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Trocken im Regen N°1

11.07.2013


Ich reiste mit der Liebsten über Nürnberg nach Regensburg. Diesmal benutzte die Deutsche Bahn die Ausrede "Die Jahrhundert Flut". Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Maulwürfe in der Bahn versuchen zu beweisen, wie schwachsinnig es ist Staatsaufgaben zu privatisieren und auf Profitmaximierung auszurichten.
Gut, wir bekamen einen Teil vom Ticketpreis erstattet, aber das Rumsitzen auf Bahnhöfen ist nicht gerade erheiternd.

Doch in Nürnberg bescherte uns der verpasste Anschlusszug Zeit zu einem Stadtbummel.
In der Unterführung zur Altstadt entdeckten wir dieses Schaufenster. Doch weshalb wird Ersatzhaar an so exponierter Stelle angeboten? In Berlin liegen ähnliche Geschäfte eher versteckt.

Sind die NürnbergerInnen so eitel, dass sie sich das Haupthaar scheren um schicke Perücken aufzusetzen? Das konnten wir nicht klären.
Dafür wissen wir jetzt wo es die besten Brezeln der Welt gibt. Bei bei Brezen Kolb schmecken sie unvergleichlich gut.
Alleine dafür lohnt ein Besuch der Stadt.

Doch unser Ziel war Regensburg. Die zweite Station unser Erkundungsreise von alten römischen Kastellen. Das hieß einstmals Castra Regina und beherbergt die 3. Italienische Legion. Römische Soldaten, wie in Köln, stehen dort zwar nicht rum, aber ihre Gene haben sie wohl großzügig verteilt.

Viele Regensburger sehen leicht italienisch aus.
Zwei Irrtümer über die Stadt möchte ich korrigieren.
- Es regnet nicht ständig. In Bayern fällt dort der geringste Niederschlag.
- Die Donau fließt hindurch, der Regen mündet nah dabei in die Donau.

Die Brücke hat ihren Ursprung im Mittelalter, als Regensburg eine bedeutende Handelsmetropole war und mit ihrer Hilfe Zoll für die Donau Überquerung verlangen konnte. Ebenfalls konnten Schiffe aufgehalten werden, die auch für die Passage bezahlen mussten.
So wurden die großen Plätze und der Dom finanziert.

Wie italienverliebt die Handelshäuser der Stadt waren, zeigt sich an den Patriziertürmen nach lombardischen Vorbild, die in der Stadt zu finden sind. Dabei galt die Devise, je höher desto bedeutender.
Heute sind die adligen Blutsauger, derer von Thurn und Taxis, die letzten der alten Schmarotzer.

Wir waren jedoch dorthin gereist, weil der Sohn der Liebsten mit Freundin dort wohnt und an diesem Wochenende das Jazzferkel durchs Dorf getrieben wurde.
Das Jazzweekend fand statt. Überall wurden Bühnen aufgebaut und in Kirchen und Kulturhäusern musiziert.


Doch vor dem Ohrenschmaus liefen wir über die Steinbrücke, die ihr oben seht, nach Stadtamhof, um im Biergarten Alte Linde zu chillen. Dort gibt es lecker Speisen und Bier. Bei gutem Wetter ein bezaubernder Ort.

Doch das Radverbot am Eingang brachte mich zum Nachdenken.
So ein Schild sah ich in Berlin nie. In meiner Heimatstadt kommen nicht viele auf die Idee ein Rad mit in die Kneipe zu nehmen.


Ich persönlich nehme gerne meine Freundin oder Bekannte mit in den Biergarten. Mit einem Fahrrad kann man / frau schlecht reden und es trinkt kein Bier. Deshalb schließe ich es draußen an. Kann es sein, dass die Bayern lieber die Schlösser an Brückengeländer hängen und die Schlüssel ins Wasser werfen. Zuzutrauen wäre es den Zenzis und Josephs schon.

Zurück in die Stadt gingen wir dann mit den "Kindern" über die eiserne Fußgängerbrücke. Ähnlich wie Köln hat Regensburg für die Kitsch LiebhaberInnen Platz geschaffen. Leider ist Berlin in dieser Beziehung dusselig, bestrafen und verbieten nutzt nicht viel. Die Berliner Brücken werden trotzdem beschlossen.

Wir fanden mit den jungen Leuten vor dem Brauhaus Dicker Mann einen freien Tisch und speisten dort. Das Essen war leider so lala. Dann gingen wir recht früh ins Bett, nachdem wir seit vier Uhr auf den Beinen waren.

Wieder unterliegen alle unbezeichneten Fotos dem Copywrite von Irmeli Rother.

