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KA - GER - ZMK

23.11.2014

Bei Karlsruhe über die Rheinbrücke liegt das Nest Wörth (Germersheim). Dort arbeitete ich wieder mal in einer Firma, die Zuckerbrause herstellt, dieses mal für Lidl. Ein paar Kabel fehlten und die fädelten Kollegen und ich in Kanäle ein.

Wörth selbst ist eine reiche Kleinstadt, die ihren Wohlstand einen riesigen LKW Werk und dem zweitgrößten Rheinhafen verdankt. Alles ist hier sehr ordentlich, man / frau lebt halt im Helmut Kohl Land. Als ich auf den Auto Rückbanken die Klorollenmützen sah, wollte ich hier nicht begraben sein.

Den arbeitsfreien Sonntag nutzte ich zu einem Besuch im ZKM. Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie entstand 1997 in Karlsruhe in einer ehemaligen Munitionsfabrik.
- Schwerter zu Kulturflügeln -

Das Gebäude ist gelungen konvergiert, es beherbergt zwei Museen, drei Forschungsinstitute und eine Mediathek. Außerdem ist eine Designschule und die Städtische Galerie Karlsruhe eingezogen.
Im Haus spürt man sofort, dass es nicht nur ein Museum ist. Schon das Museumsrestaurant ist auch Studentenmensa. Die Gerichte sind günstig, aber trotzdem sehr lecker. In den Foyers finden Partys, Konzerte und Diskussionen statt.
Leider fehlten am Sonntag die Studenten.
Andere Museen sollten ähnlich lebendig sein.


Der Feigling, der das
Herz beschützt, 1966
In der ersten Ausstellung entdeckte ich den mir unbekannten italienischen Künstler Gianfranco Baruchello. Unter dem Titel Certain Ideas - Verschiedene Ideen ist eine Werkschau von ihn zu sehen. Er ist 1934 geboren und ist künstlerisch ein Kind seiner Zeit. Dada, Konzeptkunst, Popart waren ihm Vorbilder.
Das sehr Besondere an seiner Kunst ist, dass er vielfach auf weißem Papier mit feinem Stift eine Art von Karten zeichnet. Dort finden sich Flüsse und Straßen, vielfach beschriftet und öfter auch mit kleinen Bildern beklebt.
Abwechslungsreich und spannend war das anzuschauen.

Für die Wiedereinführung des
Mythos der Helden, 1964
Die Bildbeschriftungen waren oft witzig.
Er ist ein Spätzünder was die Kunst anbelangt. Erst im Alter von 35 Jahren begann er sich dort ohne Studium zu engagieren.
Marcel Duchamp, der Zampano der Konzeptkunst, hat ihn stark inspiriert. Baruchellos Werk unterliegt aber auch politischen und philosophischen Einflüssen.

Andreas Schulze, Pferd, 1991
Eine weitere Ausstellung Von Ackermann bis Zabotin zeigte Teile des Bestandes der Städtischen Kunsthalle Karlsruhe. Es war ein zeitlich geordneter Rundumschlag durch das Depot. Viel Ansehnliches war dabei.


Jörg Immendorff, 1978
Café Deutschland IV
Das meiste war irgendwie ganz nett. Natürlich kannte ich nicht alle KünstlerInnen und Bilder, aber ich mag gut kuratierte Ausstellungen lieber.
Sich fünfzig Namen und Werke merken zu können ist mir nicht gegeben und so bleiben mir meist doch wieder die Bekannten im Gedächtnis. Da hilft auch kein ausführliches Textheft, es landet doch bald im Papiermüll.

Die dritte Abteilung im ZKM behandelte Computerspiele. Hier zeigten StudentInnen aus dem Haus ihre Werke. Da ich meine intensive PC Spielephase schon seit zwanzig Jahren hinter mir habe, schaute ich nur kurz hinein. Einmal probierte ich etwas aus.

