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Chorgesang und Gomorra

06.06.2015

Nachmittags besuchten wir das Chorfest in der Crellestrasse. Auf fünf Bühnen traten im Wechsel Chöre auf.
„Da wo man fröhlich singt, da lass Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“ sagt der etwas intellektuell unterbelichtete Volksmund. Spätestens seit "SA marschiert..." ist zu erkennen, dass Gesang nicht per se für Frohsinn steht.

Foto: © Irmeli Rother
Trotzdem, wenn fröhliche Menschen singen, ist es meist nett. In der Crellestraße war die Stimmung sehr harmonisch und spätestens als der Kiezchor unter Leitung von Frank Wismar neben I. und mir ein finnisches Volkslied intonierte, hatte das Fest das Herz meiner Liebsten gewonnen.

Abends wurde das Programm härter. In der Volksbühne wurden "Die 120 Tage von Sodom" gegeben.
1785 hatte Marquis de Sade die literarische Vorlage geschrieben. In dieser Zeit, in der die Herrschenden das bevorstehende Ende ihrer Gewaltherrschaft und die herannahende Revolution spüren, wollen sie noch einmal ihre Macht maximal auskosten. Vier vermögende Herren ziehen sich mit SklavInnen in ein Schloss zurück und je nach Neigung gestalten sie in dreißig Tagen Vergewaltigung, Orgien, Missbrauch und Mord in einem festgelegten Ritual.
Pier Paolo Pasolini griff in seinem Film "Die 120 Tage von Sodom" von 1975 diese Idee auf, verlegte Ort und Zeitpunkt in den untergehenden italienisch / deutschen Faschismus. Bevor die alliierten Truppen den Norden Italiens befreien konnten, bestand dort in der Republik von Salo eine ähnliche Situation wie im vorrevolutionären Frankreich, eine Situation in der die noch herrschenden italienischen Faschisten im Angesicht ihrer Niederlage die moralischen Hemmungen vollständig verloren. Sie genießen ein ähnlich der Erzählung von de Sade gestaltetes Horrorregime.

 In der Theater Fassung von Johann Kresnik wird die Handlung ins Heute verlegt.
Das Ende des Kapitalismus und des "Konsumfaschismus" ist nah und vier Mächtige wollen vorher noch mal ordentlich die Sau rauslassen. Das tun sie in Anlehnung an die Vorlagen gewalttätig.
Für Menschen mit schwachen Nerven ist das nichts.
Spätestens wenn einer Schwangeren bei lebendigem Leib das Baby heraus geschnitten und auf einen Grill gelegt wird, mag man / frau nicht mehr gerne hinschauen.
Doch das Bühnenbild von Gottfried Helnwein ist genial und die SchauspielerInnen transportieren das Anliegen des Stückes gut zu den ZuschauerInnen.
Ganz besonders gefiel mir der Choreograph Ismael Ivo, der auch Mitspieler dabei war und am Anfang  als schwarz geschminkter Schwarzer auftrat. Ein schöne Parodie auf das rassistische blackfacing von weißen SchauspielerInnen.

Für mich war allerdings Kresniks Definition des aktuellen Kapitalismus als Konsumfaschismus fragwürdig. Ich möchte das widerwärtige politisch / ökonomische herrschende System nicht schönreden, aber Faschismus ist eine politisch definierte Ideologie und sollte nicht als Schimpfwort missbraucht werden. Ich erlebte diesen oberflächlichen Gebrauch des Wortes zuletzt von den Genossen der RAF.

Mitwirkende: Roland Renner (Blangis (Abgeordneter)), Helmut Zhuber (Durcet (Richter)), Enrico Spohn (Curval (Bankier)), Hannes Fischer (Bischof), Ismael Ivo (George (amerikanischer Offizier)), Inka Löwendorf (Hure 1), Ilse Ritter (Rabe/ Hure 2), Sarah Behrendt (Sängerin), Juan Corres Benito (Opfer/ Tanz), Andrew Pan (Opfer/ Tanz), Valentina Schisa (Opfer/ Tanz), Sylvana Seddig (Opfer/ Tanz), Sara Simeoni (Opfer/ Tanz), Osvaldo Ventriglia (Opfer/ Tanz), Elisabetta Violante (Opfer/ Tanz), Yoshiko Waki (Opfer/ Tanz), Günter Cornett (Schergen), Helmut Gerlach (Schergen), Wagner Peixoto Cordeiro (Schergen), Arnd Raeder (Schergen), Christian Schlemmer (Schergen), Leandro Tamos (Schergen), Katia Fellin (Mädchen), Paula Knüpling (Mädchen), Ruby Mai Obermann (Mädchen), Estefania Rodriguez (Mädchen), Nathalie Seiß (Mädchen), Marlon Weber (Mädchen), David Eger (Breakdance), Lukas Steltner (Breakdance) und Lucia Itxaso Kühlmorgen Unzalu (Kind)