Trocken im Regen N°2

12.07.2013

Nach dem Frühstück schaute ich mit der Liebsten die Stadt an.
Regensburg ist schon ein sehr ansehnlicher Ort. Die Altstadt ist recht gut erhalten und dadurch, dass dort eine große Zahl Studenten wohnen, gibt es auch viele nette Cafes und Kneipen im Altstadtgebiet.
Fast jeder Blick war ein Foto wert.

Eisenguss, Sicht aus Stadtamhof








Orgel von St. Emmeran
Nach dem Stadtbummel gingen wir wieder über die Steinbrücke.

Diesmal beschauten wir das Kunsthaus Andreas Stadel. Im Haus befinden sich Ateliers, ein Kino, es finden regelmäßig Musik Veranstaltungen statt und es gibt das italienische Restaurant Akademiesalon im Erdgeschoss. Dort pausierten wir bei Kaffee und Kuchen.
Ein sehr schöner Platz.

In unserem Feriendomizil wartete ein Mahl auf uns. Der Sohn der Liebsten hatte gekocht.

Danach strebten wir zum Bismarckplatz, um Musik zu hören. Das Jazz Wochenende wird vom bayrischen jazzinstitut ausgerichtet.
Am mindestens zwölf Orten in der Stadt wird bei freiem Eintritt musiziert. Leider schwatzte der Regensburger Bürgermeister zur Eröffnung.

Er wurde dabei gefilmt. Wenn Politiker "unser" Geld verschenken und dann so tun, als wäre das ihr Verdienst, klatsche ich nicht sondern buhe. Witzig war die Reaktion der RegensburgerInnen darauf, es applaudierten zwar nur wenige, aber sie hatten es wohl nie erlebt, dass Politikern öffentlich das Misstrauen ausgesprochen wird.
BerlinnerInnen sind wohl nicht so devot.
Der Bismarckplatz war mit bestimmt fünfhundert BesucherInnen gut gefüllt, als das Konzert begann.


Das Landes Jugend Jazz Orchester Bayern gestaltete das Programm. Zuerst spielten die Jüngsten forsch auf, aber mit dem fortschreitenden Abend und dem Alter der Spielenden verbesserte sich auch die Qualität.
Auf dem Platz wurde die Stimmung fröhlich und ausgelassen.

Wein, Bier und Speisen und der milde Abend sorgten wie die Musik dafür. Der Jazz war auch recht eingängig, gecoverte Songs, eher im Swing und Pop Bereich angesiedelt.
Nach dem Ende des Open-Air Konzerts um 22:00 Uhr wechselten wir in das Kulturzentrum Leerer Beutel.

Die Gruppe Funkalarm aus Straubingen brachte den Saal zum Tanzen. Meine Beine wollten nicht still stehen. Vollständig verschwitzt ging ich heim.


Wieder unterliegen alle unbezeichneten Fotos dem Copywrite von Irmeli Rother.

Trocken im Regen N°3

14.07.2013


Am Morgen besichtigten wir das einzige Museum für Moderne Kunst der Stadt. Der Name Kunstforum Ostdeutsche Galerie klingt lächerlich und ist es eigentlich auch. Es wurde auf der Grundlage des Kulturparagraphen im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz eingerichtet. Sicher nicht aus Versehen in Regensburg, denn dort regiert die CSU, die versucht am rechten Rand Stimmen zu fangen. Dort orten sich auch viele so genannte Vertriebene.
Ihre Vorfahren gehörten zur deutschstämmigen Bevölkerung in Polen, Tschechien und anderen Ländern, die den deutschen Eroberern zujubelten. Sie beteiligten sich an der Vertreibung und den Pogromen gegen die anderen Bevölkerungsgruppen. Als sie dann am Ende des Kriegs nach Deutschland vertrieben wurden, wagten sie es sich trotzdem zu beschweren. In der alten Bundesrepublik bildeten sie gemeinsam mit der CSU, rechten Burschenschaft und Nazis den Block der Revisionisten. Diese wollten "Ostdeutschland" wieder zurück erobern. Diese Koalition erreichte, dass überall in Westdeutschland Denkmäler und Museen für sie gebaut wurden.


Aus diesem Sumpf stiegt auch das Kunstforum auf.
Zwar ist der Einfluss der Revisionisten inzwischen sehr gering geworden, doch das Museum ist immer noch mit dem Anspruch unterwegs, nur Kunst aus den verloren gegangenen Regionen zu zeigen. Das ist zwar schwachsinnig, aber zum Glück gibt es genügend gute KünstlerInnen, die irgendwie Wurzeln im Osten haben. Diese dürfen ins Haus.
So bekamen wir trotzdem gute Arbeiten zu Gesicht.

