Als wir am Vorabend in unserem Feriendomizil in Barcelona im Stadtteil El Carmel ankamen, bemerkten wir gleich, dass wir nicht in einer touristischen Hochburg gelandet waren. Als wir die Metro verließen, betraten wir einen betonierten Platz zwischen Neubauten, mit Namen Plaza Pastrana. Dort saßen Emigranten und Katalanen, schwatzten und um ihre Beine herum spielten viele Kinder. Alles sehr lebendig, dort kamen wir uns mit unseren Rollkoffern eher exotisch vor.
Unsere Wohnung befand sich im 5.Stock und darüber eine Terrasse, von der wir einen hübschen Überblick über die Stadt bis hinunter zum Meer hatten. Landeinwärts sahen wir die Barcelona einschließende Bergkette.
Das war ein schöner Anfang.
Am nächsten Morgen, beim Frühstückseinkauf, war ich baff ob den vielen Menschen, die auf der Straße unterwegs waren. Viele saßen vor Cafés oder auf Straßenbänken. Sie unterhielten sich, begrüßten sich laut über die Straße und das trotz der stinkenden Autokolonne, die den Berg hochkroch.
Sowas kennt man / frau nicht, höchstens von der Potsdamer Straße, bei mir zu Hause um die Ecke. Dort ertragen die Menschen den bleihaltigen Benzingeruch und den Dieselruß ebenfalls klaglos, wenn sie nur vor Cafés sitzen können.
Zum Glück entdeckte ich sofort die lokale Markthalle Mercado de Carmel. Für uns als Liebhaber von totem Meeresgetier das Paradies. Knapp die Hälfte der Stände bot Fisch und Co.
Es gab aber auch super leckeren rohen Schinken von iberischen Schweinen.
Nach unserem ersten barcelonischen Frühstück machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum Park Güell. Auf der Karte nicht weit von unserem Feriendomizil entfernt, doch leider enthielt diese keine Höhenangaben. So erkletterten wir erstmal den Hügel, der das Zentrum des Park del Carmel bildet. Als wir die Rolltreppen und Zahnradbahnen entdeckten, die das Hinaufkommen erleichtern, waren wir froh dem Tipp Fahrräder zu mieten nicht gefolgt zu sein.
Die vielen Hügeln in den Außenbezirken erfordern entweder erfahrene BergradlerInnen oder Elektromotoren.
Praktisch sind Drahtesel nur in der Innenstadt.
Die BewohnerInnen der Stadt nutzen deshalb meist Motorroller.
Beim Klettern auf den Berg entdeckten wir, dass viele BarcelonerInnen nicht nur einen Vogel haben. Dieser war mit fünfundzwanzig am Start.
Als wir den Hügel erklettert hatten, bot sich uns ein toller Blick auf die Stadt und Mülltüten. Danach ging es abwärts zum Park Güell. Dort erfuhren wir, dass wir nicht nur 8 € Eintritt berappen mussten, sondern auch erst ein paar Stunden später Einlass begehren konnten.
Am Park konnten wir die mittlerweile europaweit übliche Jagd auf Flüchtlinge beobachten, die versuchten sich ein paar Euros mit dem Verkauf von Andenkenschrott zu verdienen. Sozialdarwinistische Politik ist widerlich.
Um uns die Zeit bis zum Eintrittsfenster in den Park zu vertreiben, besuchten das Stadtviertel Grácia. Auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen besetzten Palast. Widerstand gegen die Gentrifizierung lebt weltweit und lohnt sich.
An einer Kirche prangte eine feministische Aufschrift.
Ein Sohn meiner Liebsten hatte uns einen Reiseführer "Barcelona mit Kindern" geliehen und so besuchten wir das dort empfohlene Café mama. Biologische Kost wird hier geboten. So richtig warm wurden wir nicht. Das Café war so international ausgerichtet, dass es so beliebig wie eine Mac Donalds Filiale wirkte.
Wie um die Multikulturalität des Kiezes zu beweisen, stießen wir auf einen deutschen Kinderladen. Aufmerksam wurde ich darauf, weil junge Frauen davor Deutsch sprachen. Das Eins Zwei Drei wirbt mit deutschen ErzieherInnen, kleinen Gruppen und flexiblen Betreuungszeiten.
Auf dem Weg zurück zum Park Güell entdeckten wir die Bodega Manolo. Das Innere mit seinen Regalen voll Fässern wirkte überzeugend, dass wir noch zwei Cava, unser Lieblingsgetränk in Barcelona, genossen. Bei einem neuen Besuch in der Stadt werden wir wiederkommen.
Zurück beim Park Güell, reihten wir uns in die Schlange für unser Zeitfenster ein. Die Gartenanlage wurde vom Antoni Gaudí entworfen. Er entwickelte einen eigenen Stil, der sich an Art Deco und die arabisch / andalusiche Architektur anlehnt, mit vielen Rundungen, Tieren und Pflanzen.
Überall im Park sind Mosaike vorherrschend. Alles ist schön anzusehen, obwohl es mir teilweise zu kitschig daherkam. Besonders bei den von Gaudi entworfenen Häusern im Park dachte ich an Disneyland.
Leider ist es schwierig das Gelände in Ruhe zu betrachten. Barcelona ist eine Touristenstadt, wir waren ja auch solche, aber die Mengen, besonders die geführten Gruppen, waren kaum zu ertragen.
Aber auch die etwa zweihundert FotografInnen mit Selfiestick waren anstrengend. Mir fehlt der Zugang zu dieser Kultur, ich weiß nicht was daran cool ist, sich vor Denkmälern abzulichten. Wenn ich diese fotografiere, kann ich mich doch beim Betrachten der Bilder daran erinnern.
Dass ich dort war, weiß ich doch, weshalb muss ich mich davor ablichten.
Vielleicht taten mir aber auch nur die Füße vom Laufen weh, so leidend gefiel mir Gaudi und das Drumherum nicht.
Die Säulengänge in einem Teil der Anlage sind zu bombastisch.
Für mich ein wenig "kitsch as kitsch can".
Irgendwie sieht man / frau mir die Unzufriedenheit auch an.
Meine I. dagegen war noch guter Dinge, ihr machte der einstündige Rückmarsch in die Unterkunft nichts aus.
Ich hingegen jammerte erbärmlich.
Wir Männer sind hat Weicheier...
Alle Fotos Irmeli Rother
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