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Bewegende Maschinen

26.02.2012

Unser erster Tage in Basel war ein Sonntag, mein erster Kiezrundgang beim Suchen nach Brötchen brachte jedoch eine Enttäuschung. Bäcker haben hier sonntags nicht geöffnet. Den Einkauf erledigten wir in einen Spätkauf, die meist von Zugereisten betrieben werden.

An einem Kiosk hing eine Schlagzeile, die das nahende Ende des Wohlstandes in der Schweiz ankündigte. Laut Neuer Züricher Zeitung, früher mal ein relativ seriöses Blatt, haben sich die Einreisekosten für Asylbewerber (Artikel) verdoppelt. Sage und schreibe 440.000 Franken (ca. 364.000 Euro) muss das Land schultern. Dagegen erhielt der bedauernswerte Chef der Credit Suisse 2010 nur Bonuszahlungen in Höhe von 70 Millionen Franken.

Ja, durch die Ausgaben für Asylbewerber macht sich Armut breit in der Schweiz. Zum Glück gibt es ja genug Diktatoren, die ihr sauer verdientes Geld in dem Land deponieren. Verrückt ist, dass die armen Länder der Welt die meisten Flüchtlinge aufnehmen und in den reichen Ländern am meisten über die Kosten der Flüchtlinge gejammert wird. 

Basel ist die drittgrößte Stadt der Schweiz, bis hier ist der Rhein schiffbar und dieser Tatsache verdankt es auch zum Teil seinen Reichtum. Es liegt im Dreiländereck, Frankreich und Deutschland grenzen direkt ans Stadtgebiet. Die Stadt gehört zum allemanischen Sprachraum.

Römisches Theater
Der germanische Stamm der Alemannen besiedelte die Region während der Völkerwanderung.
Vorher, um das Jahr Null unserer Zeitrechnung, entstand bei Basel eine römisches Stadt, Augusta Raurica. In ihrer Blütezeit wohnten dort  ca. 10.000-15.000 EinwohnerInnen.

Im Jahr 250 nN zerstörte ein Erdbeben die Stadt. Der Zerfall des römischen Reiches ermöglichte das Vordringen der Alemannen. Das Elsass, die Südschweiz und Schwaben mit Freiburg werden zum alemannischen Gebiet gerechnet.

Unsere bezogene Ferienwohnung hatten wir gut ausgewählt, zwei Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, eine komplett eingerichtete Küche und ein geräumiges Bad. Zusätzlich gab es noch zwei Balkone, einer mit Blick auf den Hof und einer mit Rheinblick. Nur die durchgelegenen Matratzen waren ein Wehmutstropfen. Das Haus steht in Kleinbasel, dem proletarischem Teil der Stadt an der östlichen Rheinseite. Gegenüber liegt das feinere Gross-Basel.

Nach einem guten Frühstück flanierten wir im Sonnenschein am Rheinufer zum Museum Tinguely. Jean Tinguely (1921 -1991) ist der bekannteste Basler Künstler nach dem Weltkrieg. Er hatte ein Faible für alles was quietscht und knattert und sich dabei auch noch wild bewegt.

Grosse Meta Maxi-Maxi Utopia, 1987
Er besuchte Schrottplätze, um sich sein Material zu besorgen. Die in den sechziger Jahren preiswerter und kleiner werdenden Elektromotoren trieben seine Konstruktionen an. In dem architektonisch interessanten Museum (Architekt Mario Botta, Fertigstellung 1996) sind viele seiner Exponate zu sehen.

Gwendolyn, 1966
Teilweise sind sie recht groß. Nicht gerade leicht zu transportieren, so ist es wohl verständlich, dass es kaum Ausstellungen seiner Werke im Ausland gibt.
Seine Frau Niki de Saint Phalle hatte es da leichter mit ihren aus Glasfiber gefertigten wetterfesten Arbeiten.

Tinguely war wie viele Menschen seiner Zeit ein Liebhaber des Motorsports. Viele seiner Freunde waren Fahrer und zur Gedenkfeier für einen Verunglückten baute er ein Gefährt, das über die Rennstrecke fuhr. Tod und Rennen waren ihm sehr präsent.


