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uncharmante Bourgeoisie

26.01.2011

Peinlich, da wohne ich seit Jahren höchstens fünfzig Meter vom Kleinen Theater am Südwestkorso entfernt und besuchte es erst jetzt.
Nun, die meisten Inszenierungen haben Boulevard Charakter und ich stehe nicht auf so was.

Doch da machte mich das erste Mal das Thema eines Stücks an.
Hilda von Marie NDiaye schildert eine reiche Frau, die sich besagte Hilde zum Hausmädchen nimmt. Nicht nur weil sie den Haushalt nicht bewältigen kann, auch weil sie in ihrem langweiligen Leben als Gattin eines Industriellen was zum Spielen braucht. Nebenbei versucht sie auch noch sich durch Hildes Mann Befriedigung zu verschaffen. Ein witziger Einfall ist das Hilde, dass nicht auftritt, sondern immer nur über sie geredet wird.

Obwohl die Schauspieler sich mühten, kamen sie nicht richtig rüber. Ich glaube man / frau muß tiefer graben, um den Kern des Stücks zu erreichen. Schade, dass der erste Besuch eine Enttäuschung bedeutete. Der Beifall der meisten erklang jedoch anhaltend.

Ernteausfall

23.01.2011

Zuerst besuchten Augenstern und ich eine Ausstellung in der Galerie unter Berlin. Ein spannender Ort in der Nähe vom U-Bahnhof Rosa-Luxemburg Platz.
Sie ist in 500m² historischen Lagerräumen im Keller untergebracht.

Wir stiegen acht Meter in die Tiefe und standen in etwa sechs Meter hohen Gewölben. Diese waren Lager der Königstadt Brauerei und in der DDR Quartier der Fahrbereitschafft des MfS.

Die Ausstellung Frequenzen nutzte die alten Räume recht gut. Düster war es und mit Licht, Schatten und Tönen wurde Kunst gemacht. Für mich jedoch nichts Neues.
Die Projektionsfläche Gewölbe nutzt sich durch Wiederholung doch schnell ab.

Danach sahen wir Ernte im Studio des Maxim Gorki Theaters.
PolInnen, die nach Deutschland als Erntehelfer reisen, war das Thema. Klingt interessant, aber das Team fuhr das Stück komplett gegen die Wand.

Die Handlung entwickelte sich chaotisch, oft konnten wir kaum erahnen, was das, was auf der Bühne geschah, bedeutete. Die Personen wurden nicht sichtbar, die Beziehungen der Handelnden zueinander waren unklar, wir waren froh, als das Schauspiel zum Ende kam.

Aber wer mutig ist, sich neue Stücke von unbekannten AutorInnen anzuschauen, darf sich nicht beschweren, wenn es auch mal schief geht.

Zweimal Kunst auf einen Streich

18.01.2011

Als Werktätiger versuche ich manchmal ein wenig Kunst nach Feierabend abzugreifen.

Mein Augenstern holte mich vom Job ab und wir fuhren nach Mitte zu einer Ausstellung mit Fotos der S-Bahn aus den 70er und 80er Jahren. Wir schauten diese in der Kunststiftung Poll in der Gipsstrasse an. Renate von Mangoldt hat damit auch West-Berliner Geschichte aufgezeichnet.

Wir beide lebten damals in der Westside und entwickelten beim Abgebildeten heftige nostalgische Gefühle.
War das nicht schön in unserem Provinznest, ohne Autos mit TF oder Regierungskarossen.
Mit Mauer war Berlin heimeliger und gemütlicher.

Irgendwie waren die Fotos aber auch nicht richtig sensationell, so zogen wir wenig später weiter.

Um die Ecke in der Auguststrasse entdeckten wir jedoch in der Galerie BerlinArtProjects Kunst, die uns richtig anmachte.
Osman Dinc aus der Türkei stellte unter dem Titel 'LE AGE DE  FR. TAM TAM' Skulpturen aus poliertem und angelassenem Stahl vor.
Irgendwie war bis vor kurzem die Türkei als Land der Künste nicht auf meinem Schirm, doch in letzter Zeit entdecke ich immer mehr spannende Artisten.














Liebe zu dritt

15.01.2011

Ein Capitol gibt es nicht nur in Washington, in Zehlendorf heißt auch ein gleichnamiges Kino so. Es ist in einer relativ kleineren Villa untergebracht.


