abstrakt. Besonders die Farbgestaltung gefiel mir.


2. Silvia Sinhas Fotoarbeiten waren im wahrsten Sinne des Wortes eine Erleuchtung. Keine Personen, keine Objekte, nur Raum und Licht, ein radikales und geniales Projekt. Bravo!

Aus der Serie: "Lucid Intervals"

Apollo singt

15.10.2013

Mehr aus Zufall, auf dem Weg vom Einkaufen wurden wir, G. und ich, von einem Herren aus dem Finnlandzentrum angebaggert, Abends zu einem Gesangskonzert zu kommen.


Warum nicht, dachten wir und so hörten das Apollo Vocal Ensemble.
Sie sangen Perlen der Vokalmusik der Renaissance und machten Seitensprünge in modernere Vokalstücke aus verschiedenen Teilen der Welt. Auch der Son "tu candela" aus Kuba war dabei.
Wir waren sehr zufrieden und gingen danach glücklich Heim.

Katja Harilo - sopraano
Ive Riihimäki - sopraano
Johanna Laukkanen - altto
Pekka Sallinen - tenori
Jouni Rissanen - baritoni
Jani Laaksonen - basso

spielen sterben leben

13.10.2013

Zum ersten Mal sah ich ein Stück des Jugendtheaterprojekts der Schaubühne. In leben spielen sterben von der Gruppe DIE ZWEIFACHEN wird die Frage aufgeworfen, was wir tun würden, wenn wir wüssten, dass unsere Tage begrenzt sind. Ein Tod verkündet wie wenig noch übrig bleibt.

Jedes mal, wenn er die neue Restzeit über Lautsprecher verkündet schrecken alle zusammen.
Diese dramaturgische Vorgabe wirft die Frage auf, was will ich noch tun, was habe ich versäumt, wenn ich noch einen Monat, eine Woche oder noch einen Tag zu leben habe.

Die Akteure, alle um die zwanzig Jahre alt, wagen sich trotz ihrer Jugend an diese Aufgabe.Und sie haben alles Recht dazu, denn jede / jeden, egal wie alt, kann es treffen.
Die sich verringernde Lebenszeit löst bei einigen Stress aus, andere bereiten sich in Ruhe auf ihr Ende vor.

Ich fand die schauspielerische Leistung der jungen Leute beachtlich. Wenn die sich so weiter entwickeln, braucht sich die Schaubühne um den Nachwuchs nicht zu sorgen.

Regie Uta Plate
Mit Alex Bäke, Halima Hashemi, Mahdiyeh Hashemi, Tahera Hashemi, Ikra Latif, Anna Maria Naujeck, Christoph Scherz, Jacqueline Waldmann, Noah Welcker, Annika Westphal, Benjamin Wöller, Samantha Yamoah.

Kritiken: Tagesspiegel

McSound

10.10.2013

In letzter Zeit will die Volksbühne weg von Image eines spröden und anstrengenden Theaters. Auch ich bin in den letzten Jahren einige Male verzweifelt während einer Vorstellung aufgestanden und gegangen. Wenn ich nach einer Stunde Zuschauen das Gefühl habe gar nichts verstanden zu haben, fühle ich mich verarscht.
Das erste Mal fiel mir die Veränderung im Spielplan auf, als ich dort Die (s)panische Fliege sah. Da gab es kein gestelztes Sprechtheater sondern eine humorvolle turbulente Komödie. Ich habe mich köstlich amüsiert. Doch im Nachhinein kamen mir Zweifel, ob mich so ein inhaltsloses Stück wirklich befriedigt.

Als ich Karten für das Schottenstück (Macbeth) gewann, wusste ich schon, dass mich eine Musikshow erwartete.
Eigentlich ist das Stück eine Tragödie um einen Provinzfürsten in Schottland, der durch seine machtgeile Frau dazu gebracht wird sich auf dem Königsstuhl zu morden.