Ein riesiger Flachbildschirm lag auf dem Boden. Darauf waren reale Werkzeuge verteilt. In den Ecken warteten virtuelle Autos. Man / frau konnte diese mit Spielkonsolen um die Werkzeuge herum steuern. Kaum hatte ich gelernt wie die Wagen zu steuern waren, als ein zirka acht Jähriger sich eine andere Konsole griff, sein Auto vor meines steuerte und meines mit zwanzig Schüssen Dauerfeuer erledigte. GAME OVER!
Diese Jugend von heute ist ja beinah noch schlimmer, als wir es waren ;-(

Ist eine Pfütze nur eine Pfütze?

15.11.2014

Nein, sagt Mirja Busch und mit ihrem Pfützenarchiv in der Galerie cubus-m beweist sie dies.
Sie hat vier Jahre lang Wasserlachen abgebildet und die Flüssigkeit aufgesaugt und diese dann in Flaschen abgefüllt.
Doch nicht jede Pfütze war ihr wert abgelichtet zu werden. Sie wählte nur die aus, in denen sich etwas Spannendes spiegelte.

Die Bilder waren hervorragend fotografiert und das Pfützenwasser machte aus der Arbeit Konzeptkunst.
Die Lachen oben stammen aus Buenos Aires und die Flaschen sind in der Galerie im ersten Stock zu besichtigen.

Übertrieben fand ich nur den Preis der Aufnahmen. Eine soll 350 € kosten, die Künstlerin betonte zwar, dass jede ein Unikat ist und es nur einen Abzug gibt. Mich würde es nicht stören, wenn es hundert Abzüge gäbe und das Set oben 50 € kosten würde. Da könnte sie doppelt so viel erlösen, wenn sie hunderte LiebhaberInnen findet.
Bis zum 17.01.2015 könnt ihr noch Mirja Buschs Arbeiten ansehen. Es lohnt sich.

2vl Marja Busch, 2vr der Galerist

B flach greifen

12.11.2014


Beim Besuch des wöchentlichen Jazz Jam im b-flat entdeckte ich mal wieder eine besondere Stimme. Quasi als Vorgruppe sang Efrat Alony mit Unterstützung des Bassisten Childo Tomás und des Perkussionisten Nené Vasquez.
Die Dame verzauberte mich mit ihrem teilweise meditativen Gesang, zu dem sie geschickt eine Loopmaschine einsetzte und ihre Begleiter standen ihr an musikalischem Können nicht nach.
Die Sängerin ist gerade auf Tour, neue Auftrittstermine in Berlin fand ich jedoch nicht auf ihrer WEB Seite, schaut einfach mal nach. Ihre Gesangsperformance ist fantastisch.

Fast nur Fotos

11.11.1952

Weil die Liebste arbeitsfrei war und ich bezahlt freigestellt, nutzten wir die Gelegenheit ein wenig Fotografisches anzusehen. Sie ist ambitionierte Hobbyfotografin, so bereitete es mir Vergnügen ihr an meinem Geburtstag eine kleine Freude zu machen.

1. Willy-Brandt-Haus
Hier sahen wir Arbeiten des türkischen Magnum Fotografen Ara Güler. Er ist seit den 50er Jahren ein Chronist des Lebens in der Türkei. Zuerst Schwarz / Weiss - später mit Farbfotos. Dabei hat er nicht das Leben der Reichen und Schönen im Fokus, er bildet vorwiegend das der einfachen Leute ab.
Das war in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg nicht leicht. Die Menschen wurden arm gehalten und versuchten sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren.
Die Reportagen erinnerten an Heinrich Zille.

Wenn sich die türkischen Menschen gegen die Herrschenden erhoben, wurden blutrünstige Militärdiktaturen installiert. Die Nato unterstützte die Putschisten. Die USA war immer dabei. Zehntausende GewerkschafterInnen und Linke wurden ermordet.
Auch dies dokumentierte Ara Güler.
Wie bei einer 1. Mai Demonstration in Istanbul, bei der durch Scharfschützen hunderte Demonstranten erschossen wurden.
Mit seinen Bildern dokumentiert er die Kontinuität der Unterdrückung bis zum Taksim Platz.

