01/02.09.2012
Mit ein paar Migranten aus Finnland und deutschen Anhängseln reiste ich Samstag sehr früh mit der Bahn nach
Poznan. Die Anreise mit der Bahn ist recht komfortabel. Ein Umsteigen ist nicht nötig und im Speisewagen konnten wir ein leckeres, jedoch etwas deftiges und garantiert nicht vegetarisches, Frühstück genießen.
Diesmal keine Reise aus privaten Gründen. Meine Liebste konnte ihren
Sohn, der lange in Poznan lebte und polnisch spricht, als kompetenten Stadtführer gewinnen.
Wir stiegen im
Ikar Hotel ab, einem der hässlichen Hochhausgebäude aus den siebziger Jahren. Doch der Komfort war ausreichend und die Preise moderat.
Sogar das Frühstücksbüfett war ganz manierlich.
Im Hotel stellten wir das Gepäck ab.
Dann begannen wir den ersten Stadtrundgang.
Er führte uns als erstes zum Westmarkt, dem größten Obst- und Gemüsemarkt in der Stadt Das dort verkaufte Grünzeug entspricht wohl keiner EG Norm, sah aber sehr lecker aus. Es sah wie frisch geerntet aus.
Ich kaufte bei einen Fleischstand die berühmte, aber auch etwas fette, polnischen Wurst.
Weiter liefen wir zum Alten Markt im alten Stadtzentrum, um unseren Stadtführer zu treffen. Dieser ist ein nach dem Krieg wieder aufgebautes Kleinod, umgeben von Bürgerhäusern.
Leider hofft die Kneipenmafia der Stadt eher auf saufende und fressende Massentouristen. Mit Podesten und riesigen Schirmen verstellen sie die Sicht. Es ist zu hoffen, dass der Ballermann in Poznan nur wenig Anklang findet und bald verschwindet.
Ein Denkmal in der Stadt erinnert an den
Arbeiteraufstand 1956 in Poznan. Damals streikten die Beschäftigten der Stahlwerke gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen. 100.000 Werktätige besetzten die Stadt und verlangten eine bessere Versorgung. Als aus dem Gebäude der Staatssicherheit auf sie geschossen wurde, brachen die Protestierenden Waffendepots auf und wehrten sich. Ein Angriff von 10.000 Soldaten beendete den Aufstand.
Später geleitete der Stadtführer uns ins
Residenzschloss. Das wurde zwischen 1905 bis 1910 im Auftrage des deutschen Kaisers gebaut. Es ist Teil des preußischen Ensemble in der Innenstadt, mit dem die Besatzer ihren Herrschaftsanspruch zementieren wollten.
Löwen als Symbol des deutschen Kaisertum sollten diesen verteidigen. Trotz Löwen sind zwei deutsche Reiche, die Polen zerstören wollten, zerbrochen worden.
Um die Juden der Stadt besonders zu demütigen, wurde die
Synagoge nicht abgebrannt, sondern zu einem öffentlichen Schwimmbad umgewandelt. Leider wurde nach der Zerschlagung des 3. Reiches dieser Zustand beibehalten.
Die Juden waren weg und warum sollte man / frau ihr Gotteshaus wieder öffnen. Auch der
polnische Antisemitismus hat eine lange Tradition. Seit ein paar Jahren ist die kleine jüdische Gemeinde wieder Eigentümerin des Gebäudes. Mir ist unbekannt weshalb die Bundesrepublik, als Rechtsnachfolger des 3. Reiches, dieses nicht wieder herrichtet
Neben Zeugnissen widerwärtiger deutscher Geschichte hat das moderne Poznan auch viel bezauberndes zu bieten. In vielen Hinterhöfen der Altstadt befinden sich geschmackvoll eingerichtete Cafés und Restaurants, die den besonderen Flair der Stadt ausmachen.
In der Nacht besuchten meine Liebste und ich eine Bar, die sich über mehrere Etagen eines Hinterhauses erstreckte.
Mit 50.000 Studenten bei 600.000 Einwohnern ist die Stadt recht lebendig und eine Reise wert, auch wenn ein so qualifizierter Fremdenführer, wie wir ihn hatten, fehlt.