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Allerlei Leipzig

02.11.2012

Ein Tagesausflug nach der Heldenstadt ist von Berlin aus schnell realisiert. Nach gut einer Stunde wirft einen der Zugbegleiter am Hauptbahnhof Leipzig raus. Das Gebäude sollte man / frau unbedingt beachten. Lange wird es nicht dauern bis die Deutsche Bahn es abreisst.

Dann entsteht dort eine moderne Shopping Mall mit Gleisanschluss wie Stuttgart 21 oder der ICE Bahnhof in Kassel.
So eine olle Glasdecke ist doch bestimmt auch mit modernen Maschinen nicht gut zu reinigen und warum müssen Bahnhöfe sich überhaupt unterscheiden?

Vom Bahnhof sind es nur ein paar Schritte bis zur Altstadt, die sich anzuschauen lohnt. Dort entdeckten wir als erstes ein Klimbim Geschäft. Das Pylones verkauft Sachen, die niemand in dieser Form benötigt. Trotzdem war ich vom Angebot bezaubert.
Ich muss zugeben, dass ich auch perverse Seiten habe.
So verliebte ich mich sofort in den Seifenspender links.

Nicht alles ist dort praktisch einsetzbar aber liebevoll gestaltet allemal.
Mir persönlich käme der abgebildete Hammer nicht in die Werkzeugkiste, aber ich hatte ihn in der Hand und wahrscheinlich kann man / frau damit sogar einen Nagel ins Holz prügeln. Doch für so ein "Werkzeug" bin ich zu sehr Schwanzträger.
Frauen und Transen sind eher die Adressaten.

Pylones gibt es in Deutschland zwei mal in Berlin, in Köln, in München, in Heidelberg und Leipzig. In Finnland noch keins.
Wer wissen will, was ein Pylon ist, kann sich unterm Link schlau machen.

Aber die Leipziger Altstadt hat noch mehr zu bieten als ein französisches Klimbim Geschäft. Nach dem Kitsch genossen wir leckeren Fairtrade Kaffee  im Cafe Contigo.Geschäfte mit gleichem Angebot gibt es in vielen Städten der Bundesrepublik. Mit Speed im Bauch besuchten wir den Wochenmarkt. Der ist Dienstag und Freitag von 9:00 bis 17:00 geöffnet.

An gleicher Stelle findet er seit 1420 statt. Am Stand einer Pferdefleischerei genossen wir leckere Ponybratwurst. Die Marktage sollten BesucherInnen nutzen. Gleich um die Ecke in der Katharinenstr. befindet sich die Touristeninformation. Dort griffen wir einen Stadtplan ab.

Daneben steht die geschmacklos gestaltete Fassade des Museum der bildenden Künste.
Milchig transparente Plastikplatten bilden die Außenfläche. Sie wirken wie unverkäufliches Material aus dem Baumarkt.
Laut Selbstdarstellung des Hauses soll das Innere von außen sichtbar sein. Anscheinend ist die Verkleidung jedoch blind geworden. Von drinnen funktioniert der Blick nach Außen schon.

David Bowie, World-Tour, 1983
© Denis O'Reagan
Zuerst gingen wir in den Keller, um die Sonderausstellungen anzuschauen. Die Eine stand unter dem Motto: "A star is born, Fotografie und Rock seit Elvis". Dort hingen 150 Fotos von Rockidolen.
Zusätzlich zeigten sie Konzertvideos, um diese zu sehen, brauchts jedoch eine Stunde.

Diese spannende Ausstellung ist noch bis zum 13.01.2013 geöffnet.

Roy Lichtenstein, CRAK, 1964
© VG Bild-Kunst
Dann schauten wir "Leben mit Pop". Eine sehr informative Ausstellung zur Popart und ihrer Geschichte. Durch ihre millionenfache Verbreitung auf Plattencovern in den 60er Jahren erreichte sie eine solche Massenpopularität, wie die unendlich oft kopierten Engel aus der sixtinischen Kapelle in Rom

Diese informative Ausstellung läuft auch bis zum 13.01.2013.