Sehr erfreut war ich im Museum eine Sonderausstellung mit Werken des Künstlerpaars Nancy & Edward Kienholz zu entdecken. Die kannte ich aus der Berlinischen Galerie. Ihre politisch kritischen Installationen machen sie zu besonderen Künstlern ihrer Zeit. Sexisten, Rassisten und Militaristen kommen bei ihnen schlecht weg. Den Flipper auf dem Foto kannte ich jedoch aus Wien. Dort wurde er im Rahmen einer Ausstellung Kunst und Porno gezeigt.

Für Basel BesucherInnen sollten ein paar Stunden im Tinguely Museum Pflicht sein.
Gemütlich spazierten wir danach in Richtung Ferienapartement.
Wir waren schon sehr erwartungfroh, was uns die Basler Fasnacht bieten würde und dass wir freiwillig im Urlaub um 3:00 Morgens aufstehen, war ja auch was Besonderes.
Die Parkverbotsschilder mit variablem Datumeinschub waren auf alle Fälle schon aufgestellt. So konnte ja kaum noch was schiefgehen.

Morgestraich und Cortege

27.02.2012

Wir quälten uns um drei Uhr aus dem Bett. Zum Morgestraich, dem Beginn der Fasnacht hatten wir es nicht weit. Dabei ziehen ab vier Uhr, wenn in der ganzen Stadt das Licht abgeschaltet wird, Gruppen von fürchterlich maskierten Gestalten mit Laternen auf dem Kopf durch die Stadt.

Oft tragen sie dazu eine größere bemalte Laterne auf der das Sujet, das Jahresthema der Formation, zu sehen ist. Während des Morgenstraichs sind nur Piccoloflöten und Marschtrommeln erlaubt und erzeugen ordentlich Lärm.

Die Themen waren vielfältig. Oft bezogen sich die Laternen auf Regionalprobleme aber auch auf die Bankenspekulationen und Schweizer korrupte Politiker. Das Festhalten der Regierung am Atomstrom und den im Mayakalender vorausgesagten Weltuntergang wurden dargestellt. Unser dummdeutsch nationalistischer Wolfgang Kauder mit seinem Spruch "Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen" fand auch Erwähnung. Deutschland, mir graute mal wieder vor dir.

Die Gruppen kommen aus allen Ecken der Stadt. Die aus Kleinbasel ziehen über die mittlere Rheinbrücke. Es gibt aber keine festgelegte Routen und bei den zahlreichen ZuschauerInnen entsteht heftig Gewusel. Zum Schluss, wenn es hell wird, halten sich die meisten in der Nähe oder auf dem Münsterplatz auf. Dort werden die Laternen ausgestellt. Dann ist der erste Akt der Fasnacht vorbei.



Am Nachmittag folgt die Cortage, der Umzug. Dieser wird neben kleineren Gruppen von den Cliquen getragen. Diese haben das ganze Jahr über feste Quartiere, dort bauen sie die Masken und Wagen, üben die Bands und sie pflegen Geselligkeit. Beim Umzug sind die Mitglieder meist entsprechend dem Motto (Sujet) gekleidet. Dieses ist auf den meist von Traktoren gezogen Wagen gemalt. Auf den Anhängern stehen seltsame Maskenmenschen, Waggis genannt. Sie werfen in Richtung der Zuschauer mit allem was der Obst- und Gemüsegarten so hergibt, aber auch Süßigkeiten, mal auch Kuscheltiere, gemeinerweise haben sie auch immer Konfetti (Räppli) dabei. Gefolgt werden die Wagen vom Cliquenorchester. Diese spielen jetzt mit allem was eine Blaskapelle so braucht. Die Bands haben bis zu fünfzig MitspielerInnen. Teilweise klingen sie sehr professionell.


Alle Gruppen wurden von den Herren und Damen des Karnevalskomitees begrüßt.

