Dieses Blog durchsuchen

Zu Besuch bei Bergmanns

30.06.2012

Ein ordentlich heruntergekommenes Event ist das Bergmannstrassenfest. Früher gab es dort viele Stände der anliegenden Geschäfte, so entstand ein spezielles Flair, heute sind nur noch Standardanbieter zu finden. Den Weg an den Ständen entlang kann man / frau sich ersparen.
Gut sind natürlich immer noch die Bühnen mit ihrem Musikprogramm. Mir hat es besonders die obere in der Nostizstrasse angetan.

Dort herrscht verhältnismäßig wenig Geschiebe und die Musik ist nicht so stark am Mainstream orientiert. Besonders angenehm ist, dass der Weinladen Vino Grasse dort angesiedelt ist. Da gibt es unter anderem leckeren kalten Weißwein, nach Empfehlung des Hauses. Ein Grund die drei Stufen hinauf zu steigen.

Am Tag unserer Anwesenheit wurde die Bühne von der Künstleragentur Ahoi betreut. Als die Liebste und ich ankamen, spielte gerade unser verehrter Sascha Pushkin Jazziges mit einem Kollegen. Danach kam der Sänger Joaquín la Habana mit Band auf die Bühne.

Die Gruppe interpretierte Songs aus der Karibik und Mittelamerika. Viel Kubanisches war dabei. Der Gesang von Joaquin stach durch seinen sehr großen Stimmumfang heraus. Er hatte wohl eine professionelle Stimmbildung genossen  Die Musik machte Laune und Lust auf Tanzen.

Im Anschluss besuchten wir das Fresszelt auf dem Chamissoplatz, für meine Freundin war dies das erste Mal. Hier kochen die Meisterköche aus dem Bezirk. Leider hatte meine Liebste Hunger, so war sie von den kleinen Portionen enttäuscht. Ich war wie jedes Jahr hoch zufrieden. Alleine dafür lohnt der Besuch beim Fest.

Restaurant ETA Hoffmann
Roulade vom Saibling mit Jacobsmuschel















Restaurant Noi Quattro
Pinienkerngnocci mit Perlhuhnbrust




















Den Abend ließen wir vor dem Heidelberger Krug am Platz ausklingen und heulten dann den Mond an.


Die Ästethik des Widerstands

24.06.2012

In der Berlinischen Galerie nutzen wir die Sonntagsführung, um uns die Ausstellung von Werken Alfredo Jaars näher bringen zu lassen. Unter dem Titel "the way it is, an aesthetics of resistance" wurden sie zusammengefasst. Er ist in Chile während der Diktatur des Militärs aufgewachsen. Diese Sozialisation unter der Knute des IWF könnte dazu beigetragen haben, dass er sein künstlerisches Augenmerk stark auf soziale und menschliche Konflikte fokussiert. In seinen Installationen nutzt er vielfältige Ausdrucksmittel. Geformte Leuchtstoffröhren dienen ihm in der Haupthalle dazu, die Namen der Orte aufleuchten zu lassen, in denen rassistische Übergriffe in der BRD stattfanden. Hier im Bild eine Erinnerung an das Progrom von Eberswalde, bei dem ein deutscher Mob Amadeu Antonio Kiowa 1990 totschlug.


Eine andere Installation von 1997, "the eyes of gutete emerita",  befand sich in einem abgedunkelten Raum. Ein Spot beleuchtete einen großen Haufen Dias, die alle das selbe Foto zeigten. Die Augen einer Frau, deren Familie bei dem Massaker in Ruanda 1994 umgebracht wurde. Wie in all seinen Arbeiten zeigt er hier auch nicht die verstümmelten Opfer, sondern brennt das Gedächtnis an sie in unsere Köpfe ein.


Alfredo Jaar war kurz nach dem Massaker nach Ruanda gereist. So besuchte er eine Kirche, in der sich hunderte zerstückelte Leichen befanden. Doch anstatt diese abzulichten, fotografierte er in einer Bilderserie den Weg dorthin und den Himmel über dem Gebäude. Der Rest soll in unserer Phantasie passieren. Dieses Werk von 1997 heißt "field, road, cloud".

 
Eine der Installationen, die leider nicht zu sehen war, ist "one million finnish passports", mit der er 1995 gegen die rassistische finnische Staatsbürgerschaftspolitik protestierte.


Meine Liebste und ich empfehlen die Ausstellung, am besten mit Führung, zu besuchen. Sie ist in der Berlinischen Galerie bis zum 17.09.2012 zu sehen. Parallel sind Arbeiten von ihm in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst zu finden.