Tagesschau 2008
Die Sonderausstellung zeigte Jiří Georg Dokoupil, ein Künstler, der 1968 nach der Zerschlagung des Prager Frühlings durch den Warschauer Pakt mit seinen Eltern fliehen konnte.
Er gilt als Chamäleon der Kunstwelt.
Sein erster Raum enthielt Fernsehsequenzen digital in Streifen geklebt.


Santa Cruz 2007
Im Filmstreifen ist der Konkurrenzkampf verschiedener Pharmakonzerne bei einem Radrennen zu beobachten.
Im nächsten Raum zeigte er Zeichnungen durch Kerzenruß.
Dabei projizierte er Bilder an die Decke und "malte" sie mit Ruß nach.
So kreativ sind nicht viele KünstlerInnen. Dokoupil ist ein Suchender, will immer Neues entdecken. Andere finden ihren Stil irgendwann und halten den dann bis zum Lebensende durch.
Nicht umsonst gewann Dokoupil den wichtigen Lovis Corinth Preis 2012.

Transparente Eruption, 2010
Auch im letzten Raum überraschte er.
Hier hat er mit farbigen großen Seifenblasen experimentiert und versucht diese auf Leinwand zu platzieren.
In einem Video berichtete er von den Schwierigkeiten Seifenlauge mit Farbe anzureichern.
Das Ergebnis dieser Versuche begeisterte mich endgültig.

Im Rest des Hauses, in der ständigen Ausstellung, befindet sich jedoch auch noch ansehnliche Werke.

Magdalena Jetelova, Venceremos, 2006
Ilse Fehling, 1924
Nikolai Wassiljeff
Waldemar Otto, 1971
Mann zwischen Wänden
Lovis Corinth, 1904
drei Grazien
Renée Sentenis, 1930
Daphne
Robert Bednorz, 1924
stehendes Liebespaar
Franz Radziwill, 1928, Dorfeingang
Wieder draußen musste ich beim Ausgang auf die Liebste warten, leider nutzen immer mehr Grünämter den preiswertesten Anbieter, wenn es um die Möbelierung der Parks geht. Deutschland hängt ganz schön durch.


Auf dem Weg in unsere Unterkunft fanden wir an einer Kirche diesen Wegweiser nach Santiago de Compostela. Damit ich freiwillig so weit laufe, müsste ich schon etwas ordentlich an der Waffel haben. Eine Beleidigung der Katholischen Kirche und ihrer Würdenträger wäre mir nicht genug Motivation. Zumal ich das am Tag sicher zwanzig Mal in Gedanken tue. Das schleift sich ab. Außerdem glaube ich nicht an jenes höhere Wesen, dass wir verehren, dann gibt es für mich sowieso keine Erlösung.

Mögen Andere ihre Schuhsohlen auf dem Weg nach Spanien ablatschen.
Im Hausflur musste mir die Liebste jedoch mal wieder zeigen, wo der künstlerische Hammer hängt.
Ja, ich weiß, dass sie die bessere Fotografin ist! Stimmt doch, oder! Auserwählte können das Bild vielleicht im nächsten Jahr einen Monat lang bewundern.

Am späten Nachmittag besuchten wir ein Konzert in der Oswaldkirche.
Das Trio Emily´s Poetry zauberte eine wunderbare Stimmung in die Kirche. Vorgetragen wurden die Gedichte von Emily Dickinson mit musikalischer Begleitung. Maria Nikolayczik sang, Rolli Bohnes spielte Gitarre und Oliver Horeth Kontrabass.
Frau Dickson lebte im 19. Jahrhundert in den USA. Sie litt unter Depressionen, lebte recht isoliert in ihrem Haus und verfasste herrliche Lyrik.

Sturmnacht! - Sturmnacht!
Wär ich bei Dir,
Sturmnächte wären
Unser Pläsier!

Harmlos die Stürme
Dem Herzen im Port -
Wirf Deinen Kompaß
Und Karten fort!

Rudernd in Eden-
Meer bist Du mir!
Lasse zur Nacht mich
Ankern in Dir!
Wild nights - wild nights!
Were I with thee
Wild nights should be
Our luxury!

Futile the winds
To a heart in port -
Done with the compass,
Done with the chart!

Rowing in Eden -
Ah, the sea!
Might I moor
Tonight in thee!

Leider verstand ich die englischen Texte nur teilweise, bei Lyrik ist das oft besonders schwierig, besonders wenn das Englisch alt ist. Doch die gesungenen Gedichte schlichen sich auch in Englisch ins Ohr und ins Herz. Für Euch habe ich eine Übersetzung gesucht und gefunden.



Nachts ging es dann wieder zum Abhotten in den Leeren Beutel.