Kritik der anderen: Nachtkritik, Berliner ZeitungDeutschland Radio Kultur, Tagesspiegel

Schauen und Hören

30.05.2015

Am Nachmittag schauten wir nicht ganz zufällig ein Ausstellung einer finnischen Collagistin. Ulla Jokisalo verändert Fotos durch Hinzufügungen.
Ihre Arbeiten verzauberten uns durch hintergründigen Humor und durch Brechung der Realität.
Sie ist eine Künstlerin aus der Talentschmiede Helsinki School.
Der Gallery Taik Persons gelang mit der Ausstellung ein großer Wurf.
Die Galerie zeigt regelmäßig KünstlerInnen aus Finnland. Ein Besuch lohnt sich.

Es folgte ein Besuch der Kneipe Schmitz Katze aus Anlass der Kreuzberger Langen Buchnacht.


Es lasen drei von zehn Autorinnen aus der Anthologie: "BerlinCrime, dunkle Berlingeschichten". Alexandra Lüthen, Albertine Lukilian und Beate Kemer (v.l. nach r.) trugen Auszüge aus ihren Texten vor. Wir fanden die Geschichten etwas flach, außerdem stank es in der Katze nach kaltem Rauch, so machten wir uns bald davon. Nicht ohne die Fotos der von Aleksandra Koneva gefertigten Objekte zu beachten. Sie sind auf intelligenter Weise witzig.

Flying Shoes, 2014

Dann speisten wir im allseits hochgelobten französischen Bistro Chez Michel in der Adalbertstraße.
Die Einrichtung ist angenehm spartanisch und die Preise waren gut ertragbar.
Es war sehr früh am Abend und so war das Lokal noch nicht so gut gefüllt wie auf dem Bild.
Es waren jedoch alle Tische für später reserviert.

Alle Fotos Irmeli other

Balkanien geht in die Beine

09.05.2015

Leider ist das Leben oft ungerecht. Das knuffige Balkan Orchestra Hai La Hora spielte im Brauhaus Südstern vor sehr wenig Publikum.
Die Band war eine kleine Entdeckung für uns.
Die Sängerin beherrschte die Technik des bulgarischen Kehlgesangs gut  und die Band (Tuba, 2 x Trompete, Querflöte, Saxophon, Schlagzeug) spielten eingängigen Grooves dazu.
Für das "normale" Publikum im Brauhaus war die Musik jedoch wohl zu anspruchsvoll.
Nicht nur um der Band ein wenig Unterstützung zu geben, auch weil die Musik in die Beine ging, fassten W. und ich uns ein Herz und tanzten uns die Füße heiß.
Wir blieben die Einzigsten, bekamen aber nach dem Konzert Zuspruch von den sympathischen MusikerInnen.
Ich wünsche ihnen zukünfitigt richtig viele ZuhörerInnen.

Böser, böser, Richard

05.05.2015

Unser Lieblingsschauspieler und Rampensau Lars Eidinger gab Richard III. nach Shakespeare in der Schaubühne. Einen verkrüppelten hinterhältigen Machtmenschen, der so lange alle austrickst und viele um die Ecke bringt bis er merkt, dass alle ihm ans Leder wollen. Da zieht er in eine letzte Schlacht und kommt in ihr um.

Foto: Arno Declair
Nun mag die Story nicht die Realität widerspiegeln, die Sieger über Richards Familie stellten die neuen Regenten und eine positive Darstellung Richards hätte Shakespeare wohl den Kopf gekostet.
Trotz diesem Mangel ist ein Stück von englischen Autor immer überzeugend, wenn das Personal auf der Bühne die Geschichte transportiert. Dies gelang ausgesprochen Gut,
Ein Raum der Schaubühne war dafür als Globe Theater gestaltet.
Als Bösewicht verstand Herr Eidinger so richtig böse und hinterhältig zu sein. Sehr viel Raum blieb da nicht für die anderen Akteure.
Das Bühnenbild war aber auch genial und die begleitenden Musiker auch. Im Video unten ist das Stück anzusehen. 