Im dem im Haus vorhandene Café genossen wir dann wieder mal Kaffee.
Dort tobte das Leben, denn es war auch Infopunkt für das jährlich stattfindende Dokumentarfilm Festival DOK. Das hatten wir gar nicht auf dem Schirm.

Neo Rauch, 2010
Schilfkind
In der Dauerausstellung in den oberen Stockwerken, hängt in einem zentralen Raum die Leipziger Schule. Dieser schon lange vor dem Anschluss der DDR aus dem sozialistischen Realismus entwickelte Malstil ist mir zu gegenständlich. Egal wie erfolgreich die NachfolgerInnen der so genannten Neue Leipziger Schule heute sind. Ihre Gemälde erzielen international Höchstpreise.
In den anderen Räumen wurde oft Klassisches mit Modernem konfrontiert.

Rosa Loy, 2008
- Mondnacht -
Eine der wenigen Leipziger SchülerInnen, die es richtig gut kann. Sie verbindet Humor mit gelungener Ausführung.


Sighard Gille, 1996
- Nudeltisch -
Ein Foto, das in tausenden Pizzerien hängt, war hier die Bildvorlage.


Henriette Grahnert, 2010
- Parkour -
Ein Treppengeländer, hier mal künstlerisch verarbeitet.
Bertel Thorvaldsen, 1817
- Ganymed tränkt einen Adler -
Der abgebildete junge Mann wurde in der griechische Mythologie der „Schönste aller Sterblichen" genannt. Da er Zeus sexuell gut befriedigte, wurde er von ihm zum Dank in das Sternzeichen Wassermann verwandelt?!

Johann Peter Hasenclever, 1846
- Hieronymus Jobs als Schulmeister -
Der Maler illustrierte das Leben des Helden vom Lehrer zum Nachtwächter.
Schulpflicht ist und war nicht immer leicht zu ertragen.
Wilhelm von Schadow, 1828
- Mignon -
Eine verkitschte Darstellung nach dem homoerotischen Roman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" von Wolfgang Goethe.
Für mich ist Mignon eher eine Batteriegröße.

Balthasar Permoser, 1705
- Jupiter und Juno -
Klaus Rinke, 1986
- Königin der Meere -
Gustav Adolf Hennig, 1828
- Lesendes Mädchen -
Mann, sieht die junge Dame brav aus. Zum Glück gibt es solche Frauen heute nicht mehr.
 

Arthur Volkmann, 1910
- Flora -
Jean Baptiste Carpeaux, 1868
- Warum zum Sklaven geboren? -
Lovis Corinth, 1900
- Salome 2 -
Die entblößten Brüste seines Modells Irma Hübner sollen in so manchen feuchten Knabenträumen eine Rolle gespielt haben.


Nach gut zwei Stunden Kunst brachen wir zur Erkundung der Altstadt auf. Diese ist auch bei nicht so gutem Wetter angenehm zu erlaufen. In der Stadt gibt es traditionell viele überdachte Passagen. Doch zuerst bedachten wir das Denkmal für die Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989 mit unserem Besuch. Es steht auf dem Platz vor der Nikolaikirche, von dort startete die Demo auf den Altstadtring, die am 9.10. auf 70.000 TeilnehmerInnen anschwoll.

Mit diesen Aufzügen wurde das Ende der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands eingeläutet.
Deshalb erhielt Leipzig den Titel Heldenstadt verliehen.
Leider ließen sich die DDR BewohnerInnen den Schneid gegen Bananen abkaufen.

So konnte Hr. Kohl seinen Thron verbreitern lassen und mit einer Arschbacke auf der Ex DDR Platz nehmen.
In den Passagen gibt es neben spannender Architektur viele Geschäfte. Z. B. fanden wir einen Dessousverkauf, vor dem eine an Magersucht leidende Verkäuferin auf Kundinnen wartet. Hier kaufen wohl auch die zahlreichen Huren ein, die von örtlichen Politikern und Beamten gerne als Dessert zu Geldgeschenken vernascht werden.

So hat sich Leipzig zu einer Schmiergeldstadt gewandelt, nachzulesen auch in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung.
Tricksereien von Stadtoberen haben in Leipzig jedoch Tradition. Schon der Bürgermeister Franz Conrad Romanus (*1671 bis † 1746) steckte seine Finger in zu viele Töpfe und wurde verhaftet.
Doch damals wurde er dafür noch in Festungshaft gesteckt, heute gäbe es einen gerichtlichen Vergleich.

