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Schwuler Bock, lesbische Rieke und auch das Queere wird nicht vergessen...

25.05.2017

Nun wohne ich schon seit Jahren hundert Meter vom Schwulen Museum Berlin entfernt, da fällt mir keine gute Entschuldigung ein, weshalb ich es bisher nie besucht habe.
Homophobie läßt sich bei meiner Freundin und mir wohl ausschließen. Eher so ein Motiv wie, es ist ja um die Ecke und läuft nicht weg.
Diesmal hatten wir den Sonntag lang geschlafen und uns beschlich das Gefühl: Ein bisschen Kultur passt noch rein.


So machten wir uns zur Lützowstr. 73 auf, berappten zusammen 15 € und ließen uns teilweise begeistern.


 Ein ständiger Bestandteil informiert zur Geschichte der Schwulen und Lesben in Berlin. Nicht weit vom "Sündenbabel" rund um den Nollendorfplatz gab und gibt es genug Orte, die vorgestellt wurden. Eine Menge Fotos und Plakate bezeugen viel vom Trubel, der dort in den 20er Jahren herrschte. Es wird aber auch vom staatlichen Kampf gegen Homos und Lesben berichtet, Die Zeit als die Deutschen, neben dem durch Rassenwahn Judenmord verursachten,  "Abartige" ins KZ steckten und ermordeten, wird ausführlich dargestellt.
In abgemildeter Form setzte sich die Homophobie fort, nachdem Deutschland besiegt war. Der Schwulenparagraf §175 hatte Bestand und brachte tausende in den Knast. Erst durch die Revolten in den USA (siehe die Straßenschlacht in der Christopher Street gegen die Polizei) entwickelte sich ein neues Selbstbewusstsein der Schwulen. So ist die heutige relative gesellschaftliche Akzeptanz zu erklären.
Doch das Aufheulen von NPD, AfD und großen Teilen der CDU nach der Zustimmung des Bundestages zur gleichgeschlechtlichen Ehe zeigt, dass noch immer Widerstände existieren, die gebrochen werden müssen.

Eine spannende Sonderausstellung beschäftigte sich mit dem Einfluss von Simone de Beauvoir auf die Frauenbewegung.
In ihr wurden zusammengestellte "weibliche" Gegenstände mit Zitaten der Philosophin konfrontiert. Ihr Satz: "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es." räumte endgültig mit dem Schwachsinn auf, dass die Geschlechtertrennung biologisch bestimmt ist.
Diese ist noch bis zum 28.08.2017 zu sehen.


Eine andere Abteilung, die ihr leider nicht mehr anschauen könnt, mit dem Titel "ğ – queere Formen migrieren" zeigte Arbeiten von LSBTIQ*-Menschen zwischen der Türkei und Deutschland. Hier war auch Selbstironisches und Witziges zu sehen. Ein schwuler Friseur (sind nicht alle türkischen Friseure schwul?) schnitt BesucherInnen live die Haare.

Der letzte Abteilungsteil langweilte mich eher. Irgendjemand hat ein schwules Mitglied des Wagnerclans ausgegraben und fand das sensationell. Abgesehen davon, dass mir der ganze Bohei um diese Familie suspekt ist, der Komponist war ein bekennender Judenhasser und seine Musik ist mir zu kitschig, weiss doch mittlerweile jedes Kind, dass es immer in allen Gesellschaftsschichten Schwule gab.

Bevor wir die Ausstellung verließen, genossen wir im hübschen Garten noch alkoholischen Traubentrunk.
Der einzige Wermutstropen im Museum ist, dass fotografieren verboten ist. Ich habe mich nicht daran gehalten. Wollt ihr lieber Textwüsten?
Trotzdem besucht das Museum, Schwule beißen nicht!



Unter afrikanischen Bäumen groovt es ordentlich

12.05.2017

Das Orchesta Baoab, benannt nach einem Club in Dakar, der nach dem in Afrika hoch geehrten in Deutschland Affenbrotbaum genannt wurde, hat eine lange wechselvolle Geschichte.
1970 gegründet gehört es zu der ersten Generation des Afrobeat.
Dieser Musikstil wurde damals von Fela Kuti und Tony Allen geprägt. Er ist eine Mischung aus Funk, Jazz und Highlife.