Regie: Thomas Ostermeier
Bühne: Jan Pappelbaum
Kostüme: Florence von Gerkan
Mitarbeit Kostüme: Ralf Tristan Scezsny
Musik: Nils Ostendorf
Video: Sébastien Dupouey
Dramaturgie: Florian Borchmeyer
Licht: Erich Schneider
Puppenbau: Ingo Mewes, Karin Tiefensee
Puppentraining: Susanne Claus, Dorothee Metz
Kampfchoreographie: René Lay
Richard III: Lars Eidinger
Buckingham: Moritz Gottwald
Elizabeth: Eva Meckbach
Lady Anne: Jenny König
Hastings, Brakenbury, Ratcliff: Sebastian Schwarz
Catesby, Margaret, Erster Mörder: Robert Beyer
Edward, Bürgermeister, Zweiter Mörder: Thomas Bading
Clarence, Dorset, Stanley, Prinz v. Wales (als Puppe): Christoph Gawenda
Rivers, York (als Puppe): Laurenz Laufenberg
Schlagzeuger: Thomas Witte

Auftrieb der Kulturaffinen I.

01.05.2015

So ein Galerien Wochenende kann für KunstliebhaberInnen auch schon mal zum Stress werden. Man / frau kann sowieso nicht alle Ausstellungen besuchen und so stellt sich schnell der Gefühl ein, man / frau hätte das Wichtigste übersehen.
Zum Glück sind I. und ich erfahrene Followers of Art und wissen, nie können wir Alles sehen und geben uns mit dem zufrieden, was mir vor die Iris und I. vor die Linse kommt.

Etwas aus der Art geschlagen war die erste Vernissage. Traditionell zeigen Jorma Huusko und Aku Jääskeläinen am ersten Mai ihre Kunstwerke des letzten Jahres im Finnland-Zentrum. Die beiden Künstler sind Studienkollegen der Architektur aus Oulu, dem Nippel am Bottnischen Meerbusen.

Jorma Huusko, Die Stelle des
Marktplatzes, 2015
Jorma ist ein Freund von I. und auch deshalb besuchen wir diesen Event. Die Arbeiten der beiden sind ansehnlich.
Sympathisch war auch die Spendenaktion der beiden für ein Projekt in Afrika und das Kulturprogramm mit  Musik / Performance.
Dazu wurde leckerer Sekt und Knabberzeug gereicht.


Das richtige Galerien Wochenende begann danach für uns mit einer Vernissage in der Sankt Agnes Kirche in Kreuzberg. Diese wurde 2012 von den GaleristInnen Lena und Johann König und zu einem Ausstellungsraum umgestaltet. Architektonisch ist sie dem Brutalismus zu zuordnen. Ich verstehe immer noch nicht, weshalb so etwas damals chic war.
Der berühmte Architekt Werner Düttmann hat das Gebäude erbrochen.
Aber die Räume sind riesig und wie gemacht für Großformatiges.

Wie geschaffen für die mehrere Quadratmeter großen Bilder von  Katherina Grosse war der Altarraum im ersten Stock.
Wir waren ob der kräftig farbigen Gemälde begeistert.
Man / frau braucht neben genügend Kleingeld leider auch viel Platz an der Wand für die Werke.

Michael Sailstorfer
Knoten (44), 2014
Im Untergeschoss wurde eine Gruppenausstellung präsentiert. Manches war eher läppisch wie die Luftballons von Jeppe Heim, die gelangweilt und langweilig an der Decke hingen. Dessen Stil erinnerte mich fatalerweise an den teuren Plastikmüll von Jeff Koons. Aber auch meine Lieblingskünstlerin Alicja Kwade war dabei, doch in der Menge des Angebotenen fiel mir eine Arbeit von Michael Sailstorfer besonders auf. Er war Preisträger 2012 des Vattenfall (Kohlenstaub + Atommüll) Preises in der Berlinischen Galerie.

