Ich glaubte vorher nicht, dass mich Jazz nochmal so richtig vom Hocker reißen würde, ich hatte mich getäuscht. Dachte ich doch, dass der Jazz aus meiner Mutterstadt, auch wegen der vielen zugereisten MusikerInnen, einen hohen Standard erreicht hätte. Die Ray Anderson Band brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Fakt ist, die können Jazz in den USA richtig viel besser. Spätestens als Tonny Cambell seine Plastikschweine auspackte und diese zu quicken brachte, war ich überzeugt.
Wer keine Geduld hat das ganze Konzert zu schauen, spult auf die 47ste Minute vor.
- Ich schaute Parallele Mütter, den neuen Film von Pedro Almodóvar. Mal ein andere Geschichte, als er sie sonst dreht. Ein wenig eine Verwechslungstragödie und dazu eine Aufarbeitung, der auch in Spanien so gern verdrängten Geschichte des Faschismus unter Franco. Wieder spielt bei ihm Penélope Cruz die weibliche Hauptrolle. Die zweite Mutter Milena Smit spielt ebenfalls eine tragende Rolle. Tragischerweise werden die Babys der Beiden nach der Geburt vertauscht. Die Tragödie nimmt ihren Lauf. Dass viele Leichen, der durch Franco-Anhänger ermordeten Menschen, bis heute noch nicht exhumiert wurden, ist ein brauner Fleck auf der bürgerlichen Demokratie in Spanien. Angehörige warten immer noch darauf ihre Verwandten zu beerdigen, sie liegen irgendwo verscharrt in der spanischen Erde. Daran knüpft der zweite Strang der Filmerzählung an. Fast dokumentarisch wird die Arbeit eines Teams gezeigt, dass ein Massengrab öffnet und die Leichen identifiziert. Auf seine alten Tage wendet sich Pedro Almodóvar einem politischen Thema zu. Bravo, der Film hat mich sehr berührt.
Frau Keersmaeker ist eine inzwischen 62 jährige Tänzerin und Choreografin und mit ihrer Truppe ROSAS eine internationale Größe in der Ausdruckstanz Szene.
Mit ihr traten die TänzerInnen Cassiel Gaube und Soa Ratsifandrihana und die Flötistin Chryssi Dimitriou auf. Deren musikalischen Improvisationen waren an Salvatore Sciarrinos „L’Opera per Flauto“ angelehnt.
Zu Beginn der Vorstellung wurde in der Halle ein Kreis gezirkelt, in diesem wurde getanzt, wir, die ZuschauerInnen, waren darum platziert.
Die Arbeit war spannend anzusehen. Besonders der Tanz der Grand Dame Keersmaeker gefiel mir ausnahmslos. Ihr Bewegungen sind so elegant anzuschauen.
Die beiden jungen Mitglieder der Truppe waren zwar kraftvoller, aber weniger ausdrucksstark.
Die Tonfolgen der Flötistin wiegten mich eher in den Schlaf, wenn sie nicht zwischendurch quietschiges produzierte hätte, wäre ich vielleicht ins Schnarchen geraten. Zum Glück hatte ich vorher einen Espresso getrunken.
Leider war die Performance nur für ein paar Tage in Berlin, sonst würde ich sie euch empfehlen.
- Am Kunstort Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst in Neukölln nahm ich an einer Performance teil. Von Angesicht zu Angesicht saß ich Antonia Baehr allein in einem Kellerraum gegenüber, nur durch eine Scheibe getrennt. Aus den Kopfhörer, den ich angehalten wurde zu tragen, erklang Blubbern, ich konnte die Geräusche nicht identifizieren. Mein erster Gedanke war, das sie mit einem Mikro auf ihren Bauch aufgenommen wurden, aber sicher bin ich nicht. Sonst schaute ich die junge Dame an, während sie langsam ihre Gesichtsausdrücke wechselte. Mal schaute sie ernsthaft, ja böse, dann distanziert, dann wieder streckte sie ihre Zunge heraus. Eine Art Peep Show mit nacktem Gesicht. Ob sie mich sehen konnte weiß ich nicht. Nach zehn Minuten war das Anglotzen beendet. Ich verliess etwas irritiert den Ort des Geschehens. Nicht das ich gelangweilt war, irgendwie war die Performance auch spannend, doch so richtig erschloss sich mir der Sinn nicht. Muss bei Kunst ja auch nicht immer sein, sie darf ja auch irritieren.