Im gleichen Haus schauten wir noch Malerei von Rita Preuss aus Berlin.
Unsere Begeisterung hielt sich in Grenzen. Die malerische Qualität war nicht besonders und manche Bilder erinnerten ein wenig an naive Malerei. Obwohl Rita Preuss Meisterschülerin von Max Pechstein war, überzeugten uns ihre Arbeiten nicht vollständig. Ein paar gefielen mir doch gut.

Die Ausstellung der Fotos von Ara Güler sind noch bis zum 15. Januar 2015 zu sehen. Die Malereien von Rita Preuss bis zum 07. Dezember 2014. Alles bei freiem Eintritt.

------------------------ Streetart am Halleschen Tor ------------------------



Manchmal finden sich auch Perlen am Wegesrand, obwohl ich mit dem Spruch Kunst nicht Krieg zu machen nur mäßig zufrieden bin.
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2. Carpentier Galerie
Unter dem Titel Berlin Photography zeigt die Galerie eine Serie von Ausstellungen. Wir besuchten die No 4, zu sehen war Stadt- und Straßenfotografien.
Vier FotografInnen wurden vorgestellt.

Frank Silberbach, dokumentiert mit seiner Panoramakamera schwarz / weiss den Alltag in Berlin.

© Frank Silberbach, Projekttitel: BERLIN 140°
- Silvia Sinha, vertritt eher die künstlerische Position, sie lichtet Dinge mehr wegen der ästhetischen Qualität ab.

© Silvia Sinha, Projekttitel: Brandmauern
Stefanie Steinkopf, arrangiert fotografische Standbilder wie  für eine Bildergeschichte. Der Titel des Bildes unten lautet: Die betrogene Ehefrau.

© Stephanie Steinkopf, Projekttitel: From Somewhere and Now
Erik-Jan Ouwerkerk, sein Werk ist stark mit der Stadtarchitektur verbunden, seine Protagonisten erobern sie.

© Jan-Erik Ouwerkerk, Projekttitel: Short Stories
Die weiteren Kapitel von Berlin Photography:
No 5 / 22.112014. - 19.12.2014
FotografInnen: Michele Caliari, Oliver Scholten, Hans-Martin Sewcz, Marga van den Meydenberg
No 6 / 10.01.2015 - 06.02.2015
FotografInnen: Markus Lehr, Michael H. Rohde, Jörg Schmiedekind, York Wegerhoff
No 7 / 21.02.2015 - 20.03.2015
FotografInnen: Stefanie Bürkle, Maximilian Meisse, Jörg Rubbert, Henrik Vering
No 8 / 04.04.2015 - 01.05.2015
FotografInnen: Jürgen Bürgin, Thomas Hillig, Frank Machalowski, Florian Profitlich

Besuche lohnen sich.

3. Kino Delphi
Dort sahen den neuen Dokumentarfilm von Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado.  Das Salz der Erde berichtet über den Fotografen Sebastião Salgado.

© Sebastião Salgado, 1986
The Serra Pelada gold mine
Mit Salz der Erde bezeichnet dieser die Menschen auf der Erde.
Er kam erst sehr spät, als er dreißig war, zur Fotografie. Als Kind des Kampfes gegen die von den USA initialisierte brasilianische Militärdiktatur war sein Blickwinkel sozialdokumentarisch.
Rund um den Globus fotografierte er arbeitende Menschen wie Goldschürfer in Brasilien, die den Abraum aus den Minen mehrere hundert Meter hoch über wacklige Leitern nach oben tragen. Später zog es ihn nach Afrika, wo er die Hungerlager dokumentierte.