Camille Henrot, 2014
Personal Development
Hervorragend fand ich die Skulptur von Camille Henrot. Ihre Arbeiten sind teilweise nett ironisch. Es lohnt sich auf ihre WEB Site zu schauen. Die Künstlerin war mir bis dato unbekannt. Sie ist sehr gut international aufgestellt. Ich glaube, ich muss mir ihren Namen merken.
Dann hatten wir erstmal genug Sichtbares aufgesogen, speisten in einem Restaurant, radelten nach Hause und bereiteten uns auf die kommenden zwei anstrengenden künstlerischen Tage vor.

Fotos © Irmeli Rother

Tanzen mit Gabys

30.04.2015

In der den Nacht des Abschieds vom April tanze ich gerne in den Mai. Diesmal mit Freunden im Brauhaus Südstern. Dies ist eine recht geräumige Kneipe an der Straße Hasenheide nah beim Südstern, die während des Normalbetriebs viel von Haxentouristen frequentiert wird. Ob der entsprechenden Geruchsbelästigung halte ich mich nicht gerne im Gastraum auf.
Im Sommer ist aber der Biergarten zum Park ein kleines Juwel, lecker ist auch das selbst gebraute Bier.
Das draußen Feiern war ob den Regenfällen jedoch nicht angesagt.
Wir hatten einen Tisch bestellt und vorher gut gegessen, denn die Qualität der Speisen ist dort unterdurchschnittlich.
Nach einer eher mittelmäßigen Vorband namens Boat People warteten wir sehnsüchtig auf den Hauptgig, die Frauencombo, Die Gabys.
Die sind Profis, sowohl was die Bühnenshow als die musikalische Präsenz angeht. Da ging, wie der Berliner so sagt, die Luzi ab.



Die Damenkapelle unterhielt uns mit Soul, Rock und Blues gut. Trotzdem es eine 60+ Plus Party war, füllte sich schnell die Tanzfläche und es wurde gezappelt.
Zum Schluss gab es dann noch ein Set, bei dem beide Bands auf der Bühne standen.

Anschauliches und Eule

26.04.2015
 
Sonntags im Kiez.
Nachmittags wurde in Park am Gleisdreieck die Ausstellung Ein Hektar eröffnet. Der genaue Standort ist Westpark auf der Schöneberger Wiese, der Eingang von der Kurfüstenstraße liegt am nächsten. Als Ausstellung zum Thema Boden natürlich mit einem größeren Freilandanteil.

Zur Vernissage war der Himmel gnädig. Ob das an den RednerInnen, Adrienne Göhler und Klaus Töpfer, lag oder an den kostenlos servierten Getränken und Häppchen lag, werde ich wohl nie erfahren. Die Reden waren ok, die flüssigen und festen Beigaben vorzüglich.
An Kunst gab es Einiges.

Der Regen hielt sich derweil für zwei Stunden zurück.

Eine Performance von Celia Eslamieh Shomal („If I can’t dance..“) setzte unmittelbar ein. Sie schrieb mit Getreidekörnern auf den Boden "wir ernten, was wir säen". Naja, sie war ganz hübsch anzusehen, aber die Aktion ein wenig langwierig und leider auch noch englisch übersetzt, was auch ob der schlecht zu entziffernden Schrift, zu einem allgemeinen Rätselraten führte was sie meint.

Eine gute Idee fand ich die Performance von Stoll and Wachall. Sie steckten in Schutzanzügen und versprühten "Pestizide". Eine direkte Aktion ohne großen unverständlichen Überbau, die auch direkt am Publikum funktionierte. Nur ein Dackel verstand nix, war verängstigt und knurrte.

Was eigentlich wenig mit dem Thema zu tun hat, aber bei Kindern immer gut ankommt, war Malen. Die Kids beschmierten begeistert Papier mit Hilfe von Tannenästen.
Witzig anzuschauen war, dass auch erwachsene Frauen mit so etwas zu ködern sind. Die beiden beschmierten sich unter viel Kichern gegenseitig die Gesichter.

Eine wenig originelle Idee war ein mit Flatterband abgesperrter Bereich von Shahram Entekhabi und Amy Green, in dem Vogelhäuschen hingen, aus denen Vogelstimmen und Straßengeräusche zu hören waren.
Ähnliches sah ich schon öfter und auch spannender gestaltet.

