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biennale arsenale 2011

13.09.2011

Morgens kam wieder unser Tisch auf die Piazza, ich holte Brötchen und andere Leckereien, Augenstern kochte den Tee und dann schauten wir zu, wie die BewohnerInnen zu Fuß oder im Boot irgendwo hin strebten.
Über der Mauer des Arsenale entdeckte ich einen Antennenturm, die italienische Marine besetzt einen großen Teil des Komplexes. Dort ist das Kommando der Seestreitkräfte untergebracht.

Aus diesem Grund sind in der Gegend viele Menschen in Kostümen, ähnlich der Traumschiff Besatzung, zu sehen. Deutsche Soldaten in Uniform erzeugen bei mir ein Ekelgefühl, italienische dagegegen wirken irgendwie niedlich. Sie sehen wie Statisten einer Seifenoper aus.

Nach dem Frühstück besuchten wir die Via Garibaldi, um für´s Abendessen einzukaufen. Wir kauften Getier, das wir nicht kannten. Der Verkäufer nannte sie Capalonga, Tiere, die in ca. acht Zentimeter langen Röhren hausen.

Im Meer buddeln sie sich in den Sand. Im deutschen Sprachraum heißen sie Scheidenmuschel. Bis zur Zubereitung waren sie recht lebendig. Sie sind Einwanderinnen aus Nordamerika und besiedeln die Küsten Europas. Dabei verdrängen sie massiv einheimische Arten. Klingt, als wenn das ein Grund wäre sie auf zu essen. Leider ist die Ernte schwierig. Entweder werden sie von Tauchern aus dem Sand gezogen oder Fabrikschiffe benutzen einen Staubsauger und reißen 20 cm vom Meeresboden weg. Was danach noch vom Lebensraum Meeresboden übrig ist, könnt ihr euch vorstellen.

Vor dem leiblichen Genuß hatten wir den ersten Biennale Besuch platziert. Diese findet diesmal unter dem Motto "ILLUMInazioni" (Beleuchtete Nationen) statt. Ein paar hundert Meter von unserer Unterkunft ist der Eingang zu einer Abteilung, dem Arsenale.

In der Nähe des Eingangs hatte Jemand / Jefrau geschrieben: "Hallo Mama, siehst du, ich bin wer in der Kunst-Welt. Mein Werk ist im Arsenale zu sehen."
Die ehemaligen Fabrikationshallen verströmen den morbiden Charme, der heute im Kunstbetrieb beliebt ist.

Eine der zentral kuratierten Austellungen ist hier in 13 miteinander verbundenen Hallen untergebracht. Sie stehen in einer Reihe hinter einander.

Schaut, was wir knipsenswert fanden:

Song Dong, 2011
Parapavilion (inteligence from poor peaple)
Der Künstler baute das Haus seiner Eltern aus Peking nach.
Rashid Johnson, 2011
The Shuttle

Mai-Thu Perret, 2011
Flow my tears
Ida Ekblad, 2011
A Caged Law of the Bird the hand the land.
Nicholas Hlobo, 2011
Iimpundulu Zonke Ziyandilandela
Fabian Marti, 2011
The Summit of it / Philosapers and Shrinks
Haroon Mirza, 2011
The national apavilion of then
Elad Lassry, 2011
c-print


Urs Fischer, 2011
Die aus Wachs gefertigten Skulpturen mit Docht brannten langsam während der fünf Monate Biennale ab.
Giulia Piscitelli, 2011
Seidentücher in hervorragender Qualität als Wandschmuck



Dieses Video besteht aus Filmausschnitten, in denen Uhren vorkommen. Diese sind in einer 24 Stunden Endlosschleife geschnitten, so dass zur jeweiligen Tageszeit die Uhrzeit stimmt. Was für eine irre Idee. Der Künstler hat den goldenen Löwen echt verdient.

Danach folgten Länderhallen, die wir nach einem kleinen Imbiss erwanderten.