Leider taucht diese Geschichte im Stück fast gar nicht auf und / oder wird dadurch noch unverständlicher, dass Macbeth auch noch isländischen Text spricht.
Zum Glück sagt und singt seine Frau ab und zu mal Sätze in Deutsch, so dass der rote Faden doch nicht ganz verloren geht.

Es wird aber vorausgesetzt, dass man / frau den Hintergrund kennt, ein wenig wie in einer italienischen Oper.
Neben dieser etwas dummbatzigen Idee ist das Spiel von Lady Macbeth hervorragend und der Musikeinsatz ist ein Parforceritt durch die Musikgeschichte.

Henry Purcell – The Queen´s Funeral March
Henry Purcell – Canzona
Arnold Schönberg – Suite für Klavier op. 25 Trio
Arnold Schönberg – Rote Messe
Ludwig van Beethoven – Come fill, fill my good fellow
Jón Leifs – Vögguvísa
Geoffrey Burgon – Nunc Dimittis
Johann Sebastian Bach – Passacaglia in C-Moll
Béla Bartók – Miraculous Mandarin
Johann Sebastian Bach – Partita II C-Moll BWV 826, Sinfonia
Pietro Locatelli – Cappricio
John Cage – Experiences No 2
Henry Purcell – Funeral Sentences
Henry Purcell – Thou knowest Lord
Cream – Strange Brew
Nina Simone – Tomorrow is my turn
Eugène Ysaye – 2. Sonate
The Shaggs – Philosophy of the World
Giovanni Battista Pergolesi – Stabat Mater
The Doors – Shaman´s Blues

Das ist eine tolle Zusammenstellung und die Musik kommt nicht vom Band. Alles ist live gespielt, zu mindestens gesungen. Die Vielseitigkeit und das Können der Agierenden kann ich nur bewundern.
Trotz der fast vollständigen Abwesenheit von Shakespeare verließ ich die Vorstellung nicht vorzeitig.

Kritiken der Anderen: Nachtkritik, Deutschlandfunk, TAZ, Berliner Zeitung

DarstellerInnen: : Thorbjörn Björnsson, Paul Brody, Marie Goyette, Gabriella Hamori, Jelena Kuljic, Sir Henry, Lilith Stangenberg und Nurit Stark
Regie: David Marton
Raum: Bert Neumann
Kostüme: Nina von Mechow
Licht: Frank Novak
Video: Jörg Sternberg
Ton: Klaus Dobbrick, Gabriel Anschütz
Dramaturgie: Thomas Martin, Barbara Engelhardt

Meret und Anish

02.10.2013

Wenn man / frau schon krank geschrieben ist, empfiehlt es sich auch an einem Wochentag Ausstellungen zu besuchen. So besuchten G. und ich den Martin-Gropius-Bau.

Meret Oppenheim
Man Ray, 1933
Erotique voilée Series
© Man Ray Trust, Paris
Im ersten Stock wurde ein Überblick über das Werk von Meret Oppenheim gegeben.
Sie war zwanzig als sie 1931 nach Paris reiste, um Künstlerin zu werden. Schnell kam sie mit den Surrealisten in Kontakt.
Als junge Frau mit wenig Hemmungen nutzten die Künstler sie gerne als Aktmodell. Doch schnell verabschiedete sie sich von dieser Rolle.
Sie war damit eine der wenigen Frauen, die sich unter den Männern künstlerisch durchsetzte.
Sie entwickelte einen eigenen Stil und schwamm sich von den männlichen künstlerischen Vorbildern frei.


Meret Oppenheim, 1968
Abendkleid mit Büstenhalter-Collier
Wie erfolgreich sie damit war, zeigt sich daran, dass das MoMA in New York bereits 1936 eine Arbeit von ihr kaufte. Dieses Werk, eine Tasse mit Untertasse und Löffel war komplett mit Fell bezogen, bildete die Grundlage für ihren Ruhm. Diese war in der Schau jedoch nicht vertreten.
Doch dafür war eine breite Auswahl ihrer Arbeiten zu sehen.
In der Ausstellung wurde ein Überblick über ihre gesamte Schaffensperiode bis zu ihrem Tod 1985 gezeigt.