Kampftag der Schwulen

23.06.2012

Mittags besuchten wir die Christopher Street Day Demonstration der Schwulen und Lesben in Kreuzberg.  Mit ihr wird an die ersten Straßenkrawalle erinnert, mit der sich Schwule in New York gegen Polizeiwillkür wehrten. Damals begann das Selbstbewusstsein der Schwulen zu erwachen. Mit ihrem Umzug in Berlin warben sie unter dem Motto: "Wissen schafft Akzeptanz" für Toleranz und stellten ihre Vielfältigkeit dar. Gegen Homophobie vorzugehen ist auch in Deutschland weiter dringend notwendig, wenn 'Schwuler' und 'Lesbe' immer noch gebräuchliche Schimpfwörter gerade bei Jugendlichen sind. Außerdem schwatzen so schwachsinnige Religionsführer wie der Papst gerne von kranken oder fehlgeleiteten Schafen.
Aber DemonstrantInnen und ZuschauerInnen feierten trotzdem ein fröhliches Fest, schaut selbst -

 

KunstsucherInnen unterwegs

23.06.2012

Nach dem CSD gings zum Willi Brandt Haus. Im Eingang war eine Disco aufgebaut. Als DJ war eine Transe engagiert. Die SPD verschenkte Luftballons. Ein Schelm, der dabei Böses denkt. Lang dauert es nie, bis die Luft raus ist. Ich halte es bei der SPD mit Ernst Busch: "sie schlagen Schaum, sie seifen ein, sie legen ihre Wähler wieder rein". Um ihr Image aufzubessern, haben sie eine Ausstellunghalle in ihre Parteizentrale integriert.

Wir ließen uns davon jedoch nicht abschrecken und schauten das Haus von innen an. Architektonisch ist das Gebäude teilweise ansprechend. Im Innenhof gibt es viel Schräges zu sehen. Hier wurde das Geld der SteuerzahlerInnen wenigstens hübsch verbaut.

Ganz ansehnlich ist auch das Denkmal für Willi Brandt. Die Skulptur wurde 95 / 96 von Rainer Fetting geschaffen. Sie weist den 'Genossen' den Weg hinaus aus der Parteizentrale. Dort angekommen könnten sie sich freiwillig entscheiden, mal für drei Monate von Hartz IV zu leben.

Die Innenräume sind im Gegensatz zum Rest sehr durchschnittlich  gestaltet. Positiv in den Ausstellungsräumen ist jedoch die gute Ausleuchtung. Wir sahen dort die Bilder der Preisträger des World Press Photo Award an. Der Besuch der Ausstellungen ist kostenlos.

 Laerke Posselt Portrait
Ein Personaldokument ist jedoch zwingend gefordert. In der Präsentation wurden in verschiedenen Kategorien die ersten drei Preisträger gezeigt.
Es waren tolle Arbeiten darunter. Manche, besonders die Sport- und Naturfotos waren mir zu stylish, hier wurde für meinen Geschmack zu viel nachträglich mit Software manipuliert. Kunst á la Jeff Koons in die Fotografie zu übertragen, ergibt auch nur Kitsch.
Mir stach das Foto der Gewinnerin in Bereich Portrait besonders  ins Auge.

Das ist absolut kein Versuch eines realistischen Abbildes der Wirklichkeit, künstlerisch wohl von Man Ray inspiriert.
Immer nach Fotoausstellungen ist meine Liebste ein wenig angestochen, es den Vorbildern gleich zu tun. So entstand die Aufnahme links.

***************************************

Die nächste Station war das offene Atelier von Kani Alavi. Der ist unter anderem als Mauermaler bekannt geworden. Ihr findet ein Werk von ihm an der East-Side-Gallery. Wir kauften nichts, aber schlürften Prosecco und knabberten Nüsschen auf Kosten des Künstlers.

***************************************

Ein bisschen Kunst ging noch rein. Wir besuchten die Vernissage von "When Violence becomes decadent" im Freien Museum Berlin. Dort stellten indische KünstlerInnen aus.
Auf dem Plakat ist eine Arbeit von Rajkamal Kahlon zu sehen. Zwei Sikhsoldaten stehen neben einem Offizier, wahrscheinlich schlugen die Beiden ihm den Kopf ab.
Wir sahen Kunst, die sich mit Gewalt, Ausbeutung und sozialer Verwerfung in Indien beschäftigt.