Der Name Capitol ist wohl etwas großmäulig gewählt. Es steht um die Ecke von der Freien Universität Berlin und deren StudentInnen wird eh Größenwahn nachgesagt.
Hielten sie sich doch 1968 für ein Zentrum der Weltrevolution.


Ich selbst bin ja auch fußläufig davon entfernt groß geworden.
Der Film Drei von Tom Tykwer variierte das alte Thema Liebe zu dritt.
Diesmal zwei Männer, sie haben richtig Sex miteinander, und eine Frau, die es mit Beiden treibt. Nach einigen Irrungen und Wirrungen liegen sie zum Schluß zusammen im Bett. Und eigentlich ist da auch egal, wer der Vater der Zwillinge in ihrem Bauch ist, vielleicht beide.
Richtig spannend war das nicht, aber durchaus sehenswert.



Kritiken: FAZ, Stuttgarter Zeitung

Akte R.

06.01.2011

Vor dem Theater besuchte ich das süße, mit Gegenständen der 50er - 60er Jahre eingerichtete Café Sorgenfrei in der Golzstrasse beim Winterfeldplatz. Unbedingt anschauen, wenn man/frau in der Gegend ist. Auch Kaffee und Kuchen sind sehr lecker.


Der Stil wird perfekt durchgehalten, sogar die Hintergrund Musik stammt aus dieser Zeit. Einstmals hasste ich Schlager, aber aus der zeitlichen Distanz und mit einiger Paartanz- Erfahrung bin ich milder gestimmt.

Im Theater Strahl traf ich T. und Freundin. Wir sahen ein Stück, das die bitteren Erfahrungen eines Schwulen aus der DDR zum Thema hat. Mario R. hatte sich in einen schwulen Westberliner Politiker verliebt und die Stasi versuchte ihn als Informanten abzuschöpfen.

Nach seiner Weigerung machte der DDR Geheimdienst ihm das Leben schwer und nach einem Fluchtversuch landete er im Knast.
Die BRD kaufte ihn frei, aber als er dann seinen Lover besuchte, musste er feststellen, dass dieser Frau und Kind hatte.

Die drei Schauspieler schafften es in wechselnden Rollen in einem minimalen Bühnenbild die Perversität der DDR aufleben zu lassen. Der verdiente Beifall war laut und lang. Die folgende Diskussion mit der wirklichen Person hinter der Geschichte war spannend.

Oh, Don Giovanni!

05.01.2011

Ein Mann, der die Frauen liebt und dem sie zu Füßen liegen, ist ein beliebtes Motiv in Buch und Film. Don Juan, eine Saga um einen spanischen Adligen und Schürzenjäger, ist eine solche Geschichte. 
Mozart verarbeitete diesen Stoff im Jahre 1787.

Das damals uraufgeführte Singspiel Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni. verlegte die Handlung nach Italien und stellte dem Don einen etwas tumben Diener (Leporello) zur Seite. Diese Paarung ist der italienischen Commedia del Arte entlehnt.

Die Handlung ist schnell erzählt:
Don Giovanni tötet den erbosten Vater einer von ihm Verführten. Diese verfolgt ihn deshalb und macht damit auch so manchen Versuch neues "Frischfleisch" aufzureißen zunichte. Er kann sich oft nur mit Hilfe seines Dieners retten, bis er vom Geist des Vaters in die Hölle gejagt wird. Und die Moral von der Geschichte ist ...
Mozarts Oper in zwei Akten um diese Geschichte ist ca. 160 Minuten lang.
Ich sah sie in der Komischen Oper Berlin, für die diese Opera buffa wie die Faust aufs Auge passt.

Die turbulente Handlung und der Gesang entsprachen dem Original, nur die Kostüme und das Bühnenbild waren aus der Gegenwart. Dies ergab einen netten Kontrast.
Schauspiel und Gesang fand ich überzeugend.
Der Schlußapplaus war tobend.

Als netten Gimik bietet das Haus Displays im Sitz davor, auf denen man / frau den Text in verschiedenen Sprachen mitlesen kann. Das ist eine viel klügere und flexiblere Lösung für die Verständigungsprobleme der Oper, als die riesigen Anzeigen direkt über der Bühne, die ich in vielen anderen Häusern sah.

