Der letzte Tag in Venedig.
Am Morgen trennten M1ao und ich uns, sie fuhr weiter in Richtung Griechenland.
Mich brachte gegen 10:00 Uhr ein Boot zum Marcus Platz.
Da ich immer noch nicht kulturmüde war besuchte ich dort zuerst einen Pavillon, der in der ehemaligen Chiesa di Santa Maria della Pietà untergebracht war.
Der zweite Kunstflug führte in die Militärkaserne Presidio Militare Caserma “Cornoldi”, wo auch wirklich lebendige Soldaten herum liefen. Die Ausstellung wurde im Hof präsentiert.
Philippe Pastor, The Sky is Watching the Earth, Mischtechnik
Philippe Pastor, The Sky is Watching the Earth, Mischtechnik
Mir blieben noch ein paar Stunden Zeit, um die Stadt zu erkunden. Zuerst nutzte ich das Vaporetto von der Station San Marco, um im Zickzack die Lagune zu überqueren.
Die Anlaufpunkte lagen im Wechsel auf den Inseln Giudecca und Venedig.
Für mich als Liebhaber von Schiffsfahrten war dies sehr vergnüglich.
Das Wetter spielte mit, die Cafes am Ufer waren gut besucht und Menschen gingen in die imposanten Kirchen mit Bootsanleger.
In der Nähe der Landungsbrücken für die Kreuzfahrtschiffe stieg ich aus.
Ich plante noch eine Fahrt auf dem Canale Grande.
Da erreichte mich ein Anruf von M1ao, sie teilte mit, dass sie meinen Ausweis in ihrem Gepäck entdeckt hatte.
Leider bestehen die Flughäfen darauf, dass man / frau ein Dokument mit Foto vorzeigen kann, doof wenn es fehlt.
Zum Glück hatten wir eine zündende Idee, M1ao suchte ein Faxgerät zum Senden, ich fand eines zum Empfangen in einem Hotel, so hielt ich wenig später eine ziemlich dunkle Kopie meines PA in den Händen.
Trotzdem war mir der Tag etwas verhagelt.
Da half auch nicht, dass die Sonne herauskam. In Erwartung einer schwierigen Aufgabe ging ich zum Bahnhof.
Die Tauben am Bahnhof waren glücklicher als ich, fliegen können die auch ohne Pass.
So saß ich sauertöpfisch vorm Bahnhof, las ich im Katalog der Biennale und wartete auf den Zug.
Ich ließ den Reigen der Kunstwerke noch einmal Revue passieren.
Mein Abflughafen war noch weit, um den Aeroporto Internazionale Orio al Serio
bei Bergamo zu erreichen, benötigte ich noch 3,5 Stunden. Der Vorteil, für wenig Geld zu fliegen, war durch den Preis der Bahn- und Busreise wett gemacht.
Nach einigem Hin und Her gelang es mir, dass Ryan Air mich nach Berlin mitnahm. Da störte es dann auch nicht mehr, dass sich das Flugzeug 2,5 Stunden verspätete und das ich das Gefühl hatte bei einer Kaffeefahrt dabei zu sein. Fünf mal wurden Waren angeboten und das in Englisch, Deutsch und Italienisch. Langweilig wurde mir dabei nicht.
Nach der wieder mal langwierigen Tour von Schönefeld bis Steglitz war ich dann irgendwann glücklich daheim.
Am Morgen erfuhren wir, dass im Land der öffentliche Nahverkehr bestreikt wird. Die Italiener nennen so was Sciopero. Einen Arbeitskampf für bessere Arbeitsbedingungen unterstütze ich natürlich, doch wenn es mich trifft, nervt es schon etwas.
Doch die Gewerkschaft erlaubte einen Notfahrplan zu den Inseln, so dass unsere Ankunft bei der Biennale nur verzögert wurde.
Wir gingen nach dem Frühstück zu Fuß zur Anlegestelle und nutzten die Gelegenheit, das Wetter spielte mit, den Strand zu besichtigen.
