Nachdem der Berliner Lockdown kurzfristig gelockert wurde, werden die Schrauben gerade wieder angezogen. Für den Besuch großer Kunsthäuser ist es zwar nervig, aber machbar einen tagesaktuellen Corona Schnelltest nachzuweisen, für kleine Galerien ist das eine Katastrophe. Kaum Jemand hat Lust so viel Aufwand zu betreiben, für die wenigen Arbeiten die dort zu sehen sind. Aber die GaleristInnen sind pfiffig, sie bieten visuelle Besuche an, die ihr vom Rechner aus betrachten könnt.
Ein paar habe ich für euch ausgesucht.
1. Galerie Gilla Loercher mit Malerei von Ab van Hanegem
Anlass,- eine Gruppenausstellung mit Druckgrafik von Silke Bartsch, Viola Bendzko, Catherine Bourdon, Christoph Damm, Ute
Faber, Wilfried Habrich, Claudia Hartwig, Margret Holz, Heehyun Jeong,
Patrick Kaufmann, Jürgen Kellig, Friedericke Linssen, Gerd Logemann,
Deborah S. Phillips, SOOKI, Anita Staud, Martin Wellmer. - bis 28.3.
Das Bild hinten,- Lichtfelder von Viola Benzko 1800,- € Das Bild vorne,- o.T. Anita Staud 880,- €
2. In der Kunsthalle der Deutschen Bank (Deutsche Waffen, Deutsches Geld morden mit in aller Welt) schaute ich mit einer Freundin Malerei von K.H.Hödicke. Die DB kauft Kunst für das Image und als Geldanlage. Gesellschaftskritisches ist höchst selten dabei. Aber gut, öfter stellten sie künstlersich spannende Positionen aus. Leider war dies nach meinem Geschmack beim gezeigten Frühwerk von K.H.Hödicke nicht der Fall. Ich fand die meisten Bilder zu Grobschlächtig gemalt.
In der Folge seiner Lehrttätigkeit an der AdK verbreitete um 1980 die künstlerische Bewegung der Neuen Wilden. Unbekümmerte Kunst, damals hingesaut für mich, aber gut, sie wollten mit den Konventionen brechen. Zum Glück besannen sich die meisten der Gruppe später darauf, dass sie Malen können.
Eine Ausstellung von späteren ansehnlicheren Arbeiten von K.H. Hödicke könnt ihr bis zum 18.04 in der König Galerie in Berlin betrachten.
3. Ich durfte dem Theater Ereignis des ersten Quartals 21 in Berlin beiwohnen. Im Rahmen des Pilotprojekts Testing des Berliner Senats fanden wenige Kunstereignisse unter kontrollierten Hygienevorgaben statt.
Inhaltlich wenig Neues, geschrieben wurden schon Hunderte Drogenromane. Weshalb das Thema so gern aufgegriffen wird, ich denke es verkauft sich gut und vielleicht durchleben viele SchriftstellerInnen wie andere Kulturschaffende eher instabile Situationen, die den Drogenkonsum begünstigen.
Egal, so privilegiert zu sein zu können, an diesem Theaterexperiment teilzunehmen, war schon toll. Der Corona Schnelltest am Morgen gehörte allerdings dazu, und wir sollten schon eine Stunde vor Vorstellungsbeginn vor dem BE warten. Schnelltest und Personalpapiere wurden beim Einlass kontrolliert.
Dafür wurden wir vom Intendanten vor der Vorstellung begrüßt.
Das Stück selbst war echt gelungen. Der Hauptdarsteller des Romans wurde von vier SchauspielerInnen verkörpert, die aber nicht hintereinander auftraten, sondern oft miteinander agierten.
Eine zündende Idee, dadurch wurde die etwas Selbstbezogene Erzählung nicht nur auf eine Person reduziert, gewann an Spritzigkeit.
Außerdem war den DarstellerInnen die unbändige Spielfreunde anzumerken, die nach so langer Bühnenabstinenz verständlich ist.
Beseelt fuhr ich Heim, leider ohne das sonst übliche Gläschen danach, aber irgendwann....
Bevor alle Kunst schließen musste gelang es mir noch Karten für "Teatro Piscator" zu ergattern, eine Revue zum 130 jährigem Jubiläum des Vereins Freie Volksbühne. Dies ist der einzige Verein in dem ich Mitglied bin.