Meret Oppenheim
Peperoni auf dem Wasser, 1938
Dabei waren Malereien, Skulpturen und textiles Gestalten. In allen Bereichen hat sie Besonderes geleistet.
Es gibt kaum eine KünstlerIn, die eine so breites OEuvre schuf.
Daneben verfasste sie dann auch noch tolle Gedichte.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 6. Januar 2014.
Unbedingt hingehen und sich gründlich satt sehen!

The Death of Leviathan, 2013
Im Erdgeschoss wurde Anish Kapoor gezeigt. Ein international hoch gehandelter Skulpteur. Auch diese Ausstellung nahmen wir mit. Leider wirkten seine Arbeiten im Verhältnis zu denen von Meret Oppenheimer recht einfältig. Seine Werke sind zwar meist großformatig, doch die ästhetische Qualität ist gering.

Sein Leviathan, eine luftgefüllte Plastikfolie, die auch in einer anderen Form bei der Dokumenta IX 1992 gezeigt wurde, gehörte zu den besseren Werken. Überwiegend waren sonst Arbeiten aus rotem Wachs zu sehen. Diese rochen unangenehm chemisch und waren für mich ziemlich langweilig.


Nicht mal eine Kanone, die regelmäßig Wachs in einen Raum schoss, fand ich interessant. Wer die Ausstellung besuchen will, hat noch bis zum 24. November Zeit.

Vögeln im Frühling

29.09.2013

Für unseren Sonntag ist 11:00 Uhr eine unchristliche Zeit. "Unchristliche Zeit", wieder mal so eine bedeutungschwangere Redewendung, die mir manchmal aus dem Gehirn plumpsen. Zum Glück gibt es das Internet, so konnte ich recherchieren, dass damit die Nacht gemeint ist. Was die Leute sich im Mittelalter dabei gedacht haben, kann ich mir jedoch nicht vorstellen. Gerade in der Nacht wurden doch die meisten kleinen Christenkinder gezeugt. Manche vermuten ja sogar, dass der Heilige Geist Maria nachts beigewohnt hat. Jesus nachts zu zeugen kann doch nicht unchristlich gewesen sein?

Kinosaal Astor Berlin
Ein moderneres Märchen erzählt Alfred Hitchcock in "Die Vögel". Viele ältere KnackerInnen wie ich werden den Film aus dem Jahr 1963 schon kennen. Auch wir, I. und ich, schauten ihn schon wiederholt.
Trotzdem quälten wir uns früh aus dem Bett ins Kino Astor.
Denn I. schenkte mir vor ein paar Jahren eine Filmdose mit Gutscheinen, für freien Eintritt und Verzehrgutschein. Dieses Geschenk wollten wir verbrauchen.
Der Film des Regiegenies ist auch nach 50 Jahren ein Juwel. Wenn das Licht wieder angeht, ist der Respekt fürs Federvieh erheblich gestiegen.
In mir entstand die Idee Vögel so zu trainieren, dass sie BesitzerInnen von Hühner"farmen" massakrieren. So etwas wäre doch lehrreich und hilfreich Massentierhaltung zu verbieten.



Als wir aus dem Kino traten, strebte gerade das letzte Aufgebot des Berlin Marathons an uns vorbei. Die meisten LäuferInnen erregten mein Mitleid und ich bekam Angst, dass ich meine Kenntnisse in der ersten Hilfe anwenden muss. So drehten wir schnell ab und nahmen unseren Afterkinokaffee.

Im Garten des Cafés des Literaturhaus in der Fasanenstraße schmeckte er vorzüglich. Ein bezaubernder Ort.