Nach Bilderserien über die Massaker in Ruanda brach er jedoch über das Elend, das er sah und ablichtete, zusammen.
Nach einer längeren Arbeitspause begann er Positives auf der Welt zu fotografieren.
Zuerst war er mit Ureinwohnern im Regenwald Brasiliens unterwegs und heute arbeitet er als Tierfotograf.
Ein kluger Film über einen besonderen Fotografen.
Leider taucht seine Frau, die er selbst als so wichtig für seinen Werdegang und seine Arbeit bezeichnet, fast gar nicht auf. So ist es wohl, wenn Männer einen Film drehen und Geschichte schreiben.

Ein Koffer in Neukölln

31.10.2014

Wieder eine Bar in Neukölln entdeckt. Zugegeben der Name Koffer ist nicht richtig originell, aber wenigstens waren in einer Ecke ein paar alte Koffer gestapelt. Außerdem sang ja schon die unsterbliche Marlene Dietrich : "Ich hab noch einen Koffer in Berlin".
Das Lokal liegt nicht direkt am touristischen Trampelpfad Weserstrasse. Von dort bis zum Ende der Fuldastrasse am Kanal sind es noch 5 Minuten zu Fuß.
Die Einrichtung der Bar ist vom Trödel, aber die Preise sind zivil.


Nett ist die Idee den Tresen aus Büchern zu bauen.
In den Koffer hatte mich ein Facebook Freund gelockt. Max Hartmann ist der Bassist und Sohn vom stadtbekannten Gitarristen Hans Hartmann.
Er spielt mit weiteren Musikern bei einer Swing und Jazz Manouche Jam Session.

Fotos © Irmeli Rother

Endlich nach Berlin

20. - 26.10.2014

Also ich kann niemandem empfehlen freiwillig nach Lagos zu reisen. Als verhältnismäßig gut betuchter Weißer ist es nur möglich sich in von Polizei und Sicherheitsdiensten bewachten Zonen zu bewegen.

Bright ist in der Mitte zu sehen.
Einzig bei der Arbeit kam ich in Kontakt zu schwarzen Kollegen. Sie waren teilweise sehr nett. Einer, mit dem hübschen Namen Bright (strahlend), machte mit meinen Kollegen und mir ein Gruppenfoto und schenkte uns am nächsten Tag Abzüge. Auf die Frage, ob er dafür Geld möchte, verneinte er dies. Doch ein paar Tage später fragte er mich, ob ich Euros für ihn hätte, er sagte er will ein Euro Konto eröffnen. Ich gab ihm mein gesamtes Kleingeld.
Wie bei vielen Schwarzen, die in der zukünftigen Getränkeabfüllanlage anwesend waren, war mir erst nicht klar in welcher Funktion er arbeitete. Er suchte sich aber kein ruhiges Plätzchen, wie viele Andere, sondern wuselte immer um meine Kollegen und mich herum. Manchmal, wenn ich versuchte hoch konzentriert zu arbeiten, musste ich ihn sogar verscheuchen, denn er redet gerne.

Durch Nachfragen erfuhr ich, dass er eine höhere technische Ausbildung hat, selbständig ist und die Firma, die mich entsandte, ihn bezahlt, um uns zu unterstützen. Das tat er teilweise auch sehr gut.
Ich schwatzte ganz gern mit ihm und so wurde er mein Facebook Bekannter Nr.515.
Wenn ich ein paar Tage länger geblieben wäre, hätte ich gerne mit ihm das Grab von Fela Kuti, dem bekanntesten nigerianischen Musikers besucht. Er erzählte mir davon, dass er die Begräbnisstätte kennt, nachdem ich ihm meine Liebe zu Felas Musik gestanden hatte.
Hoffentlich bekomme ich jetzt nicht laufend Angebote von Frauen aus Nigeria, die mich kennen lernen wollen. Als ich nämlich sagte, dass ich unverheiratet bin, wollte er mir seiner Schwester vorstellen ;-).
Bisher kannte ich NigerianerInnen nur aus den Internet, die mir für ein paar tausend Dollar zehntausende geben wollten.