Er wurde am 29. Juli 1890 von 2000 Mitgliedern gegründet mit dem Ziel, dem Volk (damals ein Synonym für die Arbeiterklasse) Zugang zum Theater zu verschaffen, ähnlich wie die Volkshochschulen, die allgemeine Bildung vermitteln sollten.
Nach einigen angemieteten Spielstätten wurde dann 1914 die Volksbühne heute am Rosa-Luxenburg-Platz eröffnet. Nachdem Max Reinhard diese drei Jahre geleitet hatte, übernahm Erwin Piscator das Haus bis zum Beginn des 3. deutschen Reichs. In der Zeit seiner Intendanz stieg die Mitgliederzahl des Vereins auf einhundertsechzigtausend.
Unter Piscator zog Die Neue Sachlichkeit ins Theater ein. Das reale Leben bilde die Vorlage für die Kunst. Die sozialen Misstände und der Widerstand dagegen rückten auch im Theater ins Zentrum.
So inszenierte Piscator 1924 mit und zur Unterstützung der KPD eine Revue Roter Rummel (R.R.R.). Diese zog durch die Arbeiterbezirke und machte Propaganda für die Partei.
Nach dem Krieg zerlegte sich der Verein in eine Session Ost und West. In der Hauptstaat der DDR wurden die Kriegsschäden beseitigt, in den westlichen Besatzungszonen wurde in verschiedenen Theatern gespielt bis das Haus der Freien Volksbühne in der Schaperstrasse fertig gestellt war. In Berlin Ost und West entstanden wie auch sonst Doppelinstituonen.
Die Schauspieler der Revue "Theatro Piscator" waren wie die Geschichte der Volksbühnen bunt Ost / West gemischt. Und die Bilder der Schau zeigten Szenen aus 130 Jahren. So turnten Mitglieder der Berliner Turnerschaft Korp. 1863 e.V. an den Ringen, Die Punkband Nobelschrott spielte das Solidaritätslied von Hanns Eisler, Ilse Ritter und Ilja Richter trugen Texte vor, insgesammt ein spannender Kessel Buntes.
Die Jazzwerkstatt Peitz war und ist ein kleines feines Festival am Rande des Spreewalds.
Im Peitz sagen sich sonst Fuchs und Hase um 20:00 Uhr gute Nacht, nur Radwanderer tauchen hier auf, denn das Städtchen liegt am Gurkenradweg. Neben einer Festungsanlage hat es nur Karpfenzucht und einen direkten Blick auf die nahe gelegene Dreckschleuder Braunkohle Kraftwerk Jänschwalde. In Peitz stinkt es jedoch selten. Die gemeine "gemeine" PeitzerIn sagt so nett: "hier herrscht meist Westwind, das Gift landet dadurch in Polen."
Zu DDR Zeiten hieß das Treffen im Volksmund "Woodstock am Karpfenteich". Es kamen zeitweilig bis zu 3000 Musikfreunde in das Nest. Die Veranstaltung lief von 1973 bis 1982, bis sie irgendwie der DDR Führung zu suspekt wurde. Deren Verfolgungswahn war ja legendär.
In der DDR Zeit spielten dort neben einheimischen MusikerInnen viele internationale Stars dort auf. 2011 wurde die Festival wiederbelebt, in sofern ist es mit der 57sten Ausgabe etwas geschummelt, aber gut.
Ich habe das Glück eine begeisterungsfähige Frau zu haben, die dazu noch eine Wohnung in Peitz besitzt. So genossen wir drei tolle Tage Jazz vor Ort.
Das erste Konzert war bereits ein Highlight und fand in einer Kirche statt. Kit Downes zauberte an der Orgel ungewöhnliche Töne und Sebastian Gille überzeugte mit Saxophon Klängen.
Zwischen diesem und den weiteren Auftritten fand meist ein Ortswechsel, Distanz max. 100 Meter, statt. So verzögerten Umbaupausen den Ablauf nur wenig und für Frischluft war gesorgt.
Am Wochenende genossen wir noch siebzehn weitere Konzerte, die Auswahl gefiel uns bis auf Ausnahmen sehr gut. Die einhundert Euro, die wir pro Nase bezahlt hatten, amortisierten sich.