Aber durch solche Tatsachen ließen wir uns nicht beeindrucken.
Wir bewunderten die aufwendig gestalteten Passagen der ehemaligen Handelsmetropole.
Die Pfeffersäcke demonstrierten mit edlem Dekor und viel Blattgold ihre Wichtigkeit.

Ein wenig hungrig geworden besuchten wir die Moritzbastei. Ein Teil der ehemaligen Stadtmauer, der schon in DDR Zeiten zu einem Kulturzentrum ausgebaut wurde.
Darin befinden sich noch heute mehrere Veranstaltungsräume und ein Restaurant.

Es heißt Barbakane. Dort speisten wir preiswert. Die angebotenen Tagesgerichte kosten weniger als 5 Euro und sind recht lecker, anders als der Preis vermuten lässt.
Viele Studenten der nebenan gelegenen Universität Leipzig trifft man / frau hier.

Zum Abschluss des Ausflugs sahen wir uns eines der berühmten Cafehäuser der Stadt an. Das Zum Arabischen Coffe Baum hat 1711 nachweislich das erste Mal Kaffee ausgeschenkt und gehört zu den ältesten Cafes in Westeuropa. Auch hier war der Türkentrunk exzellent.

Dazu verzehrten wir wohlschmeckenden Kuchen.
Das landläufige Vorurteil gegenüber dem Sachsenkaffee können wir nicht bestätigen.
Spannend ist auch das ebenfalls im Haus befindliche Museum. Es enthält allerlei Antiquitäten rund um die Zubereitung, auch im Puppenstuben Format.
Mit viel geistigem und kulinarischem Input gefüttert fuhren wir Heim.
Leipzig ist eine Reise wert!

Fotos von Huren und Heiligen

01.11.2012

Im Haus am Kleistpark stellte der Reportagenfotograf Jerry Berndt aus. Wieder eine Ausstellung im Rahmen des Monats der Fotografie. Leider war in den Räumen mal wieder das Fotografieren verboten. Weshalb Veranstalter dieses unterbinden verstehe ich nicht.

Wanna be pimp, 1968
Wie soll ich ohne Fotos über ihre Ausstellungen berichten? Besonders, weil es im Internet hunderte Fotos vom Künstler gibt, ist dieses Verbot lächerlich.
Unter dem Titel Combat Zone (Kampfzone) fotografierte er Zuhälter, Transvestiten und Huren und deren Kunden in Boston.
Berndt (*1948) war aber nicht nur in den gefährlichen Zonen in den USA unterwegs, für internationale Magazine besuchte er Kriegszonen rund um den Erdball.
Er ist einer der ganz großen Fotografen der Nachkriegszeit aus den USA, dessen Bilder auch in dem MoMa hängen.

Woman bowing in prayer, 1999
Für die Serie Sacred (Heilig) reiste er durch die USA. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf Christliches, sondern sein Horizont war erheblich breiter.
Heute lebt der Künstler in Paris.
Die Ausstellung ist noch bis zum 16.12.2012 Di. - So. von 10:00 bis 19:00 Uhr geöffnet.
Hingehen lohnt sich.

Vor die Wand

30.10.2012

Am Nachmittag zog ich mit der Liebsten los, um eine im Rahmen des Monats der Fotografie stattfindende Ausstellung zu besichtigen. In der Galerie Camera Works in der Kantstrasse hingen die Fotos Bettina Rheims an der Wand. Ihre Gender Studies zeigen den fließenden Übergang zwischen den Geschlechtern.
Wer immer noch glaubt, dass es nur Mann und Frau gibt, kann sich hier noch bis zum 1. Dezember 2012 vom Gegenteil überzeugen.








Mir waren die Fotos zu niedlich und harmlos. Viele Transsexuelle haben massive gesellschaftliche und psychische Probleme.
Nach dem Ausstellungbesuch zogen wir weiter in den Delphi Kinopalast am Zoo, Kant Ecke Fasanenstrasse. Dort sahen wir den Film "Die Wand". In der 1963 geschriebenen Romanvorlage von Marlen Haushofer wird die ausweglose Situation einer Frau geschildert.