Jene und Jena

02.01.2011

Am Tag vor unserer Heimreise besuchte ich mit Augenstern  Jena, um noch ein wenig Kultur zu schnuppern..
Da finnische Kaffeegier nur mit viel schwarzer Giftbrühe zu besiegen ist, suchten wir zuerst den Cafe Fairtrade Kontor in der Altstadt auf.

Hier ist nett sitzen und der Verzehr der Waren wärmt die Seele auch wg dem Fairen Handel.
Beim anschließenden Stadtrundgang sahen wir einige schnuckelige Ecken.

Witzig fand ich das Denkmal für den Kurfürst Johann Friedrich  "der Großmütige".
Wie einer der adligen Blutsauger so benannt werden konnte, kann ich schwer nachvollziehen.
Er soll den Beinamen erhalten haben, weil er sich auf die Seite der Reformierten schlug. Sonst ist bekannt, dass er versoffen und fett war. Bei so viel Verdiensten hoffe ich, dass viele Hunde an sein Standbild pinkeln.

Dann besuchten wir das Stadtmuseum Jena, ein kleines aber feines Fachwerkhaus in der Innenstadt beim Marktplatz gelegen. Ein besuchenswerter Platz.
Im Untergeschoss werden stadthistorische Dokumente gezeigt. In den Stockwerken darüber ist Platz für aktuelle Kunst, der unserer Hauptinteresse galt.
Zu erst beschauten wir im ersten Stock die Werke von Constantin Luser.

Vibrosaurus, 2009
Er ist sowohl bildender Künstler als auch Musiker und verarbeitet auch gerne blasbares Blech, wie ihr rechts sehen könnt.
Beim Betrachten seinen Werken kamen wir öfter ins Schmunzeln. Witzige Ideen sind doch schon mal die halbe Miete für einen Künstler.

Sein überlanger Schlafsack war ein solcher Frohmacher.

Die Werke von Martha Colburn im 2. Stock waren von einem etwas anderen Kaliber.
Der Titel der Ausstellung "DON’T KILL THE WEATHERMAN!" verwies auf die Weathermen, eine mit den Roten Brigaden oder der RAF vergleichbaren Guerilla Gruppe.
Die sozialen Kämpfe der letzten Jahre werden von der Künstlerin in Collagen und Videos verarbeitet.
Die prügelnde und tötende Staatsgewalt von heute und die Menschen, die ihre Rechte einfordern, werden von ihr abgebildet.



Als Sahnehäubchen auf dem schönen Ausflug gönnten wir uns ein leckeres Drei Gang Menü im Restaurant Haus am Sack.
Vorneweg gab es einen Rotkäppchen Sekt und dazu einen Schoppen Wein.
Dieses Gedeck wird dort Twingel Menue genannt und ist mit 40 Euro für zwei wahrlich nicht überteuert.
Und Lecker war es auch noch. Ich hoffe das Wasser läuft euch im Mund zusammen.

Vorspeise

Hauptspeise
Nachspeise

Polonaise

31.12.2010

Silvester in einer Kurklinik zu verbringen, ist so spannend, wie es klingt. Aber wer es sehr beschaulich mag, dem sei dies empfohlen.
Ich traf die Liebste auf dem Marktplatz von Saalfeld. Dort waren die Schaufenster mit Brettern vernagelt, wie in Kreuzberg vor dem 1. Mai. Werfen Thüringer etwa auch Fensterscheiben ein?
Insgesamt scheint die Schadensbilanz jedoch nicht schlimmer ausgefallen zu sein als in letzten Jahr, schreibt die Thüringer Allgemeine. Für hiesige Verhältnisse war ordentlich was los, wie die Polizei meldet.

Vor den ausbrechenden Krawallen besuchten wir das Café Wien, es war als einziges geöffnet und widerstand mit deutscher Volksmusik und Heldenmut. Aus dem Lautsprechern dröhnten die "Kassel Dreckspatzen". Aber Kaffee und Kuchen waren gut.

Danach zogen wir uns in die Klinik Bergfried zurück, um das Geschehen aus sicherer Distanz zu beobachten.

Dort tobte bereits die Party. Der DJ heizte mit Diskofox Mucke ein und einige begannen zu tanzen und zu schunkeln. Der Saal begann zu kochen.
Wir versuchten mit alkoholfreien Getränken in Stimmung zu kommen, verzogen uns jedoch später auf´s Zimmer.