Wieder unterliegen alle unbezeichneten Fotos dem Copywrite von Irmeli Rother.

It´s never rain

14.07.2013

Am Sonntag ging der kleine aber feine Besuch in Regensburg zu Ende. Die jungen Leute hatten ein tolles Frühstücksörtchen ausgesucht.


Das Café Freiraum bietet sonntags ein leckeres Brunch Büfett. Wir genossen die dort aufgebauten Leckerein und freuten uns über die Sonne und das laue Lüftchen.
Zum Glück hatten wir einen Tisch im Garten bestellt.
Leider verging die Zeit bis zum Abschied im Flug.

Der Stierkönig

05.07.2013

Im ehemaligen Schwimmbad Steglitz, hier habe ich schwimmen gelernt, gibt es seit ein paar Monaten die Galerie "Kunst im Maschinenraum". Sie ist im ehemaligem Heizhaus untergebracht.
In den Räumen wurden nur die Maschinen entfernt doch nicht renoviert.

In der Vernissage wurde der Münchener Maler Mario Sprinz vorgestellt.
Der ist in Brotberuf Designer. Er malt expressiv.
Seine Hauptfigur in dieser Ausstellung war immer wieder King Torro, mal Mann mal Frau, doch immer mit Stierkopf.
Das ist eine nette Brechung, denn eigentlich ist der Stier das Symbol der männlichen Zeugungskraft, das die alten Griechen im gesamten nördlichen Mittelmeerraum verbreitet haben.
Z.B. im Stierkampf in Spanien.

Die Geschichten die Mario Sprinz in seinen Bildern erzählt sind oft erotisch, manchmal tauchen auch christliche Symbole auf. Immer wieder schwimmen bissige Piranhas heran. Da hätte ein Psychoanalytiker ordentlich zu deuten.


Ganz schön unordentlich

04.07.2013

Sich in Ostberlin in einem von Ex DDR BewohnerInnen betriebenen Restaurant zum Essen zu verabreden, heißt immer noch nicht, dass man / frau etwas zu essen bekommt. So geschehen im "Der Thüringer" im Haus der selbigen Landesvertretung am Mohrenplatz. Dort wollte ich vor dem Kinobesuch speisen, wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der Koch mit einer Abendveranstaltung beschäftigt ist und keine Zeit hat.
Ähnliches erlebte ich früher regelmäßig in der Hauptstadt der DDR.

Ja, Service wurde im Arbeiter- und Bauernstaat groß geschrieben.
Im Anschluss sahen wir um die Ecke im Kleisthaus, dem Sitz des Beauftragten der Bundesregierung für Belange behinderter Menschen, die schwedische Filmkomödie "Die Kunst, sich die Schuhe zu binden".

Im Kleisthaus wird in alle Vorführungen eingesprochener Text für Blinde angeboten und der Eintritt ist frei.
Passend zu Haus sind auch meist die Filmthemen in Behinderten Bereich angesiedelt. Wer als Normalo keine Angst vor Behinderten hat kann dieses Angebot ebenfalls nutzen.
So wird dort am 05. September die französische Komödie "Willkommen bei den Sch'tis" gezeigt.
Wer jedoch sicher sein möchte Einlass zu finden, melde sich bitte an.

Weil der schwedische Film wohl in Deutschland nicht so bekannt ist, war der Saal nicht bis zum letzten Platz gefüllt.
Zum Film:
Die Geschichte basiert auf der des Glada Hudik Theaters, eines bekannten Behinderten Ensemble aus Schweden.

Im Film nimmt ein junger Mann einen Job als Assistent in einer Betreungsgruppe an. Die Leiterin will die Behinderten durch gleichförmige Arbeiten, durch regelmäßiges Üben Schuhe zu binden lebensertüchtigen. Das Spaß und Kreativität zum Leben gehört passt nicht in ihre Welt

Auch den Eltern, die Ihre "Kinder" tagsüber abgeben, sind damit zufrieden. Der junge Mann fegt wie Wirbelwind durch diese erstarten Strukturen. Er singt und spielt mit ihnen und meldet sie zu Schweden sucht den Superstar an.

Natürlich wehren sich die Eltern und die Leiterin.
Aber wie in allen Behinderten Komödien gibt es ein Happy End.
Diese Film geht mir dabei zu seicht vor.
Bei allen Filmen mit Behinderten bemerke ich, dass es im Dunkeln des Kinos leichter ist über Behinderte zu lachen. So lösen sich vielleicht Ängste, aber warum müssen sie immer den Clown geben. Ich hoffe auf Filme in dem Behinderte tragisch spielen.


Kritiken zum Film: Süddeutsche Zeitung, Zeit, Focus