Türkei
Die Künstlerin baute eine Anlage zur Reinigung des Wassers des hinter dem Gebäude vorbeifließenden Kanals. Sie pumpte es heraus und gab es gesäubert zurück
Ayse Erkmen, Plan B
Istituto Italo-Latino Americano
"Between forever and never" lautete das Motto. Darunter wurden eine Auswahl von KünstlerInnen gezeigt.
Es waren bemerkenswerte Werke darunter, z.B. das Brautkleid nebenan.
In der Halle sah ich ein Video von  Björn Mehlhus aus Dänemark, das war spannend, jedoch fehlte der Bezug zu den Latinos.
Claudia Casarino, 2009
Pynardy

Vereinigte Arabische Emirate

Hier war ein begehbarer Parcours entstanden, in dem KünstlerInnen der Staatengemeinschaft ausstellten. Viele Gutes war dabei, aber weshalb ein Künstler aus Arabien sich mit Süßkartoffeln beschäftigt ...?
Abdullah Al Saadi  Süßkartoffeln, Installatin

Saudi Arabien
Wie die beiden Künstlerinnen es schaffen trotz Burkapflicht solche tollen Installationen zu bauen ist mir rätselhaft.
Ich vermute, sie bauten diese im Ausland und wurden vom frauenfeindlichsten Land der Welt zur Imagepflege ausgewählt.
Shadia & Raja Alem,
The black Arch
Volksrepublik China b
Auf die Betrachtung staatlich kontrollierter Kunst aus diesem Land verzichteten wir vollständig. Ich finde, ein Boykott ist richtig!

Nach einem Spaziergang über das Freigelände rafften wir uns nur noch mit Mühe auf, die italienische Halle zu besuchen. Hier wurde unter dem Motto: "L'arte non es cosa nostra" (die Kunst ist nicht unsere Sache) ein Überblick über die Kunst des Landes geboten.
Zum Glück hatte der Kurator und Freund von Berlusconi darauf verzichtet seinen eigenen Geschmack vorzustellen.



Er bat bekannte Kulturschaffende je ein Werk auszuwählen. So wurde in der Halle nicht nur Berlusconis Stripteasequiz Tutti Frutti gezeigt und / oder die Autobiografie des ehem. italienischen Ministerpräsidenten verlesen. 
Doch war die Auswahl sehr beliebig.


Schon etwas geschafft streiften wir noch durch den Skulpturenpark. Bei dem Werk rechts wurde regelmäßig Kunstnebel erzeugt, so dass die Wolken auf dem Rasen verschleiert wurden.
Zum "Feierabend" genossen wir einen Spritz auf der Via Garibaldi.

Abends kochte ich dann noch für Augenstern und mich.

Rezept mit Capalonga an Pasta:
Die Muscheln abspülen, in Weißwein mit Zwiebeln, Knoblauch, Lorbeerblatt und Pfefferkörnern kochen und wenn sie aufgegangen sind, in ein Gefäß durchseien. Das Muschelfleisch separieren. In einer Pfanne Zwiebeln und Knoblauch glasig dünsten, Tomaten dazugeben und etwas einkochen lassen. Mit Kochwasser aufgiessen. Kräftig würzen und die Polypen in die Soße geben. Mit Nudeln servieren. Buon Appetito!

Stadt der Hunde

14.09.2011

Weshalb nenne ich Venedig Hundestadt? Schon am ersten Abend bemerkte ich, dass fast jeder Einheimische einen Hund ausführte. Am nächsten Morgen waren neben einigen Touristen fast wieder nur HundeführerInnen unterwegs.

Bei ca. 60.000  Einwohnern und ca. 10.000 Hunden ist das kein Wunder.
Eigentlich hatte ich am Abend zuvor erwartet, dass einige Katzen um unsere Beine streichen, um auszutesten, ob wir ein Herz für sie haben.
Die Miezies fehlten mir, denn Katzen stinken nicht und scheißen selten die Gehwege voll.
Aber die HundbesitzerInnen aus Venedig sind wenigstens sehr viel besser erzogen als die BerlinerInnen. Die Meisten beseitigen die Hinterlassenschaften ihrer Dackel immer, zumindestens so weit, wie wir dies beobachten konnten. Aber die Strafen sind mit 250 Euro auch erheblich drastischer als bei uns.
Leider "entsorgten" viele die Kacke in den Kanälen.

Am Anfang des touristischen Ausflugs stand eine Fahrt durch den Cana Grande. Dazu bestiegen wir an der Station Arsenale ein Vaporetto der Linie 1. An der Haupt-Wasserstrasse durch Venedig, die sich wie ein S durch die Stadt schlängelt, stehen prächtige Paläste.