Da ich mich ein wenig eingesperrt fühlte, nutzte ich jede Mittagspause, um die Ikeja City Mall zu besuchen. Der Parkplatz ist stets gut gefüllt. Das Publikum ist zwar ausgesucht, aber nicht sehr nach meinem Geschmack, doch mit meiner Auslösung von 60 Euro täglich bin ich für durchschnittliche BürgerInnen Nigerias wohlhabend.

Diese müssen pro Tag mit zwei Dollar auskommen.
Ich besuchte das Einkaufszentrum, um meine Handykarte aufzuladen, Geld abzuholen und / oder um im Supermarkt einzukaufen,
In den schicken Restaurants sitzen dann auch ab und zu Weiße oder Gelbe.

Die können es sich leisten fünfzehn Euro für einen Teller Penne Arrabiata zu bezahlen, dazu ertönt Latino Mucke aus den Boxen.
Ich habe mich ein wenig in einen Imbiss mit nigerianischer Küche verguckt. Mr. Biggs ist zwar auch eine Fastfood Kette, doch essen hier normalerweise keine Weißen. 
Der hygienische Standard dort ist sehr hoch, doch teilweise ist das Essen sehr scharf.

Gerne aß ich dort Fisch oder Huhn mit Reis oder gebratenen Süßkartoffeln
Das links nannten sie Crowfish. Leider konnte ich über das Tier nichts herauskriegen, es schmeckte aber sehr lecker. Das Fleisch ist fest und unter der schwarzen Haut ist ein dünnes Fettpolster, das ein guter Geschmacksträger ist.

So ein Teller war auch mit 1800 Naira (ca. 9 Euro) recht preiswert.


Jetzt nach zwei Wochen Aufenthalt im bewachten Luxus freue ich mich darauf auf einer Strasse ohne Bewacher schlendern zu können, endlich wieder Vollkornbrot zu essen und die Liebste in die Arme zu nehmen.

Noch ein paar Infos zu Nigeria:
Amnestie International, Reporter ohne Grenzen, Transparence International, Ärzte ohne Grenzen

Reisen bildet...

17. / 18.10.2014

... sagt der Gebildete, doch wer sich weigert etwas zu lernen, dem nützt die weiteste Reise nix.
Leider trifft das zweite auf die meisten meiner Kollegen zu.


Wir sind zehn Europäer, mit mir drei aus der BRD, sieben aus Tschechien und Bosnien.
Wieder mal bewahrheiten sich meine Vorurteile gegenüber Deutschen im Ausland.
Die beiden Kollegen aus Thüringen reden ständig über die faulen schwarzen Kollegen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, woran das liegen könnte oder ob das vielleicht überhaupt stimmt.
Sie behandeln die Bedienung im Hotel so, wie es in Filmen aus der Kolonialzeit gezeigt wird.
Mir ist deren Verhalten peinlich, ich bedanke mich regelmäßig für die Dienstleistungen.
Dass das Leben unserer Bediensteten nicht so einfach ist, kann ich mir vorstellen.
So erzählte mir zum Beispiel unser Fahrer, nachdem ich ihn auf dem Parkplatz wecken musste, dass er morgens und abends jeweils zwei Stunden zum Arbeitsplatz benötigt. Den Weg legt er in klapprigen vollgestopften Minibussen zurück, während wir nach dem Frühstück im Hotel von ihm zur Arbeit chauffiert werden. Er hat außerdem oft zwölf Stunden zu arbeiten.
Ich merke auch immer wieder, dass ich große Schwierigkeiten mit "normalen" Männern habe. Gerade wenn wir in Firmenbus fahren wird jede hübsch aussehende Frau mit sexistischen Sprüchen bedacht.
Ein Kollege aus Bosnien hält sich sogar eine junge Schwarze als private Hure während seines Aufenthalts.