Für die ZuschauerInnen gelten bei der Fasnacht feste Regeln.
- Die vorher gekaufte Plakette des Komitees ist zu tragen. Die Einnahmen gehen an die Cliquen.
- Verkleidung ist unerwünscht (Kinder dürfen es)
- Starker Alkoholkonsum ist nicht gern gesehen
- Das bewerfen der Akteure mit Räppli ist untersagt, ich sah wie ein junger Mann zur Strafe von den Wäggis mit Konfetti gestopft wurde.
- Beim Morgenstraich sollte nicht mit Blitzlicht fotografiert werden.

Gut ist, dass die Strecke während des Corteges mit Gittern abgesperrt ist, so besteht eine geringere Unfallgefahr.als beim Karneval der Kulturen in Berlin.

Nach soviel lauter Blasmusik besuchten wir, wie viele Akteure, den Gehörakustiker. Etwas müde waren wir und so verschwanden wir früh ins Bett.

Der Tag der Kinder

28.02.2012

Am zweiten der schönsten Tage im Jahr feiern zuerst die Lütten ihren Karneval mit einem Umzug. Dabei benutzen sie meist Erwachsene als Zugtiere. Diese stecken oft in ihren Verkleidungen vom Vortag. Einige Kinder waren als Miniausgaben der selben unterwegs, doch ein großer Teil könnten auch bei einem Faschingfest in Berlin dabei sein. Ich sah mehrere kostümiert wie Pippi Langstrümpf, Prinzessinen, Ritter und andere Helden. Auch Tierkostüme waren viel vertreten.

Am Wegesrand entdecken wir eine Gruppe, die wohl zu einer Konferenz unterwegs war. Offensichtlich wird die Fähigkeit der BaselerInnen fantastische Kostüme zu schneidern auch für die Verkleidung der Kleinen genutzt. Es war wenig von der Stange zu sehen.
Die Zwerge hatten natürlich super Spaß an der Sache. Sie warfen mit Räppli und verteilten kleine Geschenke mit noch mehr Freude als die Erwachsenen. Wobei sie das Zweite scheinbar lieber taten.

 Es rührte mein Herz, als ein kleiner Teufel auf mich zu tapste, um mir Süßigkeiten zu überreichen. Ob aus Respekt vor Erwachsenen oder geringer ausgeprägter Bosheit, wurden wir von Kindern auch kaum mit Konfetti beworfen.
Als wir die Brücke nach Großbasel überquert hatten, herrschte in der Altstadt wieder so ein Gewusel wie am Vortag. Große und kleine Musikformationen zogen kreuz und quer durch die Gassen.

Ich hatte in den Lokalinformationen erfahren, dass das Museum der Kulturen am Münsterplatz zum Besuch einer Ausstellung zur Geschichte des Karnevals einlud und so besuchten wir diese.
Nach den Trubel Draußen war dort eine Oase der Ruhe.
Die Wände waren mit historischen Masken behängt, Laternen wurden gezeigt und in einem Raum war eine Szene aus einem typischen Guggekeller nachgestellt.


Danach bewegten wir uns zum Theaterplatz. Meine Liebste wollte den von mir angepriesenen Fasnachtsbrunnen von Jean Tinguely anschauen. Wie bei ihm üblich bewegt sich alles und Wasser wird dauernd in andere Richtungen gesprüht. Im Sommer sicher toll für die Kinder.

Im Winter wenn das Wasser gefriert entstehen bizarre Formen.
Jetzt zur Fasnacht schwamm ordentlich Räppli in ihm.
Neben den Brunnen stand eine große Blaskapelle. Die eine Hälfte der Musiker waren mit Schottenröcken und bekleidet.

Die anderen trugen blaue Mäntel und Totenkopf Masken. Zusammen gaben sie ein exzellentes Platzkonzert. Die spiegelnden Tubas hatten es der Liebsten so angetan, dass sie kaum aufhören konnte sie zu fotografieren. So ist sie aber auf jeden Bild selbst zu entdecken.

Wir waren inzwischen etwas müde und nutzten eine nahegelegene Fähre, um über den Rhein zu setzen. Diese haben keinen Motor sondern werden von der Strömung angetrieben. Zu diesem Zweck wurde ein Seil  über den Fluss gespannt, an dem sie sich langziehen.