Afrobeat entstand in Nigeria, dass Orchestra aber aus dem Senegal. In ihre Musik flossen natürlich lokale Einflüsse ein. Gemeinsam war den damals international bekannt werdenen Bands, dass sie am Anfang ihren Lebensunterhalt dadurch verdienten für Weiße in Bars zu spielen.
Bei ihrem Auftritt im Berliner Club Gretchen traten die Baobabs mit einem fetten Bläsersatz und Kora auf. Trommel und Schlagzeug sorgten für einen treibenden Beat.

1987 löste sich die Band auf, um sich 2001 zu reunionieren.Die meisten Musiker auf der Bühne waren über sechzig Jahre alt. Einer war so gebrechlich, dass er gestützt werden musste. Mit ihrem hohen Alter sind sie so etwas der Buena Vista Sozial Club Afrikas.
Aber Holla, die Band ging ab wie Luzie. Nach kurzer Zeit tanzte der ganze ausverkaufte Saal.
Die 30 Euro für den Eintritt waren gut angelegt. Ich fuhr ganz beschwingt Heim.


Kunstsüchtige

30.04.2017

Wer irgendwas mit Kunst zu tun hat, für den / die ist das Berliner Gallery Weekend Pflicht. Alle Kunsträume der Stadt sind geöffnet und in den Innenstadt Bezirken stolpert man / frau über sie.
Da im Umkreis um meine Wohnung viele Galerien konzentriert sind, brauchten wir nur das Haus verlassen, fünfzig Meter laufen und wir waren im Kulturrummel in der Pohlstrasse.

1. Galerie Tanja Wagner


Kapwani Kiwanga ist eine kanadische Künstlerin die dieses Mal große in der Mitte geteilte Farbflächen unter dem Titel Linear an die Wände hängte.
Die Bilder sind groß und  sehr dekorativ, aber auch ein wenig langweilig.
2. ep.contemporary

Hier waren alle KünstlerInnen der Minigalerie an einer Wand gehängt. So viel verschiedene Kunst auf kleiner Fläche nennt man / frau Petersburger Hängung.
Unter den Ausstellenden war auch eine Bekannte. Sabine Wild stellte Fotos von leeren Zookäfigen aus.
Vor der Tür gab es Kunst zu miterleben.

Draußen durfte Mensch seinen Kopf in einen Karton stecken, der als  Lochkamera funktionierte. Meine Liebste konnte so die Welt verkehrt herum betrachten.
3. Galerie Mazzoli

Sie liegt etwas abseits und auch noch im zweiten Stock eines Gründerzeit Hauses. Hier müssen einstmals gut betuchte Menschen gewohnt haben. Die Räume sind sehr großzügig.
Zu sehen war eine Einzelausstellung von Andreas Lutz unter dem Titel I_AM / Interfered accessed memories, mit abstrakten Grafiken, Videos und einer abgefilmten Performance. 
4. Offene Studios in der Blumenthalstr. 8

Dort fanden wir ein Webstudio und das Fotoatelier von Frederike von Rauch.
An den Webstühlen arbeiten ganz klassisch Frauen. Leider ist selbst in den Kunstschulen textiles Gestalten weiblich determiniert. Ganz selten nutzt ein Mann diese Technik.
Die ausgestellten Teppiche waren jedoch sehr ansehnlich.

5: Kunsthaus Pohl 11
In den Bögen unter den Gleisen der U2 zwischen Gleisdreieck und Bülowstrasse haben sich verschiedene KünstlerInnen und Kleingewerbe angesiedelt. Wir waren schon öfter dort gewesen, z.B. am 1. Mai 2016. Wir schauten nur kurz in die Ateliers, ich war hauptsächlich gekommen, um eine Bratwurst zu genießen.
6. Gallery Tanja Leighton

Hier bekamen wir Gemaltes von Van Hanos unter dem Titel Awake at the Funeral zu sehen.Seine Mischung von Realismus mit surrealen Momenten fand ich sehr gelungen.
Einiges war mir jedoch zu plakativ.