An Tag fünf in Lagos bin ich "mutig" geworden und besuche fast täglich die Shopping Mall gegenüber der Arbeitstelle. Hier ist alles Luxus pur im Verhältnis zum Leben der meisten BewohnerInnen der Stadt, Es gibt ein Applestore, ein Addidas Point of Sale und div. andere Markenartikeler.
Aber auch einen Supermarkt.

Dort kaufe ich Dinge des täglichen Bedarfs wie Käse und Brot.


Am Samstag arbeiten wir hier auch, allerdings nur bis 13 Uhr.

Danach setzte ein fürchterlicher Wolkenbruch ein, der wohl eine kurze Rückkehr der Regenzeit ankündigte.
Nachdem wir in unserer Residenz eingetrudelt waren, schlüpfe ich, obwohl die Kollegen mir geraten hatten einen Wachmann mitzunehmen, kurz aus der Tür auf die Straße. Ich knipste einmal nach links die von Bewaffneten bewachte Schranke der O.P.R.A. Zone (Opoldo Phase Restricted Area) und einmal rechts den abfließenden Regen in den überall neben der Strasse vorhandenen Kanälen.

Ich hatte nicht das Gefühl allzu übermütig zu sein.

Am Samstag Abend stieg dann die von den Kollegen angekündigte Party. Es wurde ordentlich getrunken und ab und zu sprang mal einer in den Pool. Ich hielt mich sehr zurück, nur beim Wodka konnte ich nicht nein sagen.

Ich seilte mich schnell wieder ab und lag um 21 Uhr im Zimmer, als sich Afrika von seiner dunkelsten Seite zeigte.
Stromausfall im ganzen Stadtgebiet und auch der Hotelgenerator sprang nicht an.
So döste ich ein und wurde um 0 Uhr durch einen lauten Knall und ganz helles Licht geweckt.

Eine hohe Überspannung war aufgetreten.
In meinem Zimmer gingen zwei Netzteile für Laptops und das Handyladegerät hoch.

Am Sonntag bekam ich wie jeden Morgen Käse Omelett mit zwei Scheiben Toast zum Frühstück serviert.
Dazu gabt es den in vielen Ländern heiß geliebten Nescafe, der mir eigentlich abscheulich schmeckt.
Doch schwarz und warm ist das Gesöff und mit ein wenig Phantasie imaginierte ich Kaffee.

Ohne Laptops las ich den ganzen Tag in meinen aktuellen Lieblingsbuch 2666 von Roberto Bolano.
Die Geschichte kreist auf 1090 Seiten Dünndruck um einen verschwunden Dichter und die hunderte ermordeten Frauen in der mexikanischen Stadt Ciudad Juarez.
Dieser "Volkssport" von offensichtlich begüterten Männer dort findet weiter kontinuierlich statt.
Auch nach den Verdächtige gefasst wurden, ging er immer weiter.

Abends aß ich im Hotel Restaurant Meeresschnecken. Ich hatte entweder zweimal Pech mit dem Koch oder die Dinger sind immer so zäh. Ich stelle mir vor, dass die Schuhsohlen, die Charlie im Film Goldrausch verzehrte, ähnlich zäh waren..


Working for the Yankee Brause

15. / 16. 10.2010

Leider muss ich jetzt im Schweiße meines Angesichts arbeiten und bin ob der Hitze ganz schön geschafft.
Es ist schon etwas pervers für Coca Cola zu arbeiten und dazu noch in Nigeria, damit die Oberschicht ihre Zuckerbrause trinken kann.
Auch innerhalb der Fabrik ist die Situation stark von hemmungsloser kapitalistischer Ausbeutung bestimmt.
Wir Fremdarbeiter aus Europa sind vorher vergattert worden hohe Sicherheit Standards einzuhalten.

Die Schwarzen jedoch klettern ohne Schutzausrüstung auf wackligen Gerüsten herum. Offensichtlich kostet deren Leben und Gesundheit sehr viel weniger als unsere.
In der neuen Produktionslinie, die ihr rechts seht, ist es meine Aufgabe die elektrischen Geräte auf ihre Funktion zu testen.