Diese wird in einem Gebiet in den Alpen durch eine riesige Käseglocke eingeschlossen. Scheinbar sind alle anderen Menschen tot. Sie muss versuchen mit ein paar Haustieren, selbstangebautem Gemüse und der Jagd zu überleben. Die Darstellerin Martina Gedeck spielt diese Rolle stumm, sie spricht ausschließlich ihre Tagebucheintragungen ein.
Was für eine exzellente schauspielerische Arbeit.


Mich hat der Film mit seinen ruhigen Bildern begeistert, nur manche langen Einstellungen auf der Alm schienen mir vom Tourismusverband bezahlt.
Kritiken der Anderen: Zeit, Spiegel, 3Sat, taz

Wir beschlossen den netten Abend mit einem AfterKinoTalk im Terzo Mondo in der Grolmannstrasse. Bei leckerem Retzina und Tzatziki verarbeiteten wir das Gesehene.

Konzepte des Lebens

28.10.2012

Patricia Piccini, the comforter, 2010
Ein Teil der Skulpturen schaffenden KünstlerInnen spüren der gesellschaftlichen Tendenz nach, dass die Wissenschaft versucht die Grenze zwischen uns und den Maschinen einzureißen.Viele setzen verderbliche Materialien ein und bilden biologische Prozesse des Wachstums und des Zerfalls in ihren Arbeiten ab.

Thomas Feuerstein
Manna Maschine 2008
Die Ausstellung BIOS im Kolbe Museum umkreiste diesen Komplex .
Der Eyecatcher, auch auf den Plakat zur Ausstellung, war das Wolfskind, das mit einer Art Baby spielt. Der Anblick war etwas erschreckend, erinnerte an ein Abnormitäten Kabinett einer med. Hochschule. Trotzdem stellte sich das Gefühl ein, jemand zu sehen, der eine tiefe Zuneigung zu einem Wesen hat.
In den Behältern links wurde Algensuppe produziert. Guten Appetit, ist wahrscheinlich so lecker wie Fastfood von McDonald.

David Zink Yi, o. Titel
Da freue ich mich auf die schöne neue Welt. Sehr beeindruckend war der künstliche, gestrandete Tintenfisch. Er soll wohl das Ende der Welt ankündigen. Die restlichen Werke fand ich zu sehr am Thema vorbei, als dass ich sie euch zeigen möchte.

Das Motto der Ausstellung "Bios – Konzepte des Lebens in der zeitgenössischen Skulptur" hat der Kurator Marc Wellmann nicht eingelöst. Nur das Wolfsmädchen setzt die Idee wirklich um.

Georg Kolbe, 1922
Tänzerinnenbrunnen
Das ehemalige Atelierhaus vom Bildhauer Georg Kolbe (1877–1947) ist jedoch auch ohne eine aktuelle Spitzenausstellung den Besuch wert. Dieser war zwar ein anpassungsfähiger Künstler, dem es gelang im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im deutschen Reich gut im Geschäft zu bleiben, aber einige seiner Skulpturen sind dennoch bemerkenswert.
Nach dem Wahlsieg der NSDAP wurde er einer der führender Künstler für die Denkmäler des Deutschen Reichs.
Aktiver Widerstand sieht anders aus. 

Leider wurde er dafür nie bestraft und es wurde noch nicht mal sein mit Nazikunst erworbenes Vermögen eingezogen, um Opfer zu entschädigen.
Einige Werke stehen sowohl im Haus als auch im Garten.
In Gartenhaus befindet sich das bezaubernde Café K, das mit leckerem Kuchen, Kaffee und kleinen Speisen lockt.
Im Sommer sind die Außenplätze auf der Terrasse sehr beliebt und begehrt.