Zum Abschluss spielte am Sonntag zum Frühschoppen die Insommia Brass Band aus Berlin auf. Eine der wenigen Acts mit jüngeren MusikerInnen. Insgesamt hielt sich der Altersdurchschnitt sowohl des Publikums als auch der Auftretenden so um die Siebzig. Wir passten zwar gut dazu, aber mehr junges Blut währe angenehm.
Leider war während des Festivals jeweils nur ein Bratwurst- und Getränkestand aufgebaut, für uns als "Einheimische" entstand kein Versorgungsproblem, aber die Angereisten hatten hoffentlich Proviant dabei. Denn die örtliche Gastronomie ignorierte das Festival, wie es auch die Bevölkerung tat. Insgesamt fühlte man / frau sich als BesucherIn so, als wenn wir am Freitag aus fernen Galaxien angereist waren. Am Sonntag Mittag bestiegen wir das Raumschiff dann, um im nächsten Jahr zurückzukommen.
Ein Abend mit Antigone von Sophokles (geschrieben ca. 500 Jahre vor Null). Eigentlich ist die Geschichte schon etwas abgestanden, trotzdem versuchte das Staatstheater Cottbus sie aufzuhübschen.
Das heutzutage ein König seine Tochter umbringen lässt, weil sie den verfemten Bruder anständig beerdigen will, ist aktuell wohl am ehesten noch in Saudi Arabien möglich. Weshalb das Stück deshalb als Beitrag zum Jahrestags der Einverleibung der DDR geeignet war? Obwohl in einem Video Schnipsel des AfD-Nazi Höcke zu sehen waren. Auch Demonstranten aus der DDR die "Wir sind das Volk" riefen tauchten im Video auf. Nun gab es im Original Stück von Sophokles am Ende keinen Volksaufstand, nur ein fürchterliches Gemetzel unter der Herrschaftsfamilie in Theben. Und die Moral von der Geschichte war wohl, dass Ödipus mit seiner Mutter Sex hatte und damit die daraus hervorgegangene Adelslinie zum Untergang verurteilt war. Wie davon der Bogen zu der trottligen Führung des "Arbeiter - und Bauernstaats" gezogen werden sollte, erschloss sich mir nicht. Das Lenin mit seiner Mutter Stalin gezeugt hat, erscheint mir zu unwahrscheinlich.
Antigone Neuropa wurde als eine szenische Lesung mit Live Musik Begleitung konzipiert. Aufgepeppt mit Video und Tanzperformance. Das war spannend anzusehen und zu hören. Leider war das Nebeneinander der Performance und der Rezitatoren teilweise nicht glücklich abgestimmt, oft liefen sie unkoordiniert nebeneinander her. Wohin gegen die Musiker gut mit den Texten und den Tänzern kooperierten.
Insgesamt waren meine Begleitung und ich mit dem Abend zufrieden, auch weil der Ort der Aufführung, einem ehemaliger Hangar des Militärflughafens Cottbus, sehr ansehnlich ist.
Wenn ich zu Konzert ins Haus der Kulturen komme, gehe ich auch gerne vorher in das Restaurant in Gebäude, denn es ist am Ufer der Spree gelegen. Bei gutem Wetter bezaubert mich der Blick auf die vorbei fahrenden Dampfer immer wieder. Die Weltwirtschaft dort ist das erste Restaurant im Haus, das ich dort erlebe, in dem die Küche ziemlich professionell betrieben wird. Meine Begleitung speiste Osso Bucco und ich Boudin Noir, alles schmeckte sehr lecker. Es lohnt sich auch den Kellner nach Tagesgerichten zu fragen.
Im Anschuss stiegen wir auf Dach des Hauses, um dem Konzert von Christiane Rösinger zu lauschen. Sie ist eine alte Häsin im Berliner Musikleben, seit sie 1988 mit vier anderen MusikerInnen die Lassi Singers gründete.
An diesem Abend sang sie eigene Lieder und wurde von einer Frau an der Gitarre begleitet. Stimmlich fand ich den Auftritt nicht so überzeugend, aber darauf kommt es nicht immer an. Im Vordergrund stehen bei ihr die Poesie der Texte. Und sind die richtig gut.