7. Galerie WNTRP

Foto: WNTRP
Selbstporträts der südafrikanischen Fotografin Zanele Muholi waren dort unter dem Motto Somnyama Ngonyama ausgestellt.
Sie selbst als Schwarze hat sich per Blackfacing noch schwärzer gemacht und sich spielerisch mit Accessoires geschmückt.
8.  Galerie Judin


Hugo Willson  als Gegenwartskünster mit Tierbildern gemeinsam mit den bizarren Zeichnungen des Char­les-Frédéric Soehnée auszustellen war genial.
Soehnée malte wohl nur zwei Jahre zwischen 1817 und 1819 und die Werke Willsons entstanden aus der Auseinandersetzung mit dessen Arbeiten.

9. Kehrer Galerie

Im Ableger eines Fotobuch Verlages werden natürlich selbige gezeigt.

Nancy Baron lichtete unter dem Titel American Dessert Dreams das Leben in den USA so ab, wie sie es sieht.
Ihre Motivwahl ist sehr gelungen und ihr fotografischer Blick präzise. Ich war begeistert.

Fotos: Irmeli Rother

Naturjazz


25.04.2017

Im Rahmen des in Bremen stattfindenden Jazzahead Festival trat eine finnische Band in der Landesvertretung Bremens auf. Dafür dass Bremen chronisch pleite ist, haben sie einen schicken Neubau ins Botschaftviertel gesetzt. Aber als Berliner soll man die finanziellen Probleme anderer Bundesländer besser nicht ansprechen. Den an die Wand gefahrenen BER müssen ja wohl noch zehn Generationen bezahlen. Ist fast so nachhaltig wie der Atommüll.

Es war besser den Musikern zu zuhören. Die Gruppe Virta besteht aus Antti Hevosmaa Trompete und Keyboard, Erik Fräki Drumms, Heikki Selamo Gitarre, die es schaffen mit ihren Klangteppichen die Landschaften Finnlands lebendig zu machen. Ihr Name ist wohl eine Reminiszens an den Tangosänger Olavi Virta.

Drei ihrer überzeugenden Titel könnt ihr hier testen.
Wer mag kann ihre erste CD HOMUS bestellen. Die drei Jungs spielen jeweils Schlagzeug, Bass und einer Keyboard und der ist auch für die Loops zuständig. Wenn sie zusammen bleiben werden sie sicher eine glänzende Zukunft haben und ihr werdet noch von ihnen hören.

Schrippe wie Bitte

22.04.2017

Wie man eine Bar Schrippe Hawaii nennen kann?!?
Ist wohl am ehesten im finsteren Neukölln möglich, da wo eine Kneipe Ä heißt. Wobei die Schrippe eher ein Veranstaltungsort ist. Er liegt im zweiten Stock eines Fabrikgebäudes im Industriegebiet hinter dem Neuköllner Schifffahrtskanal in der Zigrastrasse 11.
Die Inneneinrichtung wirkt improvisiert, die Chickis aus Mitte finden hier eher nicht hin, aber das ist nicht schade.

Die Band des Abends hieß Tiliboo Afrobeat. Der schwarze Frontmann Omar Diop, eine echte Rampensau und ein guter Animator, stand vorn. Hinter ihm fünf Weiße.
Dies waren:  Felix Gibaud: alto sax, Nick Morrison: electric guitar, Conor McNally: keyboards, Charlotte Birkenhauer: electric bass, Sebastian Maschat: drums.
Die Band groovte gut mit Speed den Afrobeat.
Ich tanzte mir die Füße rot und war glücklich, als ich mich um 2 Uhr nach Hause bewegte. 8 € für den Gig waren gut investiert.