Aber es gibt auch Lustiges in Lagos zu erleben. Gestern hatte die Stadtverwaltung einen Tag des BITTE NICHT HUPEN ausgerufen. Dafür trugen alle Uniformierten Warnwesten mit der entsprechenden Aufschrift. Das war lächerlich anzusehen, denn wild gehupt wurde wie immer. Bei solchen schwachsinnigen Ideen ist zu vermuten, dass die Berlin Marketing aus meiner Heimatstadt dahinter steckt. Wenn Wowi noch keine Lust auf Ruhestand hat, könnte er sich auch gut hier einbringen.



Die Stadt als "Centre of Excellence" anzupreisen, ist ungefähr so wie einen Hundehaufen als kleinen braunen Hügel zu vermarkten. Das ist Marketing in Reinkultur.

Damit die Ausgebeuteten still halten ist die Stadt voller Gotteshäuser. Von den Wänden lächeln einem Heilsprediger zu. Diejenigen die dort hingehen, erhalten aber noch nicht mal Opium, nur heiße Luft.
Doch schlimmer als die verlogene herrschende Klasse des Landes sind sie wohl auch nicht.

Nachdem wir die drei Sicherheitsperren passiert hatten, um den Apartment Komplex zu erreichen, freute ich mich auf die Dusche danach.
Derweil sitzen meist kleine Drachen auf dem Hof der Hotelanlage und sonnen sich. Leider sind die Biester kleiner als in Zentralamerika, zu klein um verspeist zu werden.
Nach der Dusche genieße ich ein warmes Essen und meist ein paar Savana (Cider aus der RSA) und überlege, was ich Euch schreiben kann.

Nachts Schlaf zu finden ist allerdings nicht einfach. Hier nervt nicht der Verkehrslärm. Die Klimaanlagen brummen ständig, dazu kommen die, immer mal wieder bei Stromausfällen anspringenden, recht lauten Stromgeneratoren. Wenn es dann mal ruhig ist, geht bestimmt eine der zahlreichen Alarmanlagen der Umgebung los.
Wenn ich dann schlafe, träume ich von Berlin. Hier ist das kulturelle Angebot sehr reduziert. Gerne würde ich eine Disco besuchen, aber ich bin nicht lebensmüde.

Am Tag vier schaute ich mich etwas auf den Fabrikgelände um.
Paletten mit der Brause stehen überall herum, dazwischen rasen Gabelstapler in einer Atemberaubenden Geschwindigkeit herum und beladen in Deutschland sicher nicht zulassbare LKW.
Seit gestern beherberge ich in meinem Appartement einen kleinen Gast. Frau oder Herr Maus hat ein wenig die Angst vor mir verloren und läuft auch, wenn ich auf dem Bett sitze, durchs Zimmer.

Lagoschaotika

13. / 14.10.1014

„Einheit und Glaube,
Friede und Fortschritt“
Nach einem chaotischen und viel zu langen Flug traf ich am Montag um kurz nach 0 Uhr in meinem Hotel in Lagos / Nigeria ein. War es eine freudsche Fehlleistung oder Glück; in der Herberge bemerkte ich dass ich den Koffer mit meinen Messgeräten mit einem gleich aussehenden mit Damenbekleidung vertauscht hatte. Das bedeutete fürs Erste arbeitsfrei.

Viel Zeit verbrachte ich allerdings damit, die Angestellten in der Gepäckstelle des Flughafens zu überzeugen mir meinen Koffer auszuhändigen. Dazu musste aber zuerst die Besitzerin des vertauschten Koffers bestätigen, dass ich nichts gestohlen habe. Auch hier arbeitet die Bürokratie gründlich nach Grundsätzen.
Am zweiten Tag erhielt ich dann die Arbeitsgeräte, so dass ich am dritten Tag hoffentlich schaffen konnte. Ente gut - Alles gut zubereitet.