Im weiten Umkreis gibt es so ein Juwel nicht. Um die Ecke vom S-Bahnhof Heerstrasse gelegen ist auch der Teufelsberg nicht weit. Wer einen Ausflug mit einem Caféhausbesuch verbinden will, sitzt hier richtig.

ehem. Abhörstation der USA auf dem Teufelsberg
© Axel Mauruszat

Moabit grooved

27.10.2012

Beim Festival MoBeat versucht Moabit sich musikalisch zu präsentieren. Der Stadtteil liegt zwar zentral aber schläft wie Dornröschen. Sicher zum Glück für die BewohnerInnen. Die in Szenebezirken übliche Vertreibung der Bewohner durch Immobilienspekulanten hat dort bisher nicht so stark gegriffen.

Mit der Liebsten und einem befreundeten Pärchen trafen wir uns in Freddy Leck sein Waschsalon. Dort kann man / frau nicht nur schmutzige Wäsche waschen, sondern manchmal auch Konzerten und Lesungen lauschen.

Dort trat Caroline Martine auf, die mit ihrer Bühnenperformance und ihren musikalischen Fähigkeiten einen ersten Glanzpunkt setzte. Sie verband virtuos Jazz mit Pop und Chanson. Geschickt setzte sie eine Loop Maschine ein. Damit speicherte sie Gesangssequenzen. Der Kasten zu ihren Füßen gab diese dann auf Wunsch wieder, so konnte sie mit sich selbst singen. Die sonst bei MusikerInnen mit Gitarre und Gesang leicht auftretende Langeweile vermied sie so geschickt.

Ich trug mich auf ihre Newsletterliste ein und hoffe euch bald mehr über sie berichten zu können.

Später zogen wir zum ehemaligen Güterbahnhof Moabit, der heute das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZKU) beherbergt. Dort spielte im Keller die Band Megamau Punkrock. Sie begeisterte mich nicht. Im zugigem Erdgeschoss tranken wir dann noch einen Wein.

Etwas durchfroren brachen wir die Kultour ab und genossen einen Schlummertrunk in dem netten altberliner Restaurant Dicker Engel am U-Bahnhof Birkenstrasse. So trostlos wie viele denken ist Moabit also doch nicht.

Fotos von Ostkreuz

26.10.2012

Im ehemaligen Kaufhaus Maassen stellte die Ostkreuzschule für Fotografie die Arbeiten ihres Abschlussjahrgangs unter dem Titel Echo vor. In dem innen etwas maroden Altbau direkt am Oranienplatz waren die Fotos über drei Etagen verteilt.
Wieder mal ein defekter, perfekter Ort für Kunst. Die Ausstellung ist bis zum 17.11.2012 geöffnet.











Ich erschien frühzeitig zur Eröffnung, meine Liebste konnte erst später.

Philipp Plum
Berlin Bouncer Project
Mit Lichttechnik war der Raum geschickt dekoriert.
Doch es  wurde schnell sehr voll, denn in Erwartung, der für später angekündigten Party, strömten die jungen Kreativen in Scharen ins Haus.
Im Dachgeschoss waren die spannendsten Aufnahmen zu sehen. Der Fotograf hat Berliner TürsteherInnen abgelichtet.

Eric Meier, Aporia
In den anderen Stockwerken fanden wir aber auch einiges Sehenswertes.
Der Künstler links vergleicht fotografisch den sogenannten Kultur- mit dem Naturwald.

Romy Kaa, persona
Die Fotoserie rechts ist sehr persönlich wie schon der Titel verrät. Eine Selbstinszenierungen mit Mutter und Kind, die Fotografin stellt Szenen nach. Viele der Fotografinnen stellten sich und ihren Körper in den Mittelpunkt.

Mark Alker
fiat iustitia, et pereat mundus
Die Bilder links zeigen Gerichtssäle. Der Fotograf ist selbst Jurist und zeigt leere Räume, in denen Staatsgewalt ausgeübt wird.
Der lateinische Titel bedeutet: "Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde"

Das Anschauen der Ausstellung lohnt sich.

Fotos von Drüben

23.10.2012

"Geht doch nach Drüben", in den Siebzigern der Standartspruch des Berliner antikommunistischen Mobs, wenn ihnen in Diskussionen nichts mehr einfiel. Das war dann der Moment sich zurückzuziehen, wenn man / frau körperliche Auseinandersetzungen vermeiden wollte.
Die Drüben, sprich die in der DDR lebten, zeigten ihre Umgebung und ihr Land auch durch das Auge der Kamera.