Frauen an die Kunst

17.04.2017

Eine Künstlerin des Blauen Reiters ist die Namenspatronin für den Gabriele Münter Preis. Ihre Bilder wurde durch diese Künstlergruppe bekannt. 
Gabriele Münter war eine der ersten Frauen, die im deutschen Kaiserreich eine Malschule besuchte.

Nach der Aufhebung des Verbots für Frauen an Kunstakademien zu studieren, wechselte sie an die Phalanx Schule, dort wurde sie von Wassily Kandinsky unterrichtet und seine Geliebte. Ihre Kunst war damals stark durch ihn beeinflusst.

Die Preisträgerinnen sind ausschließlich Frauen über vierzig. So macht euch auf dezidierte weibliche Kunstansichten gefasst.
Da sitzt frau auch mal breitbeinig mit offener Hose und MP in der Hand auf einem Stuhl. (Ulricke Rosenbach)
Die Liste der Preisträgerinnen seit 1994 liest sich wie ein Who is Who feministischer Künstlerinnen:
Gudrun Wassermann, Thea Richter, Valie Export, Rune Mields, Cornelia Schleime, Ulrike Rosenbach, Christiane Möbus, Beate Passow erhielt ihn 2017.

Diesmal wurden in der Akademie der Künste neben der Preisträgerin Arbeiten folgender Künstlerinnen gezeigt:
Franca Bartholomäi, Tremezza von Brentano, Nezaket Ekici, Mane Hellenthal, Margareta Hesse, Verena Kyselka, Ute Lindner, Anja Luithle, Alice Musiol, Eva von Platen-Hallermund, Sibylle Prange, Vera Röhm, Christine Rusche, Heike Ruschmeyer, Corinna Schnitt, Uta Schotten, Rose Stach, Melanie Wiora, Uta Zaumseil sowie Gabriele Münter und Valie Export und Ulrike Rosenbach.


Einen eher ironischen Kommentar zum Versuch von Frauen die Karriereleiter zu erklimmen stellte die roten Damenschuhe dar, die immer wieder nach oben "kletterten", aber oben angekommen wieder abwärts rutschten. Die kinetische Skulptur stammt von Anja Luithle. Ein wenig mag Sisyphos Pate gestanden haben. Die Arbeit fanden wir beeindruckend.
Die Preisträgerin Beate Passow transportierte eher komplexe Inhalte in ihren Werken.
So spielte sie in einem Video und mit Fotos mit der Angst vor Burka und Hijab.


Sehr klug fand ich auch ihre Zusammenstellung von Fandungsplakaten nach TerroristInnen, die sehr eindrücklich klar machte, wie verwaschen der Begriff ist. So wurde auf einem Plakat nach den späteren israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin gesucht. Der hatte mit einer bewaffneten Gruppe das internationale Hotel King David in die Luft gesprengt und dabei 91 Menschen umgebracht. So schnell wird man vom Terroristen zum Staatsmann.



Sehr beeindrucken fand ich die großformatigen Papierschnittarbeiten von Franka Bartholomäi, sie erstreckten sich über eine ganze Wand.
Die unter dem Titel "TRAUMA – Der vierte Rauch" entstandene Arbeit hängt sonst im Goethe-Institut Washington. Sie ist mit ihren surrealen Figuren wohl einem sehr düsterem Traum entsprungen. Die Arbeit ist mit ihren Ausmaßen vier mal zehn Metern sehr aus dem Rahmen fallend.
Ich dokumentierte einen Ausschnitt.

Ästhetisch sehr reizvoll und dem Thema sehr gut angepasst projizierte Verena Kyselka ihre Videoarbeit auf Sand.
Unter dem Titel Omani Song Book hatte sie Gesänge von omanischen Nomaden aufgezeichnet.
Diese leben bisher in Zelten und noch nicht in den wachsenden Städten.

Wie um die Festschreibung der Frau durch das Patriarchat "den Frauen ist gegeben zu weben und zu hegen" (Programm der NSdAP) zu karikieren, webte Rose Stach einen Teppich, auf dem sie eine Panzerhaubitze abbildete. Vielleicht ist mein Traum von rebellischer Kunst  falsch, aber diese Art liebe ich.