Nach dem letzten Militärdiktator benannt
Bei der Übergabe stellte mir die Dame hinter dem Schalter ihre Schwester und ihre Mutter vor und fragte mich, ob ich sie alle bei der Rückreise mitnehmen würde. Einen Moment brauchte ich, um diesen Scherz in englischer Sprache zu verstehen.
Ja, mein Englisch verbessert sich erheblich, Übung macht den Meister. Hier sprechen viele Schwarzen sehr gut Englisch, vielleicht das einzig Positive, was die kolonialen Ausbeuter hinterlassen haben. Sonst wäre ich bei 514 verschiedenen Sprachen im Land auch wohl recht aufgeschmissen.

Der tägliche Stau
In den Tagen ist mir erst mal der heftige Autoverkehr aufgefallen, zehn Millionen Einwohner ohne nennenswerte Versorgung durch öffentlichen Nahverkehr, da sind die Staus vorprogrammiert. Der Zustand der Straßen ist nur wenig schlechter als in Berlin, doch sie sind geschätzt, fünf mal so voll.
So war ich auch lange mit dem Auto unterwegs, standesgemäß mit einem Schwarzen Fahrer der Firma. Aber ich würde mich auch hier nicht hinters Steuer setzen, selbst wenn ich einen Führerschein hätte.
Der Fahrer gehört übrigens zu Ethnie der Yoruba. Sie waren wegen ihrer Körpergröße die begehrtesten Sklaven und die Europäer exportierten sie zum Beispiel nach Kuba als Arbeitskräfte zum Zuckerrohranbau.
Die Yoruba brachten  ihre Religion auf die Insel und daraus entstand, gemischt mit dem Katholizismus, die Santeria.
Außerdem ist die Musik der Sklaven eine Wurzel der sehr erfolgreichen kubanischen Musikszene. Salsa, ick höre dir trommeln.
Als ich meinen Fahrer fragte, ob es problematisch wäre in der Stadt zu fotografieren, sagte er nein. Allerdings keine Banken, keine Armeeposten und Kasernen und auf keinen Fall die Polizei, sonst sitzt man / frau schnell im Gewahrsam.

Eines der vielen Polizeiautos
Das zu vermeiden, ist in einer Stadt voll mit Banken und Sicherheitskräften, recht schwierig. Menschen mit Waffenallergie ist das Land nicht zu empfehlen. Hier wird das Recht zur Ausbeutung noch direkt mit militärischen Mitteln verteidigt. Die Demokratie im Land wirkt etwas aufgesetzt.

Blick vom Hotelbalkon
Im Hotel Melos Villa lebe ich jedoch, wie ein Weißer sich das Leben in Afrika vorstellt. Die Klimaanlage kühlt den Raum auf 20 Grad, die Wäsche wird täglich gewaschen, die schwarzen Bediensteten versuchen einem jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Heute schleppte eine kleine zierliche Frau meinen schweren Werkzeugkoffer in den zweiten Stock herauf. Ich wusste nicht ob ich sie beleidige, wenn ich mich dagegen wehre.

Das Paradies
Im Innenhof gibt es einen Swimmingpool und eine Poolbar, an der sich die weißen Gäste am Abend einfinden und sich bedienen lassen.
Im selben Haus sind noch zehn Kollegen untergebracht, sie sind Facharbeiter wie ich und genießen den Luxus sichtlich.
Die Anlage befindet sich in einer so genannten restricted area (Sperrgebiet), die rund um die Uhr gewacht wird. Wohlhabende und deren Bedienstete dürfen herein.
Die Schere zwischen Arm und Reich ist im Land noch größer als in Deutschland.


Ich genoss im Hotelrestaurant ein Fischgericht vom Croaker. Kannte ich nicht, aber Mut etwas Neues auszuprobieren gehört zum Leben. Das Tier wurde in Tomatensoße serviert und schmeckte lecker.

Meerrabe (Sciaena umbra)
Fortsetzung folgt!