Die reichen Kaufleute aus dem goldenen Zeitalter der Stadt ließen sie bauen. Dabei war der Haupteingang am Wasser.
Auf den Uferwegen drängeln sich heute TouristInnen und am Kai liegen neben Gondeln Versorgungschiffe, die unter Anderem Waren anliefern.
Wir stiegen an der Station Riva di Biasio aus, denn Augenstern wollte mich in die laut Reiseführer beste Eisdiele Venedigs, Alaska, einladen.
Leider bot sie durchschnittliches Wassereis. Da hat das Vanille und Marille in Steglitz erheblich Besseres zu bieten.
Unser eigentliches Ziel war jedoch das Quartier Cannareggio, es hat seinen Namen von Schilf (Canna) d.h, es war ursprünglich Sumpfland. Hier verirren sich selten Touristen hin. Nördlich wird der Bezirk von der Lagune begrenzt. Dort sahen wir diese Tankstelle für Boote.

An einem der Kanäle entdeckte ich eine Bar, die günstig Spritz (2 Euro) anbot, und so ließ ich mich dazu hinreißen zwei Teller mit Kleinigkeiten zu bestellen, ohne nach dem Preis zu fragen.
Die Strafe waren 26 Euro, die ich anschließend bezahlen durfte.

Der Essenspreis in der Osteria Bea Vita ist der Negativtipp dieser Reise. Unbedingt vorher genau fragen, was es kostet. Trotzdem ist der Platz bei gutem Wetter bezaubernd, wenn die Tische draußen frei sind. Aber Venedig ohne Nepp ist nicht Venedig und so verflog unser Ärger schnell.

Im Anschluss erkundeten wir weiter den Stadtteil. Der scheint niedriger zu liegen als der unserer Wohnung. Hier war bei vielen Häusern ein Schutz vor Überschwemmung an der Tür montiert. Hochwasser (Aqua Alta) tritt jedoch eher im Herbst oder Frühjahr auf.

Dieser Teil Venedigs wirkt sehr malerisch und wenig überlaufen.
Wir überquerten so manche kleine "romantische" Brücke.
Hier fand Augenstern viele ihrer beliebten künstlerischen Fotomotive.
Ich jedoch knipse eher dokumentarisch für den Block.

Manchmal geht aber auch mit mir der kleine Fotokünstler durch. An diesem Motiv konnte ich nicht vorbeigehen. Die Schornsteine erinnerten mich an eine Fotoserie von Andre Kertesz, aus New York, da musste auch ich mich beweisen. Mal sehen, wer von uns zuerst im Museum hängt?!

Als nächstes steuerten wir das jüdische Viertel im Quartier an. Der Begriff Ghetto soll hier geprägt worden sein. Auch heute leben hier Menschen jüdischen Glaubens.
Juden, die im Mittelalter aus anderen christlichen Städten verjagt wurden, fanden in Venedig Zuflucht.

Bei den venezianischen Kaufleuten galt der Grundsatz, mit wem ich Handel treibe, den toleriere ich. In anderen Norditalienischen Städten fanden Pogrome statt, hier nicht. So lebten Juden hier in Frieden, bis die Eltern meiner Mutter sie ab 1943 ins Gas schickten.

Auf den Gedenktafeln oben sind die Orte der Vernichtungslager und die Anzahl der Ermordeten dokumentiert.
Ganz in der Nähe entdeckten wir den Platz der Deutschen (Tedeschi). Hier betrieben die deutschen Händler ihre Kontore, von hier starteten ihre Transporte über die Alpen.

Auf dem Weg nach Hause sahen wir diese schlafenden Illegalen. Sonst verkaufen sie meist Nachgemachtes von Gucci und Co. So versuchen sie die Passage nach Europa abzubezahlen. Oft verlangt die Polizei auch noch Schutzgeld. Sie stehen ganz unten auf der sozialen Leiter.

Aus Glas betrachtet

15.09.2011

Nach dem Frühstück brachen wir nach der Insel Murano auf. Auf dem Weg zum Dampfer wieder "Über tausend Brücken musst du gehen" und wieder eine bezaubernde Spiegelung auf dem Wasser. Zum Glück ist das Fotografieren mit der Digitaltechnik preisgünstig.