Für den Abend hatte ich Karten für ein Tanzstück in der UFA Fabrik gewonnen. Das Acrobatic-Dance-Theatre der BASE Berlin präsentierte "Frühlingserwachen" von Frank Wedekind. Das 1891 veröffentlichte Drama thematisiert die pubertierenden Irrungen und Wirrungen von drei Jugendlichen.
Vorher war ich recht skeptisch, ob es möglich ist Akrobatik mit einem Drama zu verbinden. Den DarstellerInnen gelang dies jedoch fulminant.



Tanz: Felice Aquilar, Christian Myland und Dennis Mac Dao
Musik von: Die Antwoord, Sade, Björk, Aquarius Heaven, John Legend, The Irrepressibles, Ray Charles, Blue October.
Choreographie: Dennis Mac Dao und Christian Myland.

Das Copyright für alle nicht ausgezeichneten  Fotos liegt bei Irmeli Rother.

Potsdam, alles verboten?

21.10.2013

Eigentlich wollte ich der Liebsten, vom Hauptbahnhof kommend, nur wegen des tollen Wetters die Freundschaftsinsel zeigen.
Doch hielten wir ob der tollen Piktogramme erstmal inne und überlegten, was wir Falsches vor hatten.
Die Grünflächen Verwaltung Potsdams verlangt den BesucherInnen Einiges an Gedankenarbeit ab.

So stellte sich uns die Frage, wir hatten zufälligerweise keine Schere dabei, ob man / frau Blumen mit dem Messer ernten darf.
All diese Fragen beantworteten aber die BeamtInnen am Check-in Schalter gerne. Nach einem Ganzkörperscan durften wir den Park betreten.

Gleich danach folgte schon wieder ein Verbotsschild. Was waren wir froh, dass wir unser Ruderboot vergessen hatten.
Doch beim Erblicken der Tags auf dem Schild ärgerte ich mich ein wenig, dass ich meinen dicken Filzstift nicht dabei hatte.
So glaubt mir doch keiner, dass ich dort war.

Derweil schoss I. ihr erstes Foto aus der Serie "Unter den Brücken von "Potsdam".
Als dann kurze Zeit später ein Radler meine Liebste fast angefahren hätte, verstanden wir, dass die Verbote offensichtlich nicht für Einheimische gelten.
Die kleine freundliche Insel heißt übrigens nicht erst seit der Deutsch - Sowjetischen Freundschaft so, wie ich immer vermutete, sondern schon seit 150 Jahren. Ein Gasthof gab ihr wohl den Namen.


Dann genossen wir die Parklandschaft und ich knipste Naturfotos.


Gärtnerjunge, 1962
Karl-Heinz Schamal
Natürlich gehören in einen solchen Park auch Skulpturen. Fast alle zeigten sich im Stil des Sozialisten Realismus, viele KünstlerInnen, die brav dem deutschen Reich gedient hatten, konnten in der DDR stilistisch bruchlos weiter arbeiten.
Der Schöpfer des Gärtnerjungen war jedoch zu jung, um sich an der deutschen Mordbrennerei zu beteiligen. Diese Arbeit ist zwar am Proletkult orientiert, trägt aber auch viel Frohsinn in sich.
Nachdem wir die Insel fast umrundet hatten, besuchten wir die dort ansässige Galerie.
Der Brandenburgische Kunstverein Potsdam war auf die gewöhnungsbedürftige Idee gekommen, unter dem Titel "Anonymous", Werke ohne Informationen über die Produzenten auszustellen.
Damit wollten sie die Regeln des kommerziellen Kunstbetriebs unterlaufen.
Mir kam die Idee zu unausgegoren vor. Wenn KünstlerInnen vom Verkauf ihrer Arbeiten leben müssen, sind sie doch auf Gedeih und Verderben daran gebunden sich einen Namen zu machen.