1989 – Pfingsttreffen der FDJ
© Jens Rötzsch
Die Ausstellung "Geschlossene Gesellschaft. Künstlerische Fotografie in der DDR 1949-1989" ist noch bis zum 28.01.2013 in der Berlinischen Galerie anzuschauen.
Die Bilder sind klug ausgewählt. Der Schwerpunkt ist so gesetzt, dass kaum Propagandafotos zu sehen sind.
Sogar bei Selbstinzenierungen der SED gelang es FotografInnen diese gegen Strich abzulichten.

Frau in Rot, Leipzig 1985
© Erasmus Schröter
Solche Fotos waren in der DDR unverkäuflich, so dass die meisten im privaten Archiv landeten. Fürs Brot wurde dann linienkonform fotografiert.
Zum Ende der DDR begannen aber auch viele FotokünstlerInnen sich nicht mehr um die Parteivorgaben zu scheren. Sie versuchten nicht mehr vom Fotografieren zu leben. Wie KünstlerInnen in anderen Bereichen setzten sie sich vom Staat ab.

Susi, Rathenow 1976
© Nachlass Sibylle Bergemann
Viele arbeiteten lieber in schwarz / weiss, denn die Farbfilme besaßen oft einen starken Rotstich. Der Fotograf des Bildes oben spielte mit diesem Farbfehler.
Meine Liebste und ich waren ob der Qualität vieler Fotos begeistert, doch erschließt sich Vieles erst durch drei gezeigten Videos mit Interviews mit KünsterInnen. Man / frau sollte eine Stunde vor dem Rundgang Filmgucken einplanen.

Schlachthof Berlin 86 - 88
© Jörg Knöfel
Im Anschluss sind die Fotos besser zu verstehen. Alternativ werden aber auch Führungen angeboten.
Interessant war die gezeigte Modefotografie.
Besonders eindrucksvoll fand ich ein Konzeptkunstwerk. Darin werden in einem Gang, der aus hängenden Blechplatten gebildet wird, Fotos von halb verarbeiteten Tieren und den ArbeiterInnen eines Schlachtbetriebs abgebildet. Hier sind nicht die heroischen HeldInnen und die Bilder des fortschreitenden Sozialismus, die die Partei so gerne sehen wollte.

Zum Glück machte die Bevölkerung der DDR Schluss mit dem Spuk.



Stimme aus Brasilien

13.10.2012

Entgegen den landläufigen Vorurteilen können FinnInnen auch spontan sein. Weil günstige Flüge angeboten wurden, landeten Mitglieder der Familie meiner Liebsten in Berlin. Sie kamen aus Koskenkorva, einem Ort, der einem finnischen Kornbrand den Namen gab. Vor diesem Getränk muss ich warnen, es ist mit einem Alkoholgehalt von bis zu 80 % im Handel und rumpelt ordentlich im Kopf. Als ich es in Finnland testete, ging danach ein Bügeleisen zu Bruch.

Meine erste Befürchtung, dass die BesucherInnen durch langjährigen Genuss des Getränks ihres Dorfes gezeichnet sind, bewahrheitete sich nicht.
Sie waren so zivilisiert, dass ich sogar mit ihnen ins Restaurant gehen konnte ohne aufzufallen. Man / frau trank Cola und Bier.

Noch nicht einmal füllten sie aus der Taschenflasche Wodka hinein. Ich war angenehm überrascht. Es bewahrheitete sich, dass Vorurteile blöd sind.
Später besuchten wir mit ihnen ein Konzert eines brasilianischen Songwriters im Heimathafen Neukölln. Marcelo Camelo sang in der Reihe "Novas Vozes do Brazil", begleitet von Thomas Rohrer an der Rabeca. Die Rebeca ist eine Art Geige, hauptsächlich in Portugal und Brasilien gespielt. Sie wird aber an die Brust, nicht an den Hals gedrückt.


Marcelo Camelo scheint aber keine so neue Stimme zu sein, wie der Name der Konzertreihe suggeriert. Zumindestens die reichlich anwesenden BrasilianerInnen sangen alle Texte komplett mit. Mir gefiel das ausverkaufte Konzert sehr gut.