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Potsdam, alles verboten?

21.10.2013

Eigentlich wollte ich der Liebsten, vom Hauptbahnhof kommend, nur wegen des tollen Wetters die Freundschaftsinsel zeigen.
Doch hielten wir ob der tollen Piktogramme erstmal inne und überlegten, was wir Falsches vor hatten.
Die Grünflächen Verwaltung Potsdams verlangt den BesucherInnen Einiges an Gedankenarbeit ab.

So stellte sich uns die Frage, wir hatten zufälligerweise keine Schere dabei, ob man / frau Blumen mit dem Messer ernten darf.
All diese Fragen beantworteten aber die BeamtInnen am Check-in Schalter gerne. Nach einem Ganzkörperscan durften wir den Park betreten.

Gleich danach folgte schon wieder ein Verbotsschild. Was waren wir froh, dass wir unser Ruderboot vergessen hatten.
Doch beim Erblicken der Tags auf dem Schild ärgerte ich mich ein wenig, dass ich meinen dicken Filzstift nicht dabei hatte.
So glaubt mir doch keiner, dass ich dort war.

Derweil schoss I. ihr erstes Foto aus der Serie "Unter den Brücken von "Potsdam".
Als dann kurze Zeit später ein Radler meine Liebste fast angefahren hätte, verstanden wir, dass die Verbote offensichtlich nicht für Einheimische gelten.
Die kleine freundliche Insel heißt übrigens nicht erst seit der Deutsch - Sowjetischen Freundschaft so, wie ich immer vermutete, sondern schon seit 150 Jahren. Ein Gasthof gab ihr wohl den Namen.


Dann genossen wir die Parklandschaft und ich knipste Naturfotos.


Gärtnerjunge, 1962
Karl-Heinz Schamal
Natürlich gehören in einen solchen Park auch Skulpturen. Fast alle zeigten sich im Stil des Sozialisten Realismus, viele KünstlerInnen, die brav dem deutschen Reich gedient hatten, konnten in der DDR stilistisch bruchlos weiter arbeiten.
Der Schöpfer des Gärtnerjungen war jedoch zu jung, um sich an der deutschen Mordbrennerei zu beteiligen. Diese Arbeit ist zwar am Proletkult orientiert, trägt aber auch viel Frohsinn in sich.
Nachdem wir die Insel fast umrundet hatten, besuchten wir die dort ansässige Galerie.
Der Brandenburgische Kunstverein Potsdam war auf die gewöhnungsbedürftige Idee gekommen, unter dem Titel "Anonymous", Werke ohne Informationen über die Produzenten auszustellen.
Damit wollten sie die Regeln des kommerziellen Kunstbetriebs unterlaufen.
Mir kam die Idee zu unausgegoren vor. Wenn KünstlerInnen vom Verkauf ihrer Arbeiten leben müssen, sind sie doch auf Gedeih und Verderben daran gebunden sich einen Namen zu machen.

So erfuhr ich nichts über den Schöpfer der Installation.
Anschließend schlürften wir Kaffee und verspeisten Kuchen im Inselcafe. Es war warm, so saßen wir draußen am Wasser. Leider sind dort die sehr großen ziemlich aggressiven Schwäne ein Problem. Sie beißen kräftig, wenn man / frau ihnen ihren Anteil verweigert.
Durchblick
Dann hatten wir Lust auf Kunst mit Namen. Die fanden wir in der Galerie Sperl am Nicolaisaal. Peter Weiß stellte dort unter dem Titel "oxydAktion" seine mit verschieden farbigem Rost gemalten Bilder aus.
Auf Hartfaser aufgetragen entsteht eine Wirkung wie bei verrostetem Metall. Ein witziger Effekt beim Bild nebenan ist, die hinein gemalte Bohrung. Scheinbar fällt durch sie Licht von hinten hindurch.
In der Nähe, an der Friedrich-Ebert-Strasse, betreibt die Galerie Sperl eine temporäre Depandance in einer ehemaligen Fachschule. Der DDR Bau im Stil der Sechzigerjahre steht leer und wird so zwischenzeitlich genutzt.
Die "Schaufenster Galerie" zeigt in schönen lichtdurchfluteten Räumen zeitgenössische Kunst und auch die Werke des Galeristen Rainer Sperl.
Der spielt gerne mit Material und Formen und produziert ausgesprochen Witziges und Hintergründiges.

Die neue Tasche
Kätzchenspanner
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Besuch des Seepferdchens
Lezzueck A. Coosemans ist in den magischen Realismus vernarrt. Für mich malt er einen Tick zu niedlich.
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Der Gärtner, 2011
Hans Hendrik Grimmling hat den Vorteil abstrakt zu malen. Das kann man / frau nie niedlich finden. Mir gefiel das flächige Bild, besonders die Muster auf den grauen Flächen. 
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Vogelbegegnung
Mathias Melchert zeigte ebenfalls keine fotorealistische Arbeit. Doch obwohl ich mich vor seinen Flattertieren etwas gruselte, hatten sie was. 
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Die Auswanderer, 2007
Der rote Bau
Dieter Zimmermann alias der Grübelzwang setzt die Bilder aus kleinen zusammen, so gibt viel zu schauen. Malte Brekenfeld malt im Stil der Surrealisten. Oben scheint ihn Hieronymus Bosch inspiriert zu haben.

Nach so viel Kunst besuchten wir schon zum zweiten Mal das Fischrestaurant Butt, es schmeckte wieder vorzüglich. Es ist der richtige Ort für LiebhaberInnen von totem Flossengetier.
Meine Begleiterin aß den fotografisch festgehalten gegrillten Loup de Mer.

Dann folgte der eigentliche Grund für den Potsdam Besuch. Wir hatten Karten für das Hans-Otto-Theater bestellt, dessen künstlerischer Ruf sehr gut ist. Der Neubau ist außerdem ein architektonischer Juwel.
Wir gingen jedoch ins Schwesternhaus,  in den Reitsaal, der auch ganz passabel aussieht, aber doch nur ein umgebauter Reitsaal ist.
Doch wir wollten ein Stück sehen. "Von Mäusen und Menschen" nach der Novelle von John Steinbeck war angekündigt.

© Hans-Otto-Theater
Leider hat der Regisseur Niklas Richter das Stück zu klamottig angelegt und die Rollen falsch besetzt. Der eigentlich, als ein wenig geistig zurückgebliebener, aber sehr kräftiger Landarbeiter angelegte Lennie, war nicht kräftig gebaut und konnte auch sonst die Rolle nicht ausfüllen. Florian Schmidtke war der Darsteller.
Das verführerische Mädchen Elzemarieke de Vos wirkte extrem kühl. Somit waren schon die wichtigsten Personen im Stück falsch besetzt. Das Einzige was uns wirklich zusagte, war die musikalische Darbietung.
Passend gab es Swing zu hören.

Besonders der Pianist Christian Deichstetter war ein Könner.
Den Frust über die dürftige Dramaturgie ertränken wir im Holländerviertel mit Rotwein.

Das Copyright für alle nicht ausgezeichneten  Fotos liegt bei Irmeli Rother.

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