Gelungener war da die von Rolf Sudmann gepflanzten Handys. Jedes stand für eine der seltenen Erden, die für die Produktion von Handys benötigt werden. Jedes der Telefone war per Handy anwählbar, um mehr über die jeweilige seltene Erde zu erfahren.
Leider funktionierte dies nicht.

Richtig begeisterte mich ein kleiner Erdhügel. Der Isländer Egill Sæbjörnsson, welche Nation hält sich sonst Trolle als Haustier, hat ihn geschaffen. Im Hügel war ein faustgroßes Loch, aus dem Gebabbel, Gesang und Lachen zu hören war. Der Schöpfer erklärte, dass sich darin ein Mori befindet, ein Wesen aus ferner Zeit.

Es ist gerne für sich, aber er hat nichts dagegen, wenn man / frau ihm zuhört. Die Geschichte dazu solltet ihr lesen, sie ist zum Quieken. Ich habe mich ein wenig in den kleinen Kerl verliebt. Auf die Frage, wie der Mori sich ernährt, erklärte der Künstler mir, dass er Strom frisst. Dazu muß er ihn ab und zu ausbuddeln und die Batterien auswechseln.

Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Mai anzuschauen.

Anschließend schlürfte ich nebenan noch einen Americano im bezaubernden Café Eule. Das ist in einer Laubenkolonie gelegen, ein wenig provisorisch rund um einen Bauwagen gruppiert, versprüht aber den Charme eines gemütlichen Schrebergartens.

Schwelgen in Milch und Zucker

20.04.2015

Ein besonders erfüllender musikalischer Montagabend in der Bar Südwest mit dem Duo ?mit Milch und Zucker!
Gerhard A. Schiewe (Akkordeon) und Lutz Wolf (Flügelhorn) bezauberten die ZuhörerInnen mit vielen Stücken von Stevie Wonder und Eigenkompositionen.
Beide Musiker kannte ich schon aus anderen Projekten. In Kombination sind die beiden erfahrenen Spielleute toll.

Den Akkordeonisten hörte ich schon mal bei einer Veranstaltung Poesie und Musik, den Hornisten bei der Blaskapelle Schnaftl Uffschick.

Große Auftritte

18.04.2015

© Marco Borggreve
Immer wieder Samstags führe ich die Liebste gerne aus. Diesmal zu einer musikalischen Darbietung.
Wir hörten ein zweigeteiltes Konzert des Konzerthausorchesters im Konzerthaus am Gendarmenmarkt
Der Dirigent war Michael Sanderling.
Besonders in Teil zwei kam er dabei ordentlich ins Schwitzen.

Vor der Pause erklang das Frühwerk für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op.37 vom Ludwig van Beethoven. Das ist ein recht beschwingtes Stück, anders als es die grimmig drein blickende Skulptur des Komponisten ein paar Meter von unserem Sitzplatz vermuten ließ.
Symbiotisch mit dem Orchester agierte der Tastenzauberer Arcadi Volodos am Flügel. Das Publikum klatschte sich die Hände rot, so das der Solist noch eine kleine Zugabe spielt.

© Marco Borggreve
Im zweiten Teil hörten wir die 7. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsc, die Leningrader Sinfonie. Diese ist eine Verbeugung vor dem Widerstand der Bevölkerung der Stadt gegen die Deutschen Besatzer.
„Ich widme meine Siebente Sinfonie unserem Kampf gegen den Faschismus, unserem unabwendbaren Sieg über den Feind, und Leningrad, meiner Heimatstadt ...“
– Schostakowitsch: Artikel vom 19. März 1942 in der Prawda



Das Aushungern der Stadt von vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 stellte eines der größten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht gegen die Bevölkerung der Sowjetunion dar.
Gemeinsam mit der finnischen Armee wurde die Stadt umzingelt, Nahrungsmittel wurden nicht in die Stadt gelassen und so verhungerten um eine Millionen BewohnerInnen in den dreieinhalb Jahren der Belagerung.
Die rassisch minderwertige Bevölkerung auslöschen, war das Ziel der deutschen Heeresleitung. Ähnlich verfuhr sie auch mit den Millionen verhungerten sowjetischer Kriegsgefangenen, die in Lager gepfercht und nicht ernährt wurden. Diese Verbrechen ordnen sich ein in den so genannten Hungerplan, der Nahrungsmittel aus der Sowjetunion ins deutsche Reich abzog und damit bewusst Hungersnöte provozierte.
In Leningrad wurde Schostakowitscs Symphonie während der Belagerung am 9. August 1942 aufgeführt.
Wir satt und in unseren bequemen Sesseln im Konzerthaus waren aber trotz der Distanz zum Geschehen tief beeindruckt und meiner Liebsten lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
Das Stück und die kraftvolle Interpretation durch das Orchester waren der Grund.