Radio 1 ist einer der "Hauptstadtsender", im Sommer bieten er Sendungen live, in diesem Jahr unter Hygiene Bedingungen Umsonst und Draußen im Sommergarten des Franz Club.
Das Duo Axelander Hacke und Danielle de Picciotto erzeugte spannende Klänge mit Obertongesang, Gitarre, Drehleier, Hackbrett, Geige und Elektronik Equipment. Sie spielen seit zwanzig Jahren gemeinsam und überzeugten durch ihre Live Präsenz.
Im Anschluss wurde gelesen. Oberkampf ist ein Stadtteil von Paris und dort treffen ein junger und ein alter Schriftsteller aufeinander. Alles vor dem Hintergrund der Al-Qaida Morde vom 7. Januar 2015. Ein kluger und sprachlich gewandter Roman.
By Dirk Ingo Franke - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40591177
Seit ein paar Jahren findet die Reihe "Jazz on the roof" regelmäßig im Cafe Haberland statt. Das befindet sich auf den Dach des U-Bahnhofs Bayrischer Platz. Ein hübscher Platz im sonst etwas verschlafenen Bayrischen Viertel.
Kuratiert wird die Reihe von zwei Kennern der Berliner Jazzszene. Das Cafe sorgte für corona kompatiblen Musikgenuss.
Diesmal an den Instrumenten: Atrin Madani - vocals Stefan Grütter - gitarre Carmelo Leotta - kontrabass
Alles exzellente Musiker und das Zusammenspiel war sauber, doch mir war die Musik zu cafehausmäßig.
Der iranisch stämmige Sänger sang zwar sehr kraftvoll, doch auch mit viel Schmalz in der Stimme.
Aber was beschwere ich mich, ich saß schließlich in einem Cafehaus.
Am 11. September findet das nächste Konzert in der Reihe statt. Reservieren ist klug.
Angelika Bröhan benennt ihre Ausstellung "Beiläufige Aufmerksamkeit". Dabei nähert sie sich alltäglichen und nicht so alltäglichen Dingen mit einem nicht alltäglichen Blick. So z.B. in der Serie Festplätze. Dort zeigt sie nicht die bunte Frontseite der Geschäfte, in ihrem Foto ist die Rückseite mit den Versorgungsleitungen abgebildet.
Viele Fotos erinnern an Urlaubs Postkarten, doch so ein Urlaubs Idyll aus der Serie Orte zeigt im Vordergrund Bauschutt und eine Mülltonne?
Angela Bröhans Blicke mit Einblick könnt ihr noch bis 5. September in der ep.contemporary bei mir um die Ecke in der Pohlstr. 71 bewundern. Öffnungszeiten bitte erfragen.
Die Immobilie, die jetzt das Sammlerehepaar Boros besitzt, ist ein Hochbunker an der Reinhardstrasse 20 in Mitte. Leider konnten die alliierten Bomben die Konstruktionen nicht sprengen, doch so überlebten in diesem bis zu 4.000 BewohnerInnen der Reichshauptstadt das unrühmliche Ende der deutschen Träume von der Weltherrschaft.
Nach Intermetzi als Lebensmittel Lager in der DDR und als Technoschuppen nach der Übernahme der DDR erwarben die Boros 2003 das Gebäude.
Sie ließen sich ihr Penthaus als 5. Stockwerk aufs Dach setzen, brachen darunter Decken heraus, so das einige Räume über drei Stockwerke entstanden, ideal für großformatige Objekte.
Ich freue mich spannende Kunst in spannender Umgebung sehen zu können. Sammler sind zwar die Lebensrettung für viele Künstler, haben jedoch oft ihren Reichtum mit dubiosen Mitteln zusammengerafft.
Gut, die Familie Boros ist nicht so ein Schweineverein wie die Deutsche Bank, die nur zum Image-Gewinn sammelt, Sie zeigen ihre Kunst öffentlich, aber irgendwie ist mir das Sammlertum doch suspekt.
Im Gegensatz zu meiner ersten Ausstellung bei Boros fehlte mir meist die Poesie in den Arbeiten. Mag sein das dies daran lag, das nur drei KünstlerInnen dabei waren. Zumindest Katja Novitskova wusste mich zu bezaubern.