Am Weg entdeckten wir den Biennale Auftritt von Litauen. Das Land zeigt Kunst aus dem Land unter dem Titel "Behind the white Curtain". Diese war vom Zentrum für Zeitgenössische Kunst Vilnius kuratiert. Als wir die Ausstellung betraten, huschten wir sofort hinter den weißen Vorhang.

Wir wollten erfahren, was der Titel bedeutet. Von dort wurden wir allerdings sofort von der Aufsicht vertrieben, die uns das ungewöhnliche Konzept erklärte. Frau / man durfte aus dem Katalog Werke auswählen, die die Aufsicht dann vor den Vorhang holte.

Dieses Konzept fand ich gewöhnungsbedürftig. Die Aufsicht Kunst schleppen zu lassen erschien mir übergriffig. Von den Stücken vor dem Vorhang gefielen mir die drei Holzfiguren vom 81-jährigen Leonas Strioga besonders gut. Er ist der bekannteste Bildhauer Litauens.

Kurz besichtigten wir die im selben Komplex untergebrachte Kirche San Francesco della Vigna. Sie gehört den Franziskanern. Diese leben in Armut, was jedoch in Venedig nicht einfach war. Es gab nicht so viel Prunk wie bei anderen Kirchen, doch ärmlich war die Ausstattung auch nicht.

Wir gingen zur Station Ospedale, diese liegt beim größten Krankenhaus von Venedig. Während der Wartezeit beobachteten wir die an- und abfahrenden Ambulanzboote. Von dort brachte uns ein Vaporetto der Linie 41 zur Inseln der GlasmacherInnen Murano.

Als in Berlin gerade ein paar hundert Nasen wohnten, die im Winter die Fensterhöhlen mit Fellen zustopften, wurden hier schon farbiges Glas und Spiegel hergestellt. Heute existieren auf der Inselgruppe neben einigen Bars und Restaurants fast nur Geschäfte, die Glashandwerkskunst anbieten. Die viereinhalb tausend BewohnerInnen sind wahrscheinlich entweder in einer der vielen Glasfabriken oder mit dem Verkauf der Produkte beschäftigt.

Teilweise wird dort Billigkitsch angeboten, den ich dem ärgsten Feind schenken würde, aber zum Teil sehr schöne Stücke. Der ideale Ort, um Geschenke für die Liebsten einzukaufen.
Zuerst tranken wir den ersten Spritz des Tages an einem der Kanäle.

Dann schauten wir eine weitere Örtlichkeit der Biennale an. Auf Murano war dieser natürlich der Glaskunst gewidmet. Die Ausstellung unter dem Titel "Glasstress" fand im Berengo Centre for Contemporary Art and Glass statt. Sie zeigte Interessantes in einer ehemaligen Glasbläserei, in der Künstler aus aller Welt unter Anleitung mit dem Material experimentierten. Schaut selbst:

Kiki van Eijk, 2011
Allotment / Scarecrow
Marya Kazoun, 2011
The ignorant skin
Javier Perez, 2011
Carrona
Shi Yong, 2011
The Moons hues are teasing
Kiki Kogelnik, 2011
Nach der Ausstellung streiften wir auf Murano herum. Das besteht wie Venedig aus mehreren Inseln, die durch Brücken verbunden sind.
Augenstern war von dem Schmuck in den Läden so begeistert, dass sie gut Geld ausgab, ich kaufte nur Kleinigkeiten.

Beim Besuch eines Fabrikverkaufs, hier werden Perlen in größeren Mengen angeboten, nutzten wir die Gelegenheit in den Produktionsbereich hineinzulugen. Wenn ich nochmal nach Murano fahre, würde ich gerne an einer Fabrikführung teilnehmen.

Beim folgenden Espresso entdeckten wir einen 1 Euro Shop für Glas. Da waren wir endgültig genervt von Murano und der vorherrschenden Ramsch Kultur. Angeblich soll auch ein großer Teil der als Murano Glas verkauften Stücke Made in China sein.

Kurz vor der Rückfahrt versöhnte uns Murano mit einem bezaubernden Kunstwerk an der Südspitze der Hauptinsel. Mit dem Vaporetto schipperten wir dann zur Station Arsenale, tranken auf der Via Garibaldi noch einen Spritz und verbrachten den Abend auf unser Piazza.