Sonntagsspaziergang und drei mal Kunst

12.04.2015

Sonntag will die Liebste immer spazieren gehen, manchmal latsche ich mit. Irgendwie ist es mir fremd meine Gehwerkzeuge ohne Ziel zu gebrauchen. Aber wenn die Liebste es so will.. So durchquerten wir den Tiergarten.
Zum Glück fanden dann in der Bülowstraße 90 noch drei Finissagen statt, die entschädigten mich für das erlittene Leid.

1. Berlinutte Art Space

Drei italienische Künstler stellten unter dem Motto "Neapolitanfire" aus. Dabei waren UldericoGiò Di Sera aka Don Rispecto und A-Morale.
Insgesamt war das Ausgestellte recht trashig. Aber auch irgendwie typisch italienisch, zumindest was die Vorstellung der eigenen Manneskraft angeht.
Anscheinend ist darauf nicht nur Berlusconi stolz, dem Künstler genügt es nicht nur harte große Eier zu haben, es müssen auch noch drei sein.

Wie sagte meine Mutter so klug: "Hochmut kommt vor dem Fall.


Die oben zu sehenden Materialcollagen fand ich zu einfältig, eher was für einen von Touristen besuchten Kunstmarkt.
Spannend fand ich nur eine Arbeit, wo kleine ca. DINA6 große Collagen mit roten Fäden verbunden waren.




Hier wurden Videos von Merit Fakler und Gemaltes von ter Hell gezeigt

Bilder von ter Hell wurden hier schon öfter ausgestellt.
Bisher fand ich seine Kunst nicht sehr überzeugend. Seine Arbeiten sind für mich eine schlechte Kopie derer von Jackson Pollock.
Logischerweise stehen KünstlerInnen immer in der Tradition ihrer Vorfahren, aber etwas mehr eigenen Stil erwarte ich trotzdem.

Im Gegensatz dazu boten die vier Videos von Merit Fakler optisch Interessantes. Sie gefielen mir gut. Besonders eines, in dem Fahrstuhlfahrten und die Blickwinkel aus der und in die Kabine eine Rolle spielen. Hier ist das Werk einer professionellen Videoarbeiterin zu sehen. Leider ist dieser Film nicht im Internet zu finden, so kann ich euch nur drei Szenenfotos zeigen.

Sehfahrt © Merit Fakler 1999, 7 min

3. Freies Museum in Cooperation mit SAVVY Contemporary

Unter den Titel "DEVOUR! SOCIAL CANNIBALISM, POLITICAL REDEFINITION AND ARCHITECTURE" wurden im ersten Stock über dem Museum hauptsächlich längere Videos gezeigt.
Dabei ging es um soziale Kannibalisierungsprozesse.
Wir sahen den Film Africa Shafted aus Südafrika über das höchste Gebäude in Johannesburg, das Ponte City. Es ist 173 Meter hoch,  kreisrund und sollte mit seinem Innenhof nach den Ideen der Architekten eine Stadt in der Stadt werden.
Leider liegt es im Stadtteil Hillbrow, der als einer der gefährlichsten des Landes gilt. So wohnen im Haus nur noch Menschen mit geringem Einkommen, darunter viele Emigranten aus dem Rest von Afrika.
Die Videomacher interviewten BewohnerInnen im Fahrstuhl. Das war interessant, aber machte nicht richtig Laune in das Haus einzuziehen.
Der Film zeigte, dass eine asoziale Architektur asoziales Verhalten produziert.
Werden in einem Haus mehrere tausend Menschen in Apartments untergebracht, entsteht nicht automatisch nachbarschaftliches Verhältnis. In Ponte City funktioniert das Leben nur mit Kontrollen und Überwachung.
Aber der Profit für die Kapitalgeber wird gesichert.



Danach hatten wir nicht die Muße noch weitere Videos anzusehen.

Alle Fotos bis auf eines © Irmeli Rother