Es gibt drei solche Fähren in Basel. Mit uns warteten viele KarnevallistInnen darauf über zu setzen. Für uns war die Fahrt eher ein nettes touristisches Erlebniss. Auf der anderen Seite sahen wir dann einen etwas müden Haufchen Narren, doch spielen taten sie weiter.

------ Schnarch ------

Nachdem wir wieder Kraft getankt hatten, stürzten wir uns wieder in das bunte Treiben. Auf der Suche nach etwas zum Essen und einer typischen Lokalität, besuchten wir mehrere Guggekeller. Das sind die Orte, an denen sich die Karnevalsgruppen den Rest des Jahres versammeln. 


Die meisten sind auf Hinterhöfen versteckt, so dass es klug ist sich vorher im WEB zu informieren, wo sie zu finden sind. Obwohl sie wohl nicht der schweizerischen Gaststättenverordnung entsprechen, dürfen sie an Fasnacht Speisen und Getränke anbieten.


Rustikal ist es, meist aber auch sehr nett. Außerdem sind die Speisen relativ preiswert. Sonst waren uns die Preise in den Restaurants zu heftig. Schon deswegen empfielt sich in Basel eine Ferienwohnung. 
Leider sprechen und schreiben die BaselerInnen ein sehr besonderes Deutsch. So ist selbst das Verstehen der Speisekarte manchmal schwierig. 
Am Besten ist, man / frau versucht die Ungetüme auszusprechen, dann ist die Bedeutung oft zu erahnen. Es gibt sogar eine gewisse Verwandtschaft zum Finnischen, Doppelbuchstaben und das Anhängen von "i" an viele Worte ist ein Indidiz dafür, dass die FinnInnen auf ihrer im Dunkeln der Geschichte verborgenen Reise in den Norden hier durchkamen. Wie sonst ist Schwyynswürstli erklärbar.
Auch auf dem Foto unten ist die Bedeutung des Geschriebenen nur zu erahnen.
Ich vermute, es bedeut, dass der Laden bis nach Fasnacht geschlossen ist. 
Für uns fand der Zapfenstreich wieder recht früh statt.



Letzter Fasnachtstag

29.02.2012

Nach so viel Mummenschanz lüstete es uns nach Kunst. Wir fuhren nach Deutschland ins Vitra Design Museum. Das hat sich dem Fabrikationsentwürfen verschrieben.
Gerne besuche ich mit meiner Liebsten Ausstellungen zum Thema Design.
Leider wurden wir etwas enttäuscht, hatten wir doch gehofft, viele neue Designentwürfe zu sehen. Davon gab es nur in kleinsten der drei Gebäude ein wenig anzuschauen.
In dem einen großen Haus wurde eine Ausstellung zum Leben von Rudolf Steiner gezeigt, den wir beide uninteressant fanden. Wir haben es nicht so mit Egotherik.
Im Hauptgebäude befindet sich dann ein Kaufhaus für all die schicken Designs Klassiker, die auf dem Gelände gefertigt werden.

Hübsch anzusehen sind die Sachen und  Probesitzen ist gestattet. Wir lümmelten uns ausführlich. Doch ohne gut gefülltes Konto sind sie nicht bezahlbar. Die Qualität ist exzellent, die Möbel überstehen wahrscheinlich sogar einen Umzug. Ist halt nicht Ikea.

Ansehnlich war auch die Auswahl stylischer Wanduhren. Da ist man / frau schon mit ein paar hundert Euro dabei.
Doch irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass die Firma Vitra trickst und ihren Fabrikverkauf unter der Flagge eines Museums fahren lässt.



Daheim in Basel kehrten wir wieder in einen Guggekeller ein. Durch die ganze Stadt zogen weiter Musikgruppen. Doch selbst die besten Räppliwerfer werden mal müde. Das Sieb auf dem Foto ist ihr Hilfsmittel, um hinterrücks Passanten eine ordentliche Portion auf den Kopf zu kippen.

Doch bis Donnerstag Morgen um 4:00 Uhr früh durften sie noch weitermachen. So weit reichte unsere Kondition nicht.
Ganz Basel war mittlerweile mit Konfetti übersät, der Stadtreinigung stand eine Herkulesaufgabe bevor.
Wir  trollten uns lieber ins Bett.