Das Rhinozeros oben von Stefano Bombardieri bewachte den Eingang zum Blue Moon. Dieses Eingangsgebäude zum öffentlichen Strand wurde 1996 nach Plänen des genialen Architekten Giancarlo De Carlo gebaut.
Von dort aus liefen wir über Grand Vale Santa Maria Elisabetta, vorbei an der Luxusherberge Grande Albergo Ausonia und Hungaria on Venice, auf die andere Seite der Insel zur Vaporeto Station, von der wir dann über den Laguna di Venezia in die Stadt fuhren.
Wir wollten zu den Giardini, dort befinden sich die nationalen und der zentrale Pavillon der Biennale, nach einem streikbedingten Fußmarsch von Sankt Marco erreichten wir diese.
Die Pavillons, Kinder ihrer Zeit, hier der Schweizer, sind architektonisch sehr unterschiedlich gestaltet. Manche im Internationalen Stil, andere expressionistisch mit Art Deco Elementen oder neoklassistisch, wie es die Deutschen im 3. Reich liebten.
Die Fotos der Kunstwerke ordne ich nach der Reihenfolge meiner Wanderung.
das Künstlerpaar Elmgreen / Dragset, sie schufen das Denkmal für die von Deutschen zwischen 1933 - 1945 getöteten Homosexuellen, gestalteten zwei nebeneinander liegende Pavillons. Unter dem Motto The Collectors stellten sie Sammler vor.
1. Haus
Hier "wohnte" eine begüterte Familie, es steht zum Verkauf und die Sachen sind teilweise gepackt. Sammlungen von Motivtellern und Insekten fanden sich hier.
Kleine Schäden sind vorhanden
Ein Bettler aus Berlin war auch dabei
Die Küche ist noch zu verpacken
2. Haus
Hier "wohnte" ein schwuler Kunstsammler. Der sammelte nicht nur Kunst, sondern auch Unterhosen seiner Eroberungen.. Was seinen Tod verursachte bleibt im Dunkeln.
Als Wasserleiche
Seine Spielwiese
RUSSLAND
präsentierte Beeindruckendes. Am besten gefiel mir die "Geisterbahn" im Keller. Dort wurden in düsteren Holzverschlägen beim Vorbeigehen Funzeln eingeschaltet und Hände in leeren Jacken bewegten sich. In letzten Raum malte ein mechanischer Maler Kreise.
Goscha Ostretsov, Art Life ou les tourments de la création, 2009, Installation, Mixed Media
Irina Korina, Fountaine, 2009, Installation, Mixed Media
JAPAN
naja, die Künstlerin ließ es krachen. Riesige Fotos, darauf Frauen mit riesigen Brüsten.
Miwa Yanagi – “Windswept Women: The Old Girls’ Troupe”, 2009, Fotoinstallation
GERMANIA
nö, eine sabbelnde schlecht zu verstehende Katze auf einer Küchenzeile in einem ansonsten leeren Raum.
Liam Gillick – „Wie würden Sie sich verhalten? Eine Küchenkatze spricht“, 2009, Installation
ISRAEL
ein wenig altbacken, "nur" Malerei wurde ausgestellt, aber sehenswert.
Raffi Lavie – „In the Name of the Father“, das Werk aus 40 Jahren.
AUSTRALIEN
hier hat ein Autoschrauber Raum bekommen sich mal richtig auszutoben. Und ein totes Känguru tritt auch auf.
Shaun Gladwell, Relikte aus Planet and Stars Sequence: Barrier Highway, 2009, Installation, Video
USA
nur ein Künstler aber vielfältige Aspekte. Nicht alles funkte in meinem Kopf.
