Nun wohne ich schon seit Jahren hundert Meter vom Schwulen Museum Berlin entfernt, da fällt mir keine gute Entschuldigung ein, weshalb ich es bisher nie besucht habe.
Homophobie läßt sich bei meiner Freundin und mir wohl ausschließen. Eher so ein Motiv wie, es ist ja um die Ecke und läuft nicht weg.
Diesmal hatten wir den Sonntag lang geschlafen und uns beschlich das Gefühl: Ein bisschen Kultur passt noch rein.
So machten wir uns zur Lützowstr. 73 auf, berappten zusammen 15 € und ließen uns teilweise begeistern.
Ein ständiger Bestandteil informiert zur Geschichte der Schwulen und Lesben in Berlin. Nicht weit vom "Sündenbabel" rund um den Nollendorfplatz gab und gibt es genug Orte, die vorgestellt wurden. Eine Menge Fotos und Plakate bezeugen viel vom Trubel, der dort in den 20er Jahren herrschte. Es wird aber auch vom staatlichen Kampf gegen Homos und Lesben berichtet, Die Zeit als die Deutschen, neben dem durch Rassenwahn Judenmord verursachten, "Abartige" ins KZ steckten und ermordeten, wird ausführlich dargestellt.
In abgemildeter Form setzte sich die Homophobie fort, nachdem Deutschland besiegt war. Der Schwulenparagraf §175 hatte Bestand und brachte tausende in den Knast. Erst durch die Revolten in den USA (siehe die Straßenschlacht in der Christopher Street gegen die Polizei) entwickelte sich ein neues Selbstbewusstsein der Schwulen. So ist die heutige relative gesellschaftliche Akzeptanz zu erklären.
Doch das Aufheulen von NPD, AfD und großen Teilen der CDU nach der Zustimmung des Bundestages zur gleichgeschlechtlichen Ehe zeigt, dass noch immer Widerstände existieren, die gebrochen werden müssen.
Eine spannende Sonderausstellung beschäftigte sich mit dem Einfluss von Simone de Beauvoir auf die Frauenbewegung.
In ihr wurden zusammengestellte "weibliche" Gegenstände mit Zitaten der Philosophin konfrontiert. Ihr Satz: "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es." räumte endgültig mit dem Schwachsinn auf, dass die Geschlechtertrennung biologisch bestimmt ist.
Diese ist noch bis zum 28.08.2017 zu sehen.
Eine andere Abteilung, die ihr leider nicht mehr anschauen könnt, mit dem Titel "ğ – queere Formen migrieren" zeigte Arbeiten von LSBTIQ*-Menschen zwischen der Türkei und Deutschland. Hier war auch Selbstironisches und Witziges zu sehen. Ein schwuler Friseur (sind nicht alle türkischen Friseure schwul?) schnitt BesucherInnen live die Haare.
Der letzte Abteilungsteil langweilte mich eher. Irgendjemand hat ein schwules Mitglied des Wagnerclans ausgegraben und fand das sensationell. Abgesehen davon, dass mir der ganze Bohei um diese Familie suspekt ist, der Komponist war ein bekennender Judenhasser und seine Musik ist mir zu kitschig, weiss doch mittlerweile jedes Kind, dass es immer in allen Gesellschaftsschichten Schwule gab.
Bevor wir die Ausstellung verließen, genossen wir im hübschen Garten noch alkoholischen Traubentrunk.
Der einzige Wermutstropen im Museum ist, dass fotografieren verboten ist. Ich habe mich nicht daran gehalten. Wollt ihr lieber Textwüsten?
Trotzdem besucht das Museum, Schwule beißen nicht!
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