- Im Deutschen Theater besuchte ich eine Solidaritätsveranstaltung gegen die Besetzung der Ukraine. Draußen auf den Vorplatz spielen MusikerInnen aus dem Land und drinnen wurden Texte zum Überfall gelesen. Die Veranstaltung führte das DT gemeinsam mit dem berliner ogalala Theater durch. Dieses Off Theater arbeitet seit Jahren mit KünstlerInnen aus der Ukraine zusammen, ist in der Lage Gelder an die Kulturschaffende zu vermitteln, die durch die Besetzung in problematische Situationen geraten sind. Öffnet eure Herzen und die Geldbeutel. Spendenkonto Inhaber: ogalala kreuzberg.e.V., IBAN: DE53 1005 0000 0191 0327 43,BIC: BELADEBEXXX
Zu Besuch in Basel
- Das Theater Basel hat international einen guten Ruf als innovative Spielstätte, ein Grund mehr dort eine Vorstellung zu besuchen. Wir sahen Ulysses von James Joyce, dem 1000 Seiten Roman, sehr heiß gewaschen, in einer Bühnenadaption. Aus diesem Buch ein Stück von 100 Minuten Länge zu machen ist dem Regisseur John Collins gelungen und zwar recht gut. Fundiert kann ich das jedoch nicht behaupten, habe ich doch den dicken Schinken von Joyes nie gelesen. Das Stück begann wie eine szenische Lesung, fünf SchauspielerInnen saßen in zum Zuschauerraum offen Boxen und lasen den Text vor. Wenn das so weiter gelaufen wäre, hätten wir tagelang im Theater sitzen müssen. Dann setzte der Regisseur die Schnelle Vorlauf Taste ein und der Text auf den Monitoren und der Ton lief schneller. So wurde Zeit eingespart. Eine geniale Idee! Im Roman sind zwei Männer am 16. Juni 1904 in Echtzeit von 8:00 Morgens bis 4:00 Uhr des nächsten Tages in Dublin unterwegs. Sie lernen sich kennen und ziehen zusammen um die Häuser. Der Autor teilte die Geschichte in Kapitel entsprechend der Odyssee von Homer ein. Zum Schluß berichte die Frau eines Protagonisten über ihre sexuellen Erfahrungen. Die SchauspielerInnen lieferten fantastische Leistungen ab, aber trotzdem der Roman eingedampft war, langweilte mich die Geschichte etwas. So will ich keine uneingeschränkte Empfehlung abgeben.
- In der Kunstmuseum Basel besuchte ich die Ausstellung Louise Bourgeois x Jenny Holzer. Frau Holzer ist 39 Jahre jünger als Frau Bourgeois und fühlte wohl ein künstlerische Seelenverwandtschaft mit ihr. Sie trat hier in der Rolle der Kuratorin auf und zeigte mir Louise Bourgeois ganz neu. Ich kannte von ihr bisher ihre riesigen Spinnen und Käfige mit gefangenen Figuren. Hier wurde sie als Malerin gezeigt. Diesen anderen Aspekt ihrer Kunst kennenzulernen war zwar spannend, jedoch finde ich, sie ist bis auf Ausnahmen für mich keine bedeutende Malerin. Zum Glück hatte ich eine Führung gebucht, sonst hätte mich allein die Menge, 250 Werke laut Katalog, schier erschlagen. Doch so erfuhr ich das Frau Bourgeois eine Workaholic war, Zeiten häufiger Schlaflosigkeit verbrachte sie meist im Atelier. Vielleicht erklärt sich so die Menge an eher mittelmäßigen Zeichnungen und Aquarellen.
Jenny Holzer ist auch schon siebzig Jahre alt, sie hat ihre Freundin, die 2010 verstorben ist, überlebt. Ihr Metie ist die Konzept- und Installations Kunst. Sie ist auch als Schriftbilder Macherin bekannt, u.A. ist sie im Reichstag mit einem Spruchband vertreten.
Links: Mit der beschrifteten Windeln wurde überall in Basel von ihr für die Ausstellung geworben.
- In der Fondation Beyerler war eine Ausstellung mit Bildern von Georgia O`Keeffe zu sehen. Alleine das Museum und der umgebende Garten sind es schon wert einen einen Blick zu riskieren.
Dort waren die Werke chronologisch gehängt, so dass es möglich war den künstlerischen Werdegang der Malerin nach zu vollziehen. Ihre Farbgebung und der Malstil haben mich komplett begeistert. Wer in der Gegend ist sollte die Ausstellung unbedingt besuchen.
- Die letzten drei tollen Tage in Basel verbrachte ich bei der Baseler Fasnacht. Auch dieses Mal, es war mein drittes Mal, ein beeindruckendes Erlebnis. Besonders liebe ich die kleinen und große Gruppen, die Tag und Nacht durch die Stadt ziehen. Fantasievolle Kostüme sind zu sehen und die Luft ist mit Klängen von Pfeifen, Trommeln und Blechblasinstrumenten erfüllt. Und die Kinder in ihren Verkleidungen sind "So Süss". Auch sie sind oft bis spät in der Nacht unterwegs. Ich hatte das Gefühl, das halb Basel auf den Beinen war und das ein Drittel der Bevölkerung ein Musikinstrument spielt. Bei 170.000 EinwohnerInnen unwahrscheinlich.