Wie uns TeilnehmerInnen erzählten, war besonders die Polonaise nach Mitternacht der Bringer.

Wir tranken derweil den eingeschmuggelten Wein und sahen uns vom Balkon das Inferno über der Stadt an.


Wird Saalfeld je wieder aufgebaut werden können?
Martin Gerhard, für CNN aus dem Thüringischen.

Herzinfakt und Harem

18.12.2010

Besser spät als nie!
Aus Anlass meines Geburtstages lud ich "meinen" Harem und einen Mann ins Kino ein.
Wir sahen die italienischen Komödie Questione di Cuore (Eine Sache des Herzens), den Gewinner des Publikums Preises des Cinema!Italia! Festivals im Kino Babylon.
Jedes Jahr findet dabei ein Umtrunk mit Wein und Büfett statt, schon deshalb bin ich gerne immer wieder dort.

Der Film von Francesca Archibugi schildert die Annäherung zweier Männer, die zufällig zur selben Zeit mit Infarkt auf der Intensivstation eingeliefert werden. Eine bittersüße Komödie, die für den einen der beiden tödlich endet. Der Film war sehenswert.



Danach besuchten wir noch die Kneipe Voss Nebenan. Ein Schwätzchen und ein wenig trinken wollten wir schon noch. Richtig nett war der Laden nicht. Der Wein fiel erheblich gegen den vom Büfett ab, das Essen war mittelmäßig und die Bedienung nachlässig. Besser meiden!
Trotzdem ging der Abend nett zu ende.

Tanztheater de Luxe

10.12.2010

Im Rahmen des Festivals für Tanz und Theater Spielzeit Europa sahen wir das Stück Babel (Words).
Ein echter Volltreffer!

 Wenn Jochen Schmidt in seinem Kommentar in der Zeitung die Welt sagt: "Babel‹ ist nicht nur das innovativste, sondern auch eines der stärksten Tanztheaterstücke des Jahres." muß ich ihm uneingeschränkt zustimmen. Lange war ich nicht mehr so von Tanztheater begeistert.

Die Belgische Company Eastman kreierte eine Stadtszene, in der dreizehn TänzerInnen von verschiedenen Kontinenten mit ihren Körpern kommunizierten.
Teilweise in großen Gruppen, teilweise intim als Paar.

Auf der Bühne wurden Gerüstquader bewegt und aufgestellt, in denen die TänzerInnen mal ihr Heim fanden, die auch mal Knast waren, aber mit denen auch herum getollt wurde.
Eine bewegende Idee.

Eine Begleitband spielte dazu live von der Weltmusik inspirierte Melodien.
Dies war nicht mehr der etwas trockene bedeutungschwangere Bewegungstanz der zwanziger Jahre, eher erinnerte das Stück an ein Musical oder eine Revue. Für Puristen ein Graus, dies spiegelt sich zum Teil unten in den Kritiken wider.
Ich war so begeistert, dass ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit die sich anschließende Diskussion im Foyer verfolgte

Aus der Einleitung zum Publikumsgespräch mit Sidi Larbi Cherkaoui:
... Die Geschichte vom Turmbau zu Babel bildet das Leitmotiv des Stücks, das inmitten von Gormleys assoziationsreichen Metallquadern und -kuben die Beziehung zwischen Sprache und Nationalität, Identität und Religion erkundet. 13 Performer und 5 Musiker aus insgesamt 13 Ländern führen den Willen zur Verständigung im Sprachengewirr vor, den Kampf um das gemeinsame und vorherrschende Kommunikationsmittel. Babel bedeutet aber nicht nur vielzüngiges Chaos, Verwirrung und Konflikte, sondern auch Interaktion, Verständnisarbeit und kritischer Austausch. Sprache verbindet uns, macht uns aber auch zu Fremden – doch darin sind wir auch wiederum alle gleich. 
»Wir fragen: Was bedeutet Zusammenleben, was trennt Menschen voneinander, wie viel Raum gestehen wir uns gegenseitig zu? Lasse ich dich in meine Welt hinein oder nicht? Lasse ich zu, daß andere ein Weltreich aufbauen, was tut dieses Weltreich mit anderen?«
SIDI LARBI CHERKAOUI



Wenn die Company in eurer Gegend auftaucht, unbedingt anschauen.

Kritiken:
Tanzkritik, rbb, Frankfurter Rundschau, Der Spiegel