Leena Keyriwal
The Tram Ride, 2011
Dass Menschen auf der Strasse leben und an Hunger krepieren, während der Mittelstand sich in Vierteln verschanzt, die nur mit Einlaßkontrolle zu besuchen sind, verunsichert die KünstlerInnen.
Das augenfälligste Objekt der Ausstellung war ein Geflecht aus Stacheldraht. In diesem waren rote Kugelkerzen eingearbeitet.

Als Aktion wurden sie angezündet und brannten langsam ab. Diesen Vorgang haben wir für euch dokumentiert.

















Die Ausstellung ist noch bis zum 29.07.2012 zu bestaunen.Wir fanden das meiste spannend.
Im Freien Museum ist eine kleine Kneipe integriert und da das Wetter mitspielte, gammelten wir noch eine Weile auf dem Hof rum. Erst als der Rotwein ausging, fuhren wir voll Kunst Heim.

Paradies Neukölln

17.06.2012

Am zweiten Tag der 48 Stunden Neukölln schaffte ich es dann doch noch den Bezirk zu besuchen. Ich radelte mit der Liebsten zum Körnerpark. Dort spielte eine italienische Popgruppe. Die Band war so lala, doch im Sommer finden jeden Sonntag Veranstaltungen statt.

Da ist viel Gutes dabei, was sich zu hören lohnt.
Begeistert haben mich jedoch die Neuköllner Eingeborenen. Sie scherten sich einen Scheißdreck um die "Rasen Betreten Verboten" Schilder, die schwachsinnige Politiker im Körnerpark aufgestellt haben.

Auf dem Rückweg pausierten wir im Brauhaus Südstern und genossen das leckere selbst gebraute Bier. Das Essen war nur mittelmäßig, aber der Biergarten gegenüber der päpstlichen Nuntiatur ist trotz der wartenden Dealer ein wunderschöner Platz zum Abhängen.


Von der Nuntiatur klangen immer wieder Geräusche von ballspielenden Knaben herüber. Nur ein Böswilliger könnte denken, dass die Priester dort ihre persönlichen Jungen heranziehen.

Paradies Treptow

16.06.2012

Eigentlich wollte ich zum Kulturfest 48 Stunden Neukölln.

Doch um die Wahrheit zu sagen, verbrachte ich den ersten Tag der 48 Stunden wenige Meter von der Bezirksgrenze entfernt im Atelierhaus Mengerzeile. In seiner wechselvollen Geschichte war das Fabrikgebäude erst Klavierfabrik, dann folgte in der DDR der Musikverlag Amiga und nach dem Mauerfall mieteten sich Künstler ein. Einmal im Jahr öffnen sie ihre Ateliers und veranstalten ein Fest.
Marianne Wirries, eine der MieterInnen, hatte mich eingeladen.

Bevor ich jedoch durchs Haus streifte, besuchte ich die Ausstellung Alius Mundus von Heather Allen in einem Nebenhaus. Sie ist für bezaubernde kleine naturalistische Plastilinfiguren bekannt. Diesmal hat sie diese in Kartongebilde integriert.

Durch Löcher kann man diese in eingebauten Gängen lebenden Wesen beobachten. Dabei setzt die Künstlerin Spiegel und Linsen ein. Schaut man zum Beispiel zu zweit durch durch zwei nebeneinander geschnittene Gucklöcher, schaut man / frau auch in das Auge des Anderen.

Danach stromerten wir durch das ganze Haus. Viele Ateliers waren geöffnet und die KünstlerInnen standen zum Gespräch zur Verfügung. Wir genossen den angebotenen Wein und Knabbereien. Leider überzeugten mich die gezeigten Werke nicht so richtig.

Cameron Rudd
Nur Alius Mundus von Heather Allen stach heraus.
Die meisten anderen Werke waren zu sehr Durchschnitt. So was für die Kantine einer Versicherung.
Aber vielleicht bin ich durch die vielen Ausstellungsbesuche versaut. Dadurch sind meine Ansprüche wohl stark gestiegen.

Das Wetter war gut und so hingen wir noch eine Weile auf dem Hof ab und lauschten einer guten Jazzkapelle junger MusikerInnen.
Leider fehlte etwas das Publikum, so klatschten wir doppelt laut.
Der Tanzteufel in mir fieberte bei Wein und Sekt auf die Party.

Diese war für abends im Amiga Club im Haus angesagt. Ich tanzte, trank und schwitzte bei Soul und Rock. Manchmal konnte ich mit einer Partnerin bei Rumba und Walzer glänzen. Leider trank ich noch Wodka, danach am Bahnhof Steglitz gut angekommen zu sein, freute mich.