Bruce Naumann, Fifteen Pairs of Hands, 1996, Bronzeskulpturen
Bruce Naumann, Three Hads Fountain, 2005, Expoxydharz und Fiberglas
Bruce Nauman, The True Artist Helps the World by Revealing Mystic Truths (Window or Wall Sign), 1967, Neon
KANADA
ambitioniert, die Themen Gewalt und Armut in der Stadt wurden angesprochen. Leider nur in Videos, bei der angebotenen Menge Kunst war bei mir Lust Filme zu schauen gering und Videos sind nicht fotogen.
FRANKREICH
der Künstler verarbeitete wohl seine Knasterfahrungen. Die von ihm, laut Interview gewünschte, Magie stellte sich nicht ein, auch wenn die Flagge der Anarchie hinter den Gittern flatterte.
ÄGYPTEN
Künstler aus diesem Land stehen einer Oligarchie gegenüber, die sich mit einer Kombination aus Zuckerbrot (Vergünstigungen) und Peitsche (Knast und Folter) an der Macht hält.
Trotzdem wird ihnen ein kleiner Spielraum gelassen, doch bei einer von der Regierung finanzierten Ausstellung war Kritik nicht zu erwarten.
Doch sah ich hier das anrührendste Liebespaar der Biennale.
Ahmad Askalany, Leggermente monumentale, Skulpturen aus Palmblättern
Ahmad Askalany, Leggermente monumentale, Skulpturen aus Palmblättern
BRASILIEN
ist vielfältig und bunt. Das kann man / frau nicht nur hören.
Delson Uchoa, Arbeiten 1994-2008, Acryl auf Leinwand, Holz und Zellophan
GRIECHENLAND
Gibt es Korruption, Geldverschwendung, Jagd auf Flüchtlinge, schießwütige Bullen? In diesem Pavillon jedenfalls nicht!
UNGARN
ein spannendes Experiment über Menschenbilder und die Bilder von ihnen.
Peter Forgas, "Col Tempo", The W.-Project, Multimedia
URUGUAY
hier sah ich tolle Collagen. Bunte Ausschnitte von gedrucktem werden zu neue ausdrucksstarken Einheiten zusammen gestellt.
Juan Burgos, Nuestro Amor, 2009, Papiercollage, 122x202cm
VENEDIG
als letzten, aber nicht uninteressanten Pavillon, besuchte ich den der Stadt. Hier wurden exellente Kristallglas Arbeiten gezeigt.
Have a break, have a coffee. M1ao erwartete mich im Cafe des Zentralen Pavillons. Dieses war auch Kunst und der Schöpfer hatte einen "Goldenen Löwen" dafür erhalten. Tobias Rehberger hat diesen meiner Meinung nach verdient
DER ZENTRALE PAVILLON
hier war wieder unter dem Motto: Weltenmachen ein Zusammenstellung anzuschauen. Trotz der sich langsam einstellenden Müdigkeit tauchte ich noch mal ins Kunstmeer ein.
Tomas Saraceno, Galaxy forming along filaments, like droplets along the strands of a spider´s web, 2008, elastische Seile
Simon Starling, Wilhelm Noack oHG, 2006, 35mm-Film, Loop
Uff, das war´s für den Tag mit Kunst.
Als ich einen Blick hinter die Pavillons in den Gardinis warf, traf ich auf einen Müllplatz. Das war keine große Kunst.
Eher wie ein Wald in der DDR nach der Einverleibung. Wir nutzten das gute Wetter und zogen weiter.
Venedig wurde seinem Ruf als bezaubernder Ort mit Wasseranschluss mehr als gerecht.
Ein Spaziergang an der Laguna di Venecia bietet tolle Fotomotive.
Wegen des Streiks schlugen wir uns zu Fuß zur Rialto Brücke durch.
Doch auch beim Spaziergang durch die Stadt konnten wir der Kunst nicht entrinnen.
Nachdem wir mal wieder mit Regen belegt wurden, aßen wir noch irgendwo irgendwas und fuhren zum Hotel.
Beim mittelmäßigen Frühstücks Büfett genossen wir den tollen Blick aufs Meer.