So erfuhr ich nichts über den Schöpfer der Installation.
Anschließend schlürften wir Kaffee und verspeisten Kuchen im Inselcafe. Es war warm, so saßen wir draußen am Wasser. Leider sind dort die sehr großen ziemlich aggressiven Schwäne ein Problem. Sie beißen kräftig, wenn man / frau ihnen ihren Anteil verweigert.
Durchblick
Dann hatten wir Lust auf Kunst mit Namen. Die fanden wir in der Galerie Sperl am Nicolaisaal. Peter Weiß stellte dort unter dem Titel "oxydAktion" seine mit verschieden farbigem Rost gemalten Bilder aus.
Auf Hartfaser aufgetragen entsteht eine Wirkung wie bei verrostetem Metall. Ein witziger Effekt beim Bild nebenan ist, die hinein gemalte Bohrung. Scheinbar fällt durch sie Licht von hinten hindurch.
In der Nähe, an der Friedrich-Ebert-Strasse, betreibt die Galerie Sperl eine temporäre Depandance in einer ehemaligen Fachschule. Der DDR Bau im Stil der Sechzigerjahre steht leer und wird so zwischenzeitlich genutzt.
Die "Schaufenster Galerie" zeigt in schönen lichtdurchfluteten Räumen zeitgenössische Kunst und auch die Werke des Galeristen Rainer Sperl.
Der spielt gerne mit Material und Formen und produziert ausgesprochen Witziges und Hintergründiges.

Die neue Tasche
Kätzchenspanner
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Besuch des Seepferdchens
Lezzueck A. Coosemans ist in den magischen Realismus vernarrt. Für mich malt er einen Tick zu niedlich.
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Der Gärtner, 2011
Hans Hendrik Grimmling hat den Vorteil abstrakt zu malen. Das kann man / frau nie niedlich finden. Mir gefiel das flächige Bild, besonders die Muster auf den grauen Flächen. 
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Vogelbegegnung
Mathias Melchert zeigte ebenfalls keine fotorealistische Arbeit. Doch obwohl ich mich vor seinen Flattertieren etwas gruselte, hatten sie was. 
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Die Auswanderer, 2007
Der rote Bau
Dieter Zimmermann alias der Grübelzwang setzt die Bilder aus kleinen zusammen, so gibt viel zu schauen. Malte Brekenfeld malt im Stil der Surrealisten. Oben scheint ihn Hieronymus Bosch inspiriert zu haben.

Nach so viel Kunst besuchten wir schon zum zweiten Mal das Fischrestaurant Butt, es schmeckte wieder vorzüglich. Es ist der richtige Ort für LiebhaberInnen von totem Flossengetier.
Meine Begleiterin aß den fotografisch festgehalten gegrillten Loup de Mer.

Dann folgte der eigentliche Grund für den Potsdam Besuch. Wir hatten Karten für das Hans-Otto-Theater bestellt, dessen künstlerischer Ruf sehr gut ist. Der Neubau ist außerdem ein architektonischer Juwel.
Wir gingen jedoch ins Schwesternhaus,  in den Reitsaal, der auch ganz passabel aussieht, aber doch nur ein umgebauter Reitsaal ist.
Doch wir wollten ein Stück sehen. "Von Mäusen und Menschen" nach der Novelle von John Steinbeck war angekündigt.

© Hans-Otto-Theater
Leider hat der Regisseur Niklas Richter das Stück zu klamottig angelegt und die Rollen falsch besetzt. Der eigentlich, als ein wenig geistig zurückgebliebener, aber sehr kräftiger Landarbeiter angelegte Lennie, war nicht kräftig gebaut und konnte auch sonst die Rolle nicht ausfüllen. Florian Schmidtke war der Darsteller.
Das verführerische Mädchen Elzemarieke de Vos wirkte extrem kühl. Somit waren schon die wichtigsten Personen im Stück falsch besetzt. Das Einzige was uns wirklich zusagte, war die musikalische Darbietung.
Passend gab es Swing zu hören.

Besonders der Pianist Christian Deichstetter war ein Könner.
Den Frust über die dürftige Dramaturgie ertränken wir im Holländerviertel mit Rotwein.

Das Copyright für alle nicht ausgezeichneten  Fotos liegt bei Irmeli Rother.