Gut sah das Wetter nicht aus, so zogen wir die Regenjacken an und freuten uns, dass an diesem Tag der Besuch im Arsenal angesagt war, dort wurde uns durchgängig Überdachung geboten.
Dieses war in der Dogenzeit die Werft für die Schiffe der Seemacht. Mit einer für die damalige Zeit hoch entwickelten Arbeitsteilung, konnten im Krieg gegen die Osmanen 1570 in zwei Wochen 100 Galeeren gebaut werden.
Mit der Flotte kontrollierte sie das Mittelmeer und so wurde die Stadt mächtig durch Handel mit Slawen (Sklaven) und Salz. Durch die geografisch günstige Lage konnten die reichen Venezianer über 1000 Jahre die Stadt beherschen.
Heute sind die Venezianer schlechter organisiert. Ich stand 30 Minuten im Regen, um Karten für uns zu kaufen. Nach Zahlung von je 18 € Eintrittsgeld durften wir die Biennale 2009 betreten.
Schon jetzt muss ich sagen, es hat sich 1000%ig gelohnt. Zuerst besuchten wir das Cafe mit angeschlossenem Buchhandel. Hier waren die Preise selbst für kleinste Souveniers so hoch, dass wir nichts kauften, aber eine kleine Pause mit Kaffee genossen wir.
Wir begannen unseren Sehweg in der von Daniel Birnbaum kuratierten Hauptaustellung mit den Titel Welten machen.
Die dort entstandenen Schnappschüsse wählte ich nach eigenem Gusto aus und die Reihenfolge entspricht unserem Fußmarsch. Ich beschreibe sie nicht, aber die / der KünstlerIn und wenn möglich der Titel wird benannt.
Simone Berti, 2008 - 2009, Graphit + Kohle auf Papier
Jan Hafström, The eternal Return, 2003, Acryl auf MDF Platte
Weiter gingen wir in die italienische Halle, die unter dem Titel COLLAUDI. Omaggio a F. T. Marinetti steht. Dieser war Begründer des Futurismus und ein überzeugter Faschist an der Seite von Musollino. Hat Berlusconi, der ja gerne den Faschismo relativiert, an dieser thematischen Vorgabe mitgearbeitet? Kritik wurde in dieser Halle nicht geduldet. Trotzdem war auch Spannendes und Anrührendes zu sehen, wie z.B. das Video von Valero Berruti.
Unser "Pflicht" Programm war damit erledigt. Kurze Blicke in die Räume der Vereinigten Arabischen Emirate, der Türkei und der VR China erwiesen sich als überflüssig.
Wir schauten noch einmal auf den Hafen, um einen kleinen Stadtbummel zu beginnen.
Die engen Gassen, weit weg vom Touristen Rummel, haben es mir angetan. Ich vermute allerdings, dass die Einwohner Geld vom Fremdenverkehrs Amt für das Heraus- hängen von Wäsche erhalten. Weshalb sollten sie sie sonst auch im Regen draußen lassen.
Ein schönes Fotomotiv bot mir das Ensemble mit einem Heiligen Bild und dem Büro der Kommunistischen Partei Italiens. Ob dies auch nur als Touristenmotiv erhalten bleibt?
Leider pieselte es regelmäßig immer wieder, so dass sich längere Spaziergänge verboten.
Ganz ohne Kunst hielten wir es dann doch nicht lange aus. Wir besuchten im Vorbeigehen einen kleinen Ableger des australischen Biennale Auftritts in der Ludoteca (Kinderzentrum) Santa Maria Ausliatrice.
Ausklingen ließen wir den Abend im Restaurant Giorgione in der Via Garibaldi. Hier wird lecker Fisch gekocht, und das Preisniveu bewegt sich in zivilen Grenzen, wenn der Wirt Lust hat, singt er auch noch.
Also hingehen und geniessen.
Nach einem schönen Tag fuhren wir wieder mit einen